Um das Verhältnis zwischen China und den USA ist es alles andere als gut bestellt. Nun nehmen US-Sicherheitsberater Jake Sullivan und das Politbüromitglied Yang Jiechi, Chinas ranghöchster Aussenpolitiker, in Zürich einen neuen Anlauf, um die Spannungen zu entschärfen. Am Mittwochmorgen sind die beiden Delegationen in Kloten gelandet.
«Sie wollen die Kommunikationskanäle wiederherstellen und den zwischen den Präsidenten Xi Jinping und Joe Biden erzielten Konsens umsetzen», schrieb die Hongkonger Zeitung «South China Morning Post» am Dienstag unter Berufung auf einen Regierungsvertreter. Das Weisse Haus bestätigte die geplante Begegnung am Dienstagabend Schweizer Zeit.
Der Begriff «Gipfeltreffen» ist reichlich hoch gegriffen. Dennoch darf man die Begegnung der Regierungsvertreter nicht unterschätzen. Das ohnehin schwierige Verhältnis zwischen den beiden Weltmächten hat sich in letzter Zeit stark abgekühlt. Das zeigte sich beim Treffen von US-Aussenminister Tony Blinken mit Yang Jiechi im März in Alaska.
Der Chinese hatte den Amerikaner vor laufender Kamera regelrecht beschimpft. Seither haben die Spannungen weiter zugenommen. An Gesprächsstoff in Zürich mangelt es nicht. Das sind die wichtigsten Streitpunkte:
Die Volksrepublik China betrachtet den demokratisch regierten Inselstaat vor ihrer Küste als «untrennbaren Teil» ihres Territoriums. Seit einiger Zeit haben die Drohgebärden aus Peking an die Adresse Taiwans massiv zugenommen. Allein in den letzten Tagen sind rund 150 chinesische Militärflugzeuge in die taiwanesische Luftverteidigungszone eingedrungen.
Staatspräsidentin Tsai Ing-wen schlug in einem am Dienstag veröffentlichten Beitrag für das Magazin «Foreign Affairs» Alarm: «Wenn Taiwan fallen sollte, wären die Konsequenzen für den regionalen Frieden und das System demokratischer Allianzen katastrophal.» Auch das Weisse Haus kritisierte die «provokanten militärischen Aktivitäten» Chinas scharf.
Die USA praktizieren in der Taiwan-Frage eine Politik der Zweideutigkeit. Sie akzeptieren den Anspruch Pekings und halten sich wie die meisten Länder an die «Ein-China-Politik». Gleichzeitig sind sie bereit, Taiwan bei einem Angriff aus China militärisch zu unterstützen. Joe Bidens Sprecherin Jen Psaki bezeichnete diese Verpflichtungen als «felsenfest».
China tritt nicht nur gegenüber Taiwan immer aggressiver auf. Die Volksrepublik markiert im gesamten Indopazifik-Raum militärisch zunehmend Präsenz, unter anderem mit einem starken Ausbau ihrer Seestreitkräfte. Als Gegengewicht haben die USA im September mit Australien und Grossbritannien eine neue «Sicherheitspartnerschaft» vereinbart.
Beim Aukus genannten Bündnis gehe es um Frieden und Stabilität in der Region, hiess es. Für Sicherheitsexperten ist klar, dass es auf China zielt. Peking reagierte entsprechend empört und warf den drei beteiligten Ländern eine Mentalität aus dem Kalten Krieg vor. Auch in diesem Punkt gibt es zwischen Jake Sullivan und Yang Jiechi einiges zu bereden.
Als «Kollateralschaden» entstand ein heftiges Zerwürfnis mit Frankreich, das kurz vor einem grossen U-Boot-Deal mit Australien stand. Nun aber liefern die USA nuklear betriebene U-Boote. Die Amerikaner bemühen sich deshalb um Schadensbegrenzung. Aussenminister Blinken war am Dienstag in Paris, auch Sullivan wird auf seiner Europareise dort erwartet.
Ein weiteres Konfliktfeld sind die wirtschaftlichen Beziehungen. Joe Bidens Vorgänger Donald Trump hatte einen «Handelskrieg» losgetreten und Strafzölle gegen chinesische Produkte verhängt. Daran will auch die Regierung Biden vorerst nichts ändern, wie die Handelsbeauftragte Katherine Tai am Montag in Washington erklärte.
Demnach wollen die USA vorerst an Strafzöllen festhalten. Allerdings soll es mehr Ausnahmen zugunsten der US-Wirtschaft geben. China verstosse regelmässig gegen internationale Handelsregeln und fairen Wettbewerb, was der US-Wirtschaft schade, sagte Tai, deren Eltern aus Taiwan stammen. Sie kündigte baldige Gespräche mit Peking an.
Ein weiterer Streitpunkt ist der Ursprung von Sars-Cov-2. Sullivan und Yang dürften auch über ein Gipfeltreffen zwischen Joe Biden und Xi Jinping sprechen. Zuletzt telefonierten die Staatschefs im September miteinander. Allerdings hat Xi China seit Beginn der Pandemie nicht verlassen. Er will offenbar auch nicht am G20-Gipfel in Rom Ende Oktober teilnehmen.
Grosse Erwartungen darf man an das Zürcher Treffen nicht haben. Es ist bereits ein Fortschritt, dass die konkurrierenden Mächte miteinander reden, um ihre Differenzen «verantwortungsbewusst zu handhaben», wie das Weisse Haus schrieb. Zürich bietet sich dafür an, denn bekanntlich hält sich der Bundesrat mit Kritik an China sehr zurück.
Mit Material von Keystone/SDA