«Juden haben hier Hausverbot»: So rechtfertigt sich ein deutscher Ladenbesitzer
Inzwischen ist sein Schaufenster mit einer «Nazis raus»-Parole beschmiert und «I hate Nazis»-Klebern zugepflastert. Bis Mittwochabend hing da noch ein selbst gedruckter Aushang: «Juden haben hier Hausverbot!!!! Nichts persönliches, auch kein Antisemitismus, kann euch nur nicht ausstehen.»
Während das offizielle Deutschland um seine Position zu Israel und dem Gaza-Krieg ringt, sendet ein obskurer Flensburger Ladeninhaber Schockwellen in die Bundesrepublik aus. Schnell fand ein Schnappschuss des Schaufensters den Weg in die sozialen Medien. Der Aufschrei, den das Schild mit dem «Hausverbot» generiert hat, ist enorm.
«Wie kann so etwas im selben Land passieren, in dem vor 80 Jahren der Holocaust geschah?», fragt eine jüdische Kommentatorin aus den USA. «Es ist wieder 1933», schreibt ein anderer. Viele Bürgerinitiativen und Organisationen gegen Antisemitismus verurteilen den Vorfall aufs Schärfste, ebenso die Flensburger Lokalpolitik. Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, nennt es auf Welt-TV «Antisemitismus in Reinform», den man so nicht hinnehmen dürfe.
Inzwischen hat der 60-jährige Ladeninhaber das Schild wieder entfernt, wie das «Flensburger Tageblatt» am Donnerstagmorgen berichtete. Laut der Lokalzeitung steht der Mann aber hinter seiner Aktion und will von Antisemitismusvorwürfen nichts wissen. Viel mehr begründet er diese mit Israels Krieg im Gaza-Streifen: «In Israel leben nun mal Juden, und ich kann ja nicht unterscheiden, wer für die Angriffe oder dagegen ist.»
Der Regierung Netanjahu wirft er Heuchelei vor: «Die sagen immer, die Geschichte dürfe sich nicht wiederholen, machen es dann aber selbst.» Um seine Gesinnung zu unterstreichen, hat er eine grosse Palästinafahne in seinem Schaufenster aufgehängt.
Mehrere Anzeigen bei der Polizei eingegangen
Die ehemalige Oberbürgermeisterin von Flensburg, Simone Lange, hat den Vorfall persönlich bei der Polizei angezeigt, wie sie auf Facebook schreibt. Auch soll neben anderen Einwohnern ein Flensburger Geschichtslehrer Strafanzeige wegen Volksverhetzung erstattet haben, berichten die Lokalmedien.
Der amtierende Oberbürgermeister versucht, den internationalen Imageschaden für seine Stadt zu begrenzen: «Das erinnert an die dunkelsten Kapitel in der Geschichte Deutschlands. Ich versichere Ihnen ganz persönlich, dass eine solche Haltung, eine solche Äusserung bei uns keinen Platz hat und nicht toleriert wird», sagt der parteilose Fabian Geier laut der «Flensburger Zeitung». Er ruft dazu auf, «gemeinsam für unsere demokratischen Werte einzutreten und jüdische Mitbürger zu unterstützen».
Ob sich der 60-jährige Ladenbesitzer im Voraus bewusst war, welche Lawine er da losgetreten hat und wie ihm seine Provokation mit dem Juden-Boykott-Plakat jetzt um die Ohren fliegt? Wirft man einen näheren Blick auf sein Schaufenster in der Duburger Strasse in Flensburg, scheint er vielmehr der Kaste der unverstandenen Wutbürger anzugehören. Zum ausgestellten Warenangebot gehören Gothic-Artikel und nationalistischer Deko-Kitsch. Weil er die «Schnauze voll mit dem Bürokratie-Schwachsinn» hat, kündigt er auf einem weiteren Schild die «Teil-Schliessung» seines Geschäfts per Ende September an.
