Bild: Keystone
Viele deutsche Familien können sich das Geld für die Kinderkrippe künftig sparen. Ab dem 1. August fallen die Eltern-Gebühren in verschiedenen Bundesländern weg. In der Schweiz diskutiert das Parlament derweil darüber, ob ein Förderprogramm für neue Kita-Plätze gestoppt werden soll.
Kinderbetreuung? Kostenlos! Was utopisch klingt, ist für Familien in Deutschland bald vielerorts Realität. Berlin ist das erste Bundesland, das per 1. August die Kita-Gebühren komplett abschafft. Egal, ob sie ihre Kinder in die Kita oder zu einer Tagesmutter schicken – die Eltern erhalten Ende Monat keine Rechnung dafür.
Auch in anderen deutschen Bundesländern tut sich etwas. In Niedersachsen und Hessen ist die Kinderbetreuung ab 1. August für Kinder ab drei Jahren beitragsfrei, wie der Spiegel schreibt. In Rheinland-Pfalz gilt die Beitragsfreiheit für Kinder ab zwei Jahren bereits seit 2010. Und auch Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern wollen die Eltern langfristig von den Gebühren befreien.
Die Anstrengungen gehen auf den Koalitionsvertrag von Union und SPD zurück: Dieser verspricht eine «Entlastung von Eltern bei den Gebühren bis hin zur Gebührenfreiheit». Oder, wie es deutsche Medien und Politiker mit Vorliebe ausdrücken: Gebührenfreie Kitas von der Ostsee bis zum Bodensee.
Gemäss Familienministerin Franziska Giffey sollen in den nächsten Jahren mehrere Milliarden in die Kitas fliessen. Bild: EPA/EPA
Insgesamt will Deutschland in den kommenden Jahren Milliarden in die Kitas pumpen – von 5.5 Milliarden Euro bis im Jahr 2022 sprach Familienministerin Franziska Giffey (SPD) bei den Haushaltsberatungen im Bundestag, wie der «Spiegel» weiter schreibt.
Damit vergrössert sich die Diskrepanz zwischen den Betreuungsverhältnissen in der Schweiz und jenen in unserem nördlichen Nachbarland weiter: Bereits 2015 kam eine Studie des Bundes zum Schluss, dass Schweizer Eltern im europäischen Vergleich überdurchschnittlich tief in die Tasche greifen müssen.
So stemmen Zürcher Eltern im Schnitt zwei Drittel der Kosten selber, nur ein Drittel ist von der öffentlichen Hand gedeckt. In den untersuchten Vergleichsregionen in Deutschland – aber auch in Österreich und Frankreich – ist das Verhältnis gerade umgekehrt. So mussten Eltern in Frankfurt zum Zeitpunkt der Untersuchung nur gerade 14 Prozent der Vollkosten für einen Krippenplatz selber berappen, die restlichen 86 Prozent bezahlte schon damals der Staat.
In Frankfurt zahlen Eltern 14 Prozent der Kita-Kosten selber (in der Grafik blau), in Zürich 66 Prozent. grafik: watson/ quelle: bundesratsbericht zur finanzierung von krippenplätzen, 2015
Auch in der Schweiz gibt es Bestrebungen, die Eltern künftig stärker zu entlasten. Wie der Tages-Anzeiger vor Monatsfrist berichtete, will der Arbeitgeberverband in dieser Frage den Druck auf die Politik erhöhen. «Die Finanzierung ist Aufgabe der öffentlichen Hand», sagte der Dossierverantwortliche des Verbands, Simon Wey, gegenüber der Zeitung. Für November ist ein Treffen zwischen dem Verband und den Vertretern praktisch aller grossen Parteien angesetzt.
Bereits davor dürfte unter der Bundeskuppel jedoch eine andere Schicksalsentscheidung in Sachen Kinderbetreuung fallen: Derzeit streitet das Parlament darüber, ob das bestehende Finanzierungsprogramm zur Schaffung neuer Kita-Plätze um weitere vier Jahre verlängert wird – oder ob es nächstes Jahr ausläuft. Auf dem Spiel stehen Mittel in der Höhe von 130 Millionen Franken. Der Bundesrat und die bürgerlichen Parteien sprechen sich dafür aus, das Programm zu stoppen. Nun sei es an Gemeinden und Kantonen, das Angebot wo nötig weiter auszubauen.
Wird das bestehende Kita-Programm um vier Jahre verlängert? Es geht um 130 Millionen Franken. Bild: KEYSTONE
Eine Studie im Auftrag des Bundes, die vergangenen Dezember veröffentlicht wurde, zeigt: Schweizweit kann jede fünfte Familie ihre Kinder im Vorschulalter nicht in dem Ausmass betreuen lassen, wie sie es sich wünschen würde. Dabei nannten nur zehn Prozent das Fehlen von Betreuungsplätzen als Grund für die unbefriedigende Situation. Weitaus häufiger machten die Eltern einen anderen Grund geltend: die hohen Kosten der Kinderbetreuung.
(jbu)
Video: watson