Portugal mauserte sich im Sommer zum Impfweltmeister. Während die Kurve in der Schweiz – wie auch in vielen anderen europäischen Ländern – Mitte Juli abflachte, impfte Portugal einfach weiter. So stehen die Iberer jetzt bei 87,8 Prozent vollständig Geimpften. Das wird weltweit nur von Singapur und der Vereinigten Arabischen Emirate übertroffen.
Von der impffähigen Bevölkerung (über 12 Jahre) sind in Portugal gar 98,5 Prozent geimpft. Geschafft hat man dies mit militärischem Drill – und ohne Politiker.
Gemäss Epidemiologe Henrique Barros von der Universität Porto verhinderte die Impfkampagne in Portugal viel Leid. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber der Experte schätzte die Zahlen an der Sitzung mit Gesundheitsexperten und Spitzenpolitikern am Freitag so ein: «Von Mai bis heute hat die Impfung etwa 200'000 Neuinfektionen, 135'000 Krankenhaustage, 55'000 Tage auf der Intensivstation und etwa 2000 Menschen das Leben gerettet.»
Eindeutige Aspekte gibt es auch: «Der Unterschied von heute und einem Jahr ist gross. Und diese Differenz verdankt Portugal insbesondere der Impfung.»
Aktuell machen bei den Neuinfektionen die Gruppe der 5- bis 10-Jährigen, welche nicht geimpft werden können, den grössten Anteil aus. Henrique Barros sagte daher: «Die Impfung von Kindern sollte die gleiche Priorität wie die Booster-Impfungen haben.» Noch hat die europäische Arnzeimittelagentur (EMA) die Impfung von kleineren Kindern nicht freigegeben. Auf der Insel Madeira warte man nur noch auf das Okay, dann wolle man 24'000 Kinder impfen, berichtet der TV-Sender «TVI 24».
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Doch die Impfung schützt bekanntlich nicht zu hundert Prozent gegen Neuinfektionen. Das zeigt sich jetzt auch wieder in Portugal. Die Neuinfektionen nahmen in den letzten Tagen wieder zu, sind aber noch auf deutlich tieferem Niveau als etwa in der Schweiz.
Interessant ist auch in Portugal der Blick auf die Hospitalisierten. Während in der Schweiz die Zahlen deutlich steigen, geht die Anzahl Covid-19-Patienten zwar auch in Portugal langsam in die Höhe, allerdings auch hier noch deutlich moderater.
So schrieb die renommierte Zeitung «Publico» letzte Woche noch, dass die Anzahl der Patienten auf Intensivstationen vom Dienstag auf Mittwoch um 5 Personen auf 75 zurückging und fasste zusammen: «Die Lage in den Spitälern ist überall sehr entspannt.» Zudem sei man auch bereit, falls die Hospitalisationen um die Weihnachtszeit wieder steigen.
So weit, so gut. In Portugal ist man noch weit entfernt davon, in Panik zu verfallen. Trotzdem traf sich die Regierung am Freitag mit Gesundheitsexperten, um die nächsten Schritte zu diskutieren.
Pedro Pinto Leite, Generaldirektor des portugiesischen Gesundheitsamtes, eröffnete die Sitzung, indem er von der fünften Phase der Pandemie sprach. Man sei zwar durch die Impfung besser vorbereitet als in früheren Wellen, aber der Anstieg der Infektionszahlen zeige, dass man jetzt etwas unternehmen müsse.
Auch Raquel Duarte, Epidemiologin an der Universität in Porto, hielt später fest, dass die Pandemie noch nicht vorbei und es jetzt Zeit zum Handeln sei. Sie sieht in der Phase vor Weihnachten «ein erhöhtes Risiko, dass die Zahl der Fälle exponentiell ansteigt». Dies könne zu einer Verdoppelung oder Verdreifachung der Neuinfektionen führen.
Die Experten empfahlen darum bereits einige Massnahmen für Portugal, wo vor einigen Wochen die Pandemie noch für beendet erklärt wurde:
Duarte fasste die Strategie in fünf Punkten zusammen, wie «Diario de Noticias» schreibt: «Impfen, Lüften, Abstände einhalten, Masken Tragen und Testen.»
Die Experten rieten, dass Grossveranstaltungen, bei welcher allgemeine Massnahmen nicht eingehalten werden können, abgesagt werden sollen und bei familiären (Gross-)Zusammentreffen die «Selbsteinschätzung des Risikos und Selbsttests wichtig» seien.
Die Booster-Impfungen werden derweil für weitere Risiko- und Altersgruppen zugelassen. So seien rund 1,8 Millionen Einwohner Portugals neu «Booster-berechtigt». Ab heute Montag können auch Feuerwehrleute, welche bei Krankentransporten mithelfen und Mitarbeiter im sozialen Bereich den dritten Piks erhalten.
Bisher erhielten 630'000 Personen die dritte Impfung, bis am 19. Dezember sollen 600'000 dazukommen. Das bedeutet, dass das Impftempo erneut hochgefahren werden muss auf rund 20'000 tägliche Impfungen.
Welche Massnahmen die Regierung Portugals in den nächsten Tagen umsetzen wird, ist noch offen.
Die meisten Neuinfektionen gibt es bei Ungeimpften.
Das Impfschema ist noch nicht abgeschlossen, die 3. Impfung fehlt allen noch.
Die Hospitationen bleiben tief.
Lasst den Virus dort erstmal endemisch werden.
Es scheint als sieht eine Impfquote von 90% gut aus für Normalität. Wir sollten uns eher damit befassen, wie wir diese Impfquote in der Schweiz hinkriegen.