Madeleine Henfling ist 35 Jahre alt und sitzt für die Grünen im Parlament des Bundeslandes Thüringen. Henfling hat einen neugeborenen Sohn und wie wohl ein, zwei andere deutsche Mütter kann es vorkommen, dass sie mal über keinen Babysitter verfügt. Deshalb hat die Politikerin ihren sechs Wochen alten Joshua mit in den Plenarsaal in Erfurt genommen – «der Kleine hat eh in seiner Babytrage gepennt, ich wusste, dass er niemanden stört» begründet die Abgeordnete.
Mit der Anwesenheit des Säuglings nicht einverstanden war Landtagspräsident Christian Carius von der CDU – er warf Mutter und Kind kurzerhand raus. Dass nun die Diskussion um eine familienfreundliche Arbeitswelt neu entbrannt ist, versteht sich von selbst.
Sommerpause zu Ende! Ab heute begleiten mich diese 2 kleinen Füße in den Thüringer #Landtag #workingmom pic.twitter.com/SAR7IFhjbG
— Madeleine Henfling (@henfling_m) 13. August 2018
Rausschmeisser Carius begründete seinen Entscheid gemäss Süddeutsche Zeitung mit der Geschäftsordnung des Landtags, diese erlaube keinerlei Besuch. Zudem ist der Landtagspräsident der Meinung, dass Henfling das Kindeswohl gefährde. Die Mutter ärgert sich tierisch über Carius' Argumentation: «Das ist schon starker Tobak – krass, dass man sich sowas anhören muss.» Unterstützung erhielt die 35-Jährige von der rot-grünen Regierungskoalition, worauf Carius die Sitzung unterbrach und den Ältestenrat um seine Meinung bat. Dieser sprach sich in der Folge zwar nicht für ein generelles Baby-Verbot aus, entschied aber auch nicht gegen die Meinung des Präsidenten. Nach einer halben Stunde wurde weiter debattiert – ohne Madeleine und Joshua Henfling.
Fakt ist in Deutschland: Mitglieder des Bundestags und auch der Landtage haben keinen Anspruch auf Elternzeit, diese Regelung wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Nach dem Mutterschaftsurlaub von acht Wochen haben Mütter wieder zu arbeiten. Henfling nahm ihren Sohn ziemlich bald wieder in den Thüringer Landtag und sieht darin auch keine Probleme: «In dem Alter schlafen die eh meistens und wenn er doch mal weint, gehe ich eben schnell raus zum Stillen oder Wickeln.» Bislang habe sich an dieser Praxis niemand gestört.
Etwas innovativer unterwegs als das Bundesland Thüringen ist das deutsche Parlament, der Bundestag. Dort wird gemäss «Süddeutsche Zeitung» ein Spielzimmer getestet, ausserdem sind Mütter mit ihren Babys gestattet. Henfling erwähnt auch weitere Bundesländer, in welchen die Regelungen familienfreundlicher sind – «andere Parlamente sind da viel weiter und wir diskutieren seit vor der Sommerpause, ob ein Kind mal kurz zur Abstimmung mit rein darf».
Dass die Stimme Henflings nicht ganz unwichtig ist, zeigt ein Blick auf die Sitzverteilung im Thüringer Landtag. Linke, SPD und Grüne verfügen über 46 Sitze und damit eine hauchdünne Regierungsmehrheit, die Oppositionsparteien CDU und AfD kommen auf 42 Sitze, dazu gib es drei fraktionslose Abgeordnete.
Die 35-jährige Politikerin hat sich nun aber organisiert, ihre eigene Mama passt auf den kleinen Joshua auf, sodass Madeleine Henfling ganztägige Plenumssitzungen nicht mehr verpasst. Sie selbst sagt – wohl auch ein wenig in Richtung CDU-Landtagspräsident Christian Carius – «Ich will einfach meine Arbeit machen.» (rst)