Viele Frauen, die schon auf dem Oktoberfest unterwegs waren, wissen: Da wird geschunkelt und umarmt, das Glas herumgereicht und irgendjemand versucht früher oder später, dich lattenstramm auf die Kotzwiese zu quatschen, für ein bisschen «zickezackezickezacke» – nun ja, du weisst schon.
Das kann ein Riesenspass sein oder eine extrem bedrohliche Situation. Denn auf der Wiesn herrscht Durcheinander pur: Das Gelände und die Bierzelte sind riesig, die Menschenmengen dicht, das Handynetz überlastet. Wenn man dann die Freunde, das Portemonnaie oder die Kontrolle verliert, wünscht man sich nur noch einen sicheren, ruhigen Ort.
Die gute Nachricht ist: Diesen gibt es. Bei der Anlaufstelle der Aktion «Sichere Wiesn» finden Mädchen, Frauen und alle weiblich gelesenen Personen einen Safe Space. Das gesamte Oktoberfest über hilft hier ein Team aus Ehrenamtlichen im Schottenhamelzelt Besucherinnen aus, die nicht mehr weiter wissen.
Manuela Soller arbeitet für Amyna e.V., ein Institut zur Prävention von sexuellem Missbrauch. Der Verein hat die Aktion zusammen mit IMMA.V. und dem Frauennotruf München ins Leben gerufen. Aus gutem Grund, wie sie im Gespräch mit watson erklärt:
Anstatt hilflos über die Wiesn zu stolpern, können Betroffene im Zweifelsfall hier eine Anlaufstelle finden, bis sie ihre Freundinnen wieder gefunden haben oder sie ein Familienmitglied abholt. Die Ehrenamtlichen, darunter «immer ein paar fachlich ausgebildete Frauen, aus dem pädagogischen Bereich oder Frauenhäusern, dazu ein paar Studentinnen», wie Soller sagt, sind zur Stelle, egal ob es um kleine Lappalien oder ernste Probleme geht.
Manchmal wollen die Betroffenen nur schnell ihr Handy wieder aufladen, sind betrunken in ein paar Scherben gefallen oder erleben eine psychische Krise inmitten des Tumults. Dem Team geht es darum, niemanden mit seinen Problemen alleine in den Menschenmassen stehenzulassen und damit unter Umständen Gefahren auszusetzen.
«Was wir viel machen ist zum Beispiel, dass wir Frauen einfach zur U-Bahn, im Zweifelsfall auch ganz nach Hause begleiten, um sicherzugehen, dass auf dem Heimweg nichts passiert», erklärt sie weiter. Dafür gäbe es Kooperationen mit Taxiunternehmen, in Einzelfällen auch ein Notfallauto, «denn einige Frauen sind so instabil, dass man sie nicht einfach irgendeinem – zumeist ja männlichem – Taxifahrer, den sie nicht kennen, ins Auto setzen kann», so Soller.
Ein weiteres typisches Thema auf den Wiesn sind K.O.-Tropfen. «Wenn der Verdacht besteht, dass jemand etwas ins Getränk geschüttet bekommen hat, weil sie sich seltsam fühlt oder Erinnerungslücken trotz niedrigem Alkoholkonsum hatte, können wir auf diese Frauen aufpassen und sie in die medizinische Ambulanz begleiten», erklärt sie. Das Team bietet den entsprechenden Schutzraum, um sich nicht so ausgeliefert zu fühlen.
Der Eingang des Safe Space befindet sich direkt bei der Erste-Hilfe-Station und nahe der Polizeistelle auf dem Wiesn-Gelände. Zwischen den ärztlichen Diensten und auch mit den Beamt:innen gäbe es bei Bedarf eine «gute Kooperation», sagt Soller. Das ist hilfreich, wenn es um Körperverletzungen, zum Beispiel im Rahmen von Partnerschaftsgewalt, geht. Auch wegen sexueller Übergriffe seien im vergangenen Jahr 30 Frauen zu ihnen gekommen, berichtet Soller:
Kurzum: Es lohnt sich zu wissen, dass es diesen Safe Space gibt. Auch wenn man selbst nicht direkt betroffen ist, aber eine offensichtlich orientierungslose oder verzweifelte Frau inmitten des Oktoberfest-Getümmels entdeckt. Der Verweis auf die «Sichere Wiesn» schadet nicht.
Lieber ein Alarm zu viel, als einer zu wenig, das glauben die Betreuerinnen. «Wenn du ein Mädchen oder eine Frau bist und du dich verunsichert, bedroht oder belästigt fühlst, scheue dich nicht, vorbeizukommen und dir bei uns Unterstützung zu holen», sagt Soller klar.