Der Corona-Ausbruch bei Tönnies hat für viel Aufsehen gesorgt. Nicht nur, dass es trotz Corona-Auflagen überhaupt dazu kommen konnte, sondern vor allem auch die Arbeitsbedingungen in dem Schlachtbetrieb rückten plötzlich in den Fokus. Und nicht nur das: Auch das Thema Schlachten und der Umgang mit den Tieren ist so präsent wie lange nicht mehr. Die «Zeit»-Journalistin Elisabeth Raether hat sich intensiv mit dem Töten von Tieren und der Fleischindustrie auseinandergesetzt. Bei «Markus Lanz» berichtete sie von ihren Erlebnissen und Erkenntnissen.
Für ihre Recherchen für den Artikel «Tiere töten» hat sie unter anderem mit einem Metzger aus einem Supermarkt, einem Schlachter aus einem grossen Schlachtbetrieb sowie mit einem Tierarzt gesprochen und schnell wurde klar: Es gibt grosse Unterschiede. So dauert eine reguläre Metzgerausbildung nach wie vor drei Jahre – eine im Schlachtbetrieb wie bei Tönnies nur zwei Tage. Und überhaupt würden sich immer weniger junge Menschen für eine solche Ausbildung entscheiden, «weil es extrem unangenehm ist».
In ihrem Artikel schreibt die Journalistin, dass Schlachtungen heute fast heimlich stattfänden. Man rede kaum darüber, auch die Schlachter selbst nicht. «Ganz so, als trügen sie Schuld», heisst es. Warum das so sei, wollte Lanz wissen. Raether erklärte:
In Deutschland würden die Tiere zwar vorher betäubt, sodass sie möglichst keine Schmerzen haben, was aber nicht immer funktioniere. «Aber in jedem Fall muss ihnen Gewalt angetan werden und ich denke, dass dieser Gewaltakt sehr schwer mit Genuss in Verbindung gebracht werden kann. Das ist einfach ein Widerspruch, deshalb will man das nicht wahrhaben und nicht dran denken.»
Und dann schildert sie das, was meist nur im Verborgenen geschieht: das gewöhnliche Schlachtprocedere in grossen Schlachtbetrieben in Deutschland und der Weg dorthin. Wichtig sei schon auf dem Weg zur Schlachtung, darauf zu achten, dass die Tiere – insbesondere die Schweine – nicht in Panik geraten, denn sie seien besonders sensibel. Dann werden sie betäubt, in Deutschland, laut Raether, meist mit CO2, das in einen geschlossenen Raum, in dem sich die Tiere aufhalten, eingeleitet wird. Sie schilderte:
Die Legende, dass alles sanft sei und nicht viel passiere, «ist also Quatsch», warf Lanz daraufhin ein. Das konnte sie nur bejahen, denn es gebe immer den Moment, «wo das Tier um sein Leben kämpft», wie Raether erklärte.
Anschliessend müsse das betäubte Tier mit einem Hals- oder Bauchschnitt getötet werden. Wichtig sei dabei vor allem: Das Blut muss herausschwappen. «Es muss ganz schnell gehen und das ist das sogenannte Entbluten. Und der eigentliche Tod ist dann Erstickung, das ist die eigentliche Todesursache», so Raether weiter. Nach dem Ausbluten kommen sie in ein Wasserbad, wo die Borsten entfernt werden. Anschliessend geht es dann auf die sogenannte «reine Seite», wo es dann nicht mehr die Schlachter sind, die sich um das reine Fleisch kümmern. Da beginnt dann der Kampf gegen die Bakterien, wo alle Weiss tragen, wie die Journalistin weiter erläuterte.
Das Perfide: Während Metzger drei Jahre lang genau das lernen, werden die angehenden Schlachter bei Betrieben wie Tönnies nur, wie sie es beschreibt, in zweitägigen Theorie- und Praxis-«Workshops» auf ihre Aufgabe vorbereitet. Dabei lernen die Arbeiter vor allem, wie man die Schnitte setzt.
In ihrem «Zeit»-Artikel schreibt Elisabeth Raether, dass Fleischessen eine Normalität sei, aber der Moment, wo das Tier zu Fleisch wird, sei alles andere als normal. In der Sendung erklärte sie dazu, dass sie glaube, dass man nicht immer versteht, was passiert ist, wenn man Fleisch isst, sonst würde man nicht so viel Fleisch essen. Daraufhin meldete sich Filmemacher Gero von Boehm zu Wort, der ebenfalls bei Lanz zu Gast war, und hakte nach: «Essen Sie denn Fleisch?» Die fast überraschende Antwort: «Ja, ich esse Fleisch.»
Schon in ihrem Artikel habe sie versucht, genau das zu beschreiben, erklärte sie daraufhin. «Das ist paradox», sagte sie. Aber die meisten Menschen seien Tieren wie Hund oder Katze zugewandt und gleichzeitig könne man es geniessen, Fleisch zu essen. «Es ist ja kein individuelles Verschulden, sondern eine Tatsache», sagte sie. Aber dann gebe es immer wieder das Bewusstwerden, was man da eigentlich mache, fuhr sie fort. Ihr Gefühl sei, dass heute einfach viele nicht wissen wollen, was mit den Tieren passiert. Das sei in vielen Kulturen ganz anders, da werde das Tier ganz anders geehrt, auch wenn es dann auf dem Teller landet.
Lanz musste schlucken und kam in diesem Zusammenhang auch auf den Vorgang des Schächtens zu sprechen: «Ich habe sowas oft gesehen», begann er – und brauchte dann einen Moment, um die passenden Worte zu finden. «Das sind Bilder, mit denen wir schwer zurechtkommen», schloss er seinen Satz.
Nach dem kleinen persönlichen Exkurs kam Lanz noch einmal auf den Ablauf im Schlachtbetrieb zu sprechen: «Ein Tier zu öffnen, das eben noch geatmet und gelebt hat und plötzlich nur noch eine dampfende Masse ist, das macht doch etwas mit den Menschen», vermutete er. Raether berichtete, dass sie sei bei ihren Recherchen nicht zu sehr in die Breite, sondern eher in die Tiefe gegangen sei und deshalb nur sagen könne, dass «nicht alle schwer traumatisierte, gebrochene Menschen sind». Gedanken würden diese sich allerdings schon machen und versuchen, im Einklang mit dem zu leben, was ihnen wertvoll sei. «Alle Menschen haben ein Gewissen und auch das Bedürfnis, danach zu leben», sagte sie. So habe sie beispielsweise mit einem Metzger gesprochen, der zwar Schweine töte, aber keine Kaninchen.
Es gibt aber noch ein anderes Problem im Schlachtberuf: Sadisten. Bei ihren Recherchen sei ihr von grausigen Fällen berichtet worden, erzählte Raether. Das permanente Töten von Tieren führe bei manchen dazu, «dass sie die Hemmungen verlieren und die halt übertreiben, dem Tier absichtlich Schmerzen zufügen». So würde beispielsweise der Bolzenschuss für die Betäubung falsch gesetzt, damit das Tier doch noch Schmerzen verspürt, schilderte sie.
Überhaupt sei Fehlbetäubung ein grosses Problem. Auch bei der Schlachtung von Hühnern, die teils sehr automatisiert abläuft – samt Halsschnittautomat.
Und dann gab es noch einen Moment, der Filmemacher Gero von Boehm erneut aufhorchen liess und ihn absolut sprachlos machte. Zwei Millionen Tiere müssen in Deutschland täglich sterben – Wildtiere und Fische nicht mit eingerechnet. Gero von Boehm hakte fassungslos nach: «Wir reden ja jetzt von Massentierhaltung und die zwei Millionen schockieren mich gerade sehr. Passiert das auf einem Bauernhof anders?» Aber die Journalistin raubte ihm jegliche Illusion: Denn auf Bauernhöfen wird nicht selbst geschlachtet, auch der Bauer muss sich für einen Schlachtbetrieb entscheiden. Es gibt grosse, mittlere und kleine Schlachtbetriebe in Deutschland, berichtete Raether. Allerdings sei auch bei einem kleinen Betrieb nicht garantiert, dass tiergerecht geschlachtet wird, «falls es sowas denn gibt».
(jei)
Ebenso ein Klärwerk und eine Abfallverbrennungsanlage.
Die negativen / unangenehmen Auswirkungen unseres Leben / Handeln sollte ins Bewusstsein der Menschen gebracht werden.
Kleine Betriebe die auf gut Ausgebildete Leute setzen können ja preislich nie mithalten wenn in den Fabriken irgendwelche Handlanger arbeiten.
Dazu noch die Länge der Tiertransporte limitieren.
Fleisch ist für viele ein Konsumgut, das gefälligst zu jedem Tageszeitpunkt auf dem Tisch zu sein hat. Dabei würde es der Welt und dem Mensch nur gut tun, wenn er Fleisch wertvoller einschätzen und seinen Fleischkonsum beschränken würde.
Aber hei, wer bin ich schon anderen Menschen Ratschläge zu geben.