In Chemnitz im ostdeutschen Bundesland Sachsen sind nach einem tödlichen Streit am Sonntag Hunderte Menschen durch die Innenstadt gezogen.
Ausgangspunkt der Aufmärsche ist ein verhängnisvoller Streit in der Nacht auf Sonntag in Chemnitz bei dem ein 35-Jähriger starb. Zwei weitere Männer im Alter von 33 und 38 Jahren wurden verletzt, zum Teil schwer, wie die Polizei Chemnitz mitteilte. Alle drei sind laut den Ermittlern Deutsche. Bei dem Streit sollen Messer zum Einsatz gekommen sein. Die Polizei hat zwei 22 und 23 Jahre alte Männer vorläufig festgenommen, die sich vom Tatort entfernt hätten. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln wegen Totschlags.
Entgegen der in einigen Medien kursierenden Infos, gibt es nach jetzigem Ermittlungsstand bzgl. des Tötungsdelikts in #Chemnitz keinerlei Anhaltspunkte, dass eine Belästigung der Auseinandersetzung vorausging. Bitte beteiligt euch nicht an Spekulationen! https://t.co/CnC0SGZ1oT pic.twitter.com/kXHGHSJb0u
— Polizei Sachsen (@PolizeiSachsen) 26. August 2018
An dem Streit mit nach ersten Ermittlungen maximal zehn Personen sind laut Polizei Männer mehrerer Nationalitäten beteiligt gewesen. Das 35-jährige Opfer starb im Spital an seinen Verletzungen. Der Grund für die Auseinandersetzung ist nach ersten Informationen unklar. Die Polizei rief auf Twitter dazu auf, sich nicht an Spekulationen zu beteiligen. Sie dementiert Gerüchte um ein zweites Todesopfer.
Laut der Polizei hatte es am Sonntag mehrere Aufrufe im Internet gegeben, sich in der Innenstadt einzufinden. Den Angaben nach hatten sich daraufhin zunächst gegen 15.00 Uhr rund 100 Menschen versammelt. Dies sei störungsfrei verlaufen. Diese Versammlung ging auf einen Aufruf der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) zurück.
Dem folgte eine weitere Versammlung um 16.30 Uhr. Zu dieser Versammlung hatte laut Medienberichten die rechte Ultra-Fussballvereinigung Kaotic Chemnitz aufgerufen. Bei der zweiten Versammlung nahmen laut Polizei rund 800 Personen teil. Die Ansammlungen hatten sich am Abend nach und nach aufgelöst. «Um ein deutliches Zeichen zu setzen, forderte eine sportlich-orientierte Gruppe des Chemnitzer FC unter dem Motto ‹unsere Stadt - unsere Regeln› dazu auf, gemeinsam gegen die zunehmende Gewalt von Ausländern auf die Strasse zu gehen», heisst es auf deren Facebook-Seite.
Video aus Chemnitz. Rechtsextreme Hools und Nazis überrannten die völlig überforderte Polizei, zogen Richtung Innenstadt, wo es laut Beobachtern vor Ort zu Jagdszenen auf Migrant*innen kam. #c2608https://t.co/kP0Hqu3Jio pic.twitter.com/kBGd4rxlKk
— Chronik gegen Rechts (@Chronik_ge_Re) 26. August 2018
«Die Personengruppe reagierte nicht auf die Ansprache durch die Polizei und zeigte keine Kooperationsbereitschaft», teilten die Behörden mit. Zuerst sei die Polizei nur mit geringen Kräften vor Ort gewesen, heisst es weiter. Weitere Einsatzkräfte mussten aus Dresden und Leipzig hinzugezogen werden.
Ein Video, das während der Krawalle aufgenommen sein worden soll, zeigt regelrechte Jagdszenen. Eine Personengruppe stürmt – «Kanacken» schreiend – auf zwei Männer zu, treibt diese über eine befahrene Strasse.
Am Abend hatten sich die Ansammlungen aufgelöst. Gemäss Angaben der Polizei wurden vier Anzeigen bearbeitet: zwei wegen Körperverletzung, eine wegen Bedrohung sowie eine wegen Widerstands gegen Beamte. Ein weiteres Video zeigt, wie Demonstranten sich Krawalle mit der Polizei liefern:
Menschen, die in Chemnitz "für Ordnung sorgen" wollen.
— Lars Wienand (@LarsWienand) 26. August 2018
Und die Polizei, die von solchen Leuten eine Stufe runter aufs Kreuz geworfen wird. pic.twitter.com/HAuhzgpjJh
«Wenn ich sehe, was sich in den Stunden am Sonntag hier entwickelt hat, dann bin ich entsetzt», sagte Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig dem MDR. «Dass es möglich ist, dass sich Leute verabreden, ansammeln und damit ein Stadtfest zum Abbruch bringen, durch die Stadt rennen und Menschen bedrohen – das ist schlimm.» Zunächst hatten die Veranstalter Pietätsgründe für den Abbruch des Fests angegeben.
Ein schrecklicher Mord, dessen Hintergründe unklar sind, wird in #Chemnitz aufs Widerlichste für rassistische Ausschreitungen instrumentalisiert. Potentielle Opfer müssen geschützt werden, gegebenfalls auch durch ein #Versammlungsverbot für die rechte Mobilisierung heute Abend.
— Martina Renner (@MartinaRenner) 27. August 2018
Auf Twitter äusserte sich die Bundestagsabgeordnete der Linken, Martina Renner: «Ein schrecklicher Mord, dessen Hintergründe unklar sind, wird in #Chemnitz aufs Widerlichste für rassistische Ausschreitungen instrumentalisiert»,
In der Nacht waren verstärkt Einsatzkräfte im Stadtgebiet unterwegs. «Es war ruhig. Es gab keine besonderen Ereignisse in der Nacht», so ein Polizei-Sprecher.
Nun bereitet sich die Polizei auf neue Kundgebungen vor. Im Internet gebe es verschiedene Aufrufe zu Demonstrationen, sagte eine Sprecherin der Chemnitzer Polizei am Montag. Derzeit liefen Planungen, wie damit umgegangen werden solle. Ein Aufruf zu einer erneuten rechtsextremen Versammlung wurde in den Sozialen Medien über Nacht mehrere tausend Mal geteilt. Antifaschisten haben derweil eine Gegendemonstration angekündigt.
Nun, der taucht in der Tonspur eines Videos auf, das Rechtsextreme zeigen soll, die ausländisch aussehende Menschen am Sonntag über eine befahrene Strasse jagen:
#c2608 #Sachsen
— Antifa Zeckenbiss (@AZeckenbiss) 26. August 2018
Menschenjagd in #Chemnitz Nazi-Hools sind heute zu allem fähig.#FckNZS pic.twitter.com/dP9EK4T84p
Wir schliessen uns diesem Tweet an:
#hasestatthass pic.twitter.com/GLomsyKhHI
— feldtheorie (@feldtheorie1) 26. August 2018
(sda/apa/dpa/mlu)