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Deutschland: Scholz will Islamisten nach Afghanistan ausschaffen

Scholz will Islamisten nach Afghanistan ausschaffen – das ist leichter gesagt als getan

Der deutsche Kanzler kündigt eine härtere Gangart gegen schwere Straftäter an. Abgelehnte Asylbewerber in unsichere Herkunftsländer zu schicken, ist rechtlich zwar schwierig, aber nicht unmöglich.
06.06.2024, 18:0507.06.2024, 09:15
Hansjörg Friedrich Müller, Berlin / ch media
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Der Anschlag von Mannheim, bei dem am letzten Freitag ein 29-jähriger Polizist getötet wurde, hat das politische Klima in Deutschland verändert: Auf einmal betrachten auch jene islamistischen Terror als Problem, die ihn bisher eher als Ausdruck einer allgemeinen Verrohung abgetan haben. Bundeskanzler Olaf Scholz trug dem in seiner Regierungserklärung vom Donnerstag Rechnung: «Es gibt in Deutschland kein Faustrecht», sagte der Sozialdemokrat vor dem Bundestag. Wer dies anders sehe, bekomme «ein massives Problem mit unserer Polizei und unserer Justiz».

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«Es gibt in Deutschland kein Faustrecht»: Olaf Scholz am Donnerstag vor dem Bundestag.Bild: keystone

Für Aufsehen sorgte vor allem eine konkrete Ankündigung des Kanzlers: Wer in Deutschland Schutz suche und dort schwerste Straftaten begehe oder als Gefährder gelte, gehöre ausgeschafft - und zwar auch nach Syrien oder Afghanistan. Damit übernimmt Scholz eine Position seines liberalen Koalitionspartners und der oppositionellen Christdemokraten.

Das Aussenministerium bremst

Aus Afghanistan stammt auch der 25-jährige Sulaiman Ataee, der in Mannheim die Kundgebung eines islamkritischen Vereins angegriffen und dabei auf sechs Menschen eingestochen hat. Er war 2014 als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland gekommen und erhielt dort zwar kein Asyl, durfte aber bleiben.

03.06.2024, Baden-W�rttemberg, Mannheim: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (l.SPD) legt zusammen mit Muhterem Aras (B�ndnis 90/Die Gr�nen), Pr�sidentin des baden-w�rttembergischen Landtags, am Marktp ...
Beim Angriff von Mannheim kam ein Polizist ums Leben.Bild: keystone

Der Fall des Attentäters steht exemplarisch für das eigentliche Problem der deutschen Asylpolitik: Nach Syrien und Afghanistan muss niemand zurückkehren, weil die Lage dort als unsicher gilt. Neben der Türkei sind Syrien und Afghanistan aber die Hauptherkunftsländer der Asylbewerber. So kommt es, dass rund 80 Prozent der über drei Millionen Schutzsuchenden in Deutschland nicht ausgeschafft werden können.

Das scheint Scholz nun ändern zu wollen: In Fällen wie jenem Sulaiman Ataees wiege das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters, sagte der Kanzler. Ob und wie Ausschaffungen nach Syrien oder Afghanistan umgesetzt werden können, ist allerdings rechtlich umstritten, denn entscheidend ist die Sicherheitslage im Herkunftsland und nicht, welche Untaten die Betroffenen in Deutschland begehen oder begehen könnten.

Eine Möglichkeit, mehr Ausschaffungen zu ermöglichen, bestünde darin, die Sicherheitslage in den Herkunftsländern neu zu bewerten. Dafür wäre das Aussenministerium zuständig, das unter der Leitung der Grünen-Politikerin Annalena Baerbock allerdings wenig Bereitschaft zeigt, seine derzeitige Haltung zu überdenken. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, zu überprüfen, was einem Auszuschaffenden im konkreten Einzelfall drohen würde, sollte er in sein Heimatland zurückkehren müssen. Auch da scheint das Aussenministerium aber zu bremsen.

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Deutschlands Aussenministerin Annalena Baerbock.Bild: keystone

Die eigentliche Arbeit beginnt erst

Ein weiteres Problem ist die Frage, mit wem Deutschland bei den Abschiebungen zusammenarbeiten würde. Regierungen, die ihre Staatsangehörigen zurücknehmen, lassen sich dies meist in der ein oder anderen Form vergelten. In Afghanistan regieren seit 2021 die radikalislamischen Taliban. Davor, Geld an die Gotteskrieger zu überweisen, dürfte Berlin zurückschrecken.

Ginge es nach dem Hamburger Innensenator Andy Grote, einem Parteikollegen Scholz', könnte Deutschland diesem Dilemma durch eine Zusammenarbeit mit einem Nachbarland Afghanistans entgehen: Pakistan will ebenfalls Afghanen in ihre Heimat ausschaffen und könnte abgelehnte Asylbewerber aus Deutschland mitabschieben. In der SPD und darüber hinaus soll Grotes Vorstoss einigen Anklang finden.

Ob auf Scholz' Worte entsprechende Taten folgen werden oder ob es sich vor allem um ein rhetorisches Manöver im Hinblick auf die Wahl zum EU-Parlament am Sonntag handelt, dürfte davon abhängen, was in den kommenden Wochen und Monaten auf deutschen Strassen geschieht: Sollte es zu weiteren Anschlägen wie jenem in Mannheim kommen, wird der Druck auf die Regierung wachsen.

«Im grossen Stil» auszuschaffen, hat Scholz bereits letzten Herbst angekündigt, doch das grösste Problem, nämlich jenes der unsicheren Herkunftsländer, blieb damals ausgeklammert. So beginnt die eigentliche Arbeit für die deutsche Regierung womöglich erst jetzt. (aargauerzeitung.ch)

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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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S von von Känel
06.06.2024 20:28registriert Dezember 2021
Wenn noch länger lamentiert und herumschwadroniert wird, werden ab einem gewissen Punkt einfach die Bürger handeln. Verbrecher zu schonen sendet in der Welt von 2024 die falschen Signale.
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In vino veritas
06.06.2024 20:05registriert August 2018
Es ist vieles möglich, sofern man will. Gesetze lassen sich ändern und Staaten welche ihre Bürger nicht zurücknehmen wollen lassen sich dazu bewegen. Europa ist in der glücklichen Sitiation, wirtschaftlich genug stark zu sein um das Leben in diesen Ländern zur Hölle zu machen wenn die nicht kooperieren. Mittels harten Sanktionen, Unterstützung von Rebellen oder Waffenliefrungen an feindliche Nachbarn. Meist dürfte aber eine begrenzte Entwicklungshilfe genügen um diese Leute zur Raison zu bringen. Meistens sind es ja Diktatoren, welche dank Hilfszahlungen sehr kooperativ sein können.
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WatSohn?
06.06.2024 18:53registriert Juni 2020
Ich bin ja ziemlich weit links aussen, aber das sehe ich auch so: wenn jemand schutzbedürftig ist, soll er in den westlichen Demokratien diesen Schutz ohne wenn und aber erhalten. Ein Asylant, der auf unsere Lebensart pfeift kann bleiben solange er sich an unsere Gesetze hält und keine Regeln bricht. Es kann aber nicht sein, dass jemand auf den Schutz des eigenen Lebens pocht wenn dieser bereit ist, Menschen zu töten oder zu verletzen.
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