Einige Anwohnerinnen und Anwohner in Berlin wurden heute Morgen unsanft aus dem Schlaf gerissen: Kurz nach fünf Uhr erhielten sie über die Warn-App Nina Meldungen von «extremer Gefahr». Grund dafür war eine Explosion auf einem Sprengplatz der Berliner Polizei, die um 3.24 Uhr einen Grosseinsatz der Berliner Feuerwehr mit über 100 Einsatzkräften auslöste. Kurz nach ihrem Eintreffen mussten sich diese jedoch wieder aus dem Gefahrenbereich zurückziehen und konnten bis jetzt noch nicht mit den Löscharbeiten beginnen – mehr dazu später.
Hier in der Bildmitte bzw. leicht rechts davon die ersten Explosionen um 3:16 Uhr. Copyright: https://t.co/0rGMlbYMT1 pic.twitter.com/4R5pqbpEeD
— Chris (@KaterChris) August 4, 2022
Die Explosion setzte den angrenzenden Grunewald in Flammen, wo bereits um 7 Uhr morgens ein Feuer mit einer Ausdehnung von etwa 1,5 Hektar (15'000 Quadratmeter) wütete. Aktuellere Angaben zur Grösse des Feuers gibt es bisher nicht.
#Brand am #Kronprinzessinnenweg in #Nikolassee. Aktuell brennt es im Grunewald und es kommt zu Explosionen. Die ersten Einsatzkräfte haben den Brand bestätigt und großzügig nachalarmiert. Die @Berliner_Fw ist mit über 100 Kräften vor Ort.
— Berliner Feuerwehr (@Berliner_Fw) August 4, 2022
Update folgt… pic.twitter.com/YlBWGk1YzF
Der Brand hat auch Auswirkungen auf den Regional- und S-Bahnverkehr: Bereits am frühen Morgen wurde der Verkehr in Richtung Westen unterbrochen. Wie die Berliner Verkehrsinformationszentrale mitteilt, sei zudem die Autobahn Avus zwischen Spanischer Allee und Hüttenweg in beide Richtungen gesperrt worden.
Normalerweise finden auf dem Sprengplatz im Grunewald kontrollierte Sprengungen von in Berlin gefundenen oder sichergestellten Sprengmitteln statt. Die Explosion der vergangenen Nacht war allerdings nicht geplant – mit weitreichenden Folgen.
Durch die Explosion hat die gesamte Lagerstätte für die Fundmunition Feuer gefangen. Doch nicht nur das: Auf dem Gelände werden auch Kampfmittelmunition und illegale Feuerwerkskörper gelagert. Gemäss Feuerwerksprecher handelt es sich um Material von bis zu 50 Tonnen – ein Polizeisprecher sprach von 25 Tonnen.
NEW - Forest fire rages after explosion at police blast site in Berlin's Grunewald forest.pic.twitter.com/2nlZ0BqPC3
— Disclose.tv (@disclosetv) August 4, 2022
Ob 25 oder 50 Tonnen – es ist sehr viel Material. Wie die Feuerwehr erklärt, hätten die letzten Sprengungen im Juni stattgefunden, da im Sommer wegen der grossen Hitze und der hohen Waldbrandgefahr nicht gesprengt werden könne. Dies führt zum nächsten erschwerenden Umstand: Der Sprengplatz liegt mitten im Berliner Grunewald. Und ebendieser steht jetzt unkontrolliert in Flammen.
Ähnlich wie die Schweiz erlebt auch Deutschland einen heissen Sommer, der in den Wäldern zu grosser Trockenheit führt und die Ausbreitung des Feuers begünstigt. Besonders schwierig wird der Feuerwehreinsatz aber aufgrund der schlechten Zufahrtswege und der Wasserversorgung. Das Löschwasser wird einerseits aus der Krummen Lanke – einem See, der seinen Namen aufgrund seiner schlauchartigen Form erhalten hat – und andererseits aus der Havel, einem Nebenfluss der Elbe, genommen. Von dort aus muss es eine Strecke von drei Kilometern zurücklegen, wofür Löschboote und diverse Löschfahrzeuge eingesetzt werden müssen. Ein Löschhubschrauber ist ebenfalls angefragt worden, dieser ist allerdings bereits in der Sächsischen Schweiz im Einsatz.
Für Feuerwehrsprecher Thomas Kirstein ist dies eine aussergewöhnliche Lage, wie er vor Ort zu t-online sagt: «So eine Lage hat man als Feuerwehrmann wahrscheinlich nur einmal in seinem Leben.» Die Einsatzkräfte befänden sich aufgrund von Trümmerteilen, die durch die Luft fliegen, in höchster Lebensgefahr. Aus diesem Grund hätten sie sich auf rund 1000 Meter um die Flammen herum zurückziehen müssen, wo angrenzende Waldgebiete bewässert würden. Damit soll zumindest das Ausbreiten der Flammen verhindert werden. Auch am frühen Nachmittag habe aufgrund der Gefahr noch immer nicht mit Löscharbeiten begonnen werden können.
Derweil macht den Einsatzkräften die Hitze zu schaffen. Um eine Überlastung zu vermeiden, müssten diese in regelmässigen Abständen ausgetauscht werden, so Kirstein. Bereits um 10 Uhr morgens zeigte das Thermometer in Berlin-Nikolasee 29 Grad an und ist im Laufe des Nachmittags auf 36 Grad geklettert.
#grunewald #SuperPuma #BPO
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patrolling the area of explosion and fire pic.twitter.com/qcaWFJDfnC
Zur Lagebeurteilung sind unter anderem ein Hubschrauber der Bundespolizei sowie eine Feuerwehr-Drohne im Einsatz. Noch ist unklar, wie sich die Lage auf dem Sprengplatz gestaltet. Um die Gefährdung durch die auf dem Sprengplatz gelagerte Munition abschätzen zu können, sollen gepanzerte Bundeswehr-Fahrzeuge ausgesandt werden. Mit einem Sprengmeister soll damit die Lage innerhalb des Sperrkreises erkundet werden.
Wie Brigadegeneral Jürgen Karl Uchtmann erklärt, sei auch der Teodor-Kampfmanipulator, eine Art Kampfmittelräumungsroboter, im Einsatz. Mit diesem können Kampfmittel sowie Sprengvorrichtungen «auf Abstand entdeckt, identifiziert, bewertet und beseitigt werden», wie es auf der Seite der Bundeswehr heisst. Des Weiteren werden mithilfe des Bergepanzers Büffel Brandschneisen gelegt.
Polizeisprecher Thilo Cablitz räumt ein, dass in der Vergangenheit über den Ort des Sprengplatzes mitten im Wald diskutiert worden sei. Allerdings habe man nie eine bessere Alternative gefunden, welche den benötigten Platz bietet. Die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey betonte vor der Presse, dass über die Zukunft des Sprengplatzes ein «ernstes Gespräch» geführt werden müsse. Giffey hatte ihren Urlaub aufgrund des Brandes vorzeitig unterbrochen und war zum Grunewald gereist.
Polizei-Pressesprecher Thilo Cablitz zur Frage, warum sich der Sprengplatz mitten im #Grunewald befindet und wie er gesichert wird.
— Alexander Rothe (@AlexRothe92) August 4, 2022
Via @morgenpost pic.twitter.com/WJVDXCafGP
Bezüglich der Brandursache tappt man noch im Dunkeln. Cablitz betont am Donnerstagmittag, dass die Polizei erst nach der Bekämpfung des Brandes nach der Ursache ermitteln werde. Eine Fremdeinwirkung werde nicht ausgeschlossen.
Bisher wurden keine verletzten Personen gemeldet. Wohngebiete sind nicht in Gefahr. Die Polizei rechne damit, dass der Einsatz voraussichtlich noch mehrere Stunden andauern werde. (saw)