«Homosexuelle ins Gefängnis? Das sollten wir in Deutschland auch machen!» (Andreas Gehlmann, AfD)
«Wir sollten eine SA gründen und aufräumen!» (Andreas Geithe, AfD)
«Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression.» (Sandro Hersel, AfD)
Mit Zitaten wie diesen fällt die AfD regelmässig auf. «In der Politikwissenschaft ist es heute wenig umstritten, dass es sich bei der AfD um eine rechtsextreme Partei handelt», sagt Eric Linhart im Gespräch mit watson. Er ist Professor für Politikwissenschaft an der TU Chemnitz.
Immer wieder wird im Zusammenhang mit der Partei die Forderung laut, ein Verbotsverfahren anzustreben.
Die AfD ist eine rechtsaussen Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Sie gilt dort als Verdachtsfall. Die dazugehörige Jugendorganisation Junge Alternative (JA) wurde mittlerweile in mehreren Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuft – ein Label, das die Mutterpartei bisher nur in Thüringen von offizieller Seite erhalten hat.
Gleichzeitig befindet sich die Partei, die immer wieder mit antisemitischen und menschenfeindlichen Positionen auffällt, im Höhentaumel. Die Umfragewerte der AfD schiessen in die Höhe. Bundesweit liegt die Partei aktuell in den Befragungen auf Platz zwei hinter der Union.
Sonntagsfrage von YouGov zur Bundestagswahl: CDU/CSU 29 % | AfD 23 % | SPD 16 % | GRÜNE 14 % | FDP 5 % | DIE LINKE 5 % | FREIE WÄHLER 1 % | Sonstige 8 %
— Wahlrecht.de (@Wahlrecht_de) September 8, 2023
➤ Übersicht: https://t.co/MO5RyMFkPu
➤ Verlauf: https://t.co/H4dJd3dtYs pic.twitter.com/Eyd5kptUKw
Nicht verwunderlich, dass vielen Menschen dieser Erfolg, diese Vereinnahmung der Bürgerinnen und Bürger, Angst macht. Immer wieder wird deshalb der Vorschlag laut, ein Parteiverbot zu prüfen. Aber was würde das wirklich bringen?
Ein solches Verbotsverfahren, meint Linhart, hätte enorme Auswirkungen auf die Partei. Zumindest dann, wenn das Verfahren erfolgreich wäre. Konkret würde ein Verbot bedeuten, dass alle Strukturen und Finanzierungen der Partei wegfielen. Abgeordnete und Mitarbeitende würden entlassen, Kreisverbände und Jugendorganisationen aufgelöst.
Auch für Richterinnen, Lehrer oder andere Menschen im Beamtenverhältnis, die derzeit AfD-Mitglieder sind, könnte es dann ungemütlicher werden, meint Linhart. Extremistisch eingestellte Beamten könnten dann nicht mehr argumentieren, Mitglieder einer erlaubten und demokratisch gewählten Partei zu sein. «Wobei eine Partei, die demokratisch gewählt wurde, nicht demokratisch sein muss», stellt Linhart klar.
Das Faktencheck-Portal «Volksverpetzer» hat mittlerweile eine Petition gestartet, die fordert, dass ein Parteienverbot geprüft wird. Über 200'000 Menschen haben das Anliegen bereits unterzeichnet, darunter auch zahlreiche Promis wie Bela B. von den Ärzten, Jennifer Weist von Jennifer Rostock oder auch Nora Tschirner. «Wir fordern den Bundesrat auf, die Prüfung eines Verbots der AfD beim zuständigen Bundesverfassungsgericht zu beantragen», steht in der Petition. Auch SPD-Chefin Saskia Esken hat bereits erklärt, ein Verbotsverfahren zu begrüssen.
Das Institut für Menschenrechte ist überzeugt davon, dass die AfD verboten werden könnte. In einer Studie kommt Rechtswissenschaftler Hendrik Cremer zu dem Schluss, dass die AfD das Ziel verfolgt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen – und gleichzeitig eine grosse Relevanz innerhalb der Bevölkerung spielt.
Ob ein mögliches Verbotsverfahren am Ende erfolgreich wäre, lässt sich laut Linhart nicht ablesen. Denn: Gerichte können neue Argumente für ihre Entscheidungen anbringen. Bei den Verboten der Kommunistischen Partei Deutschlands und der Sozialistischen Reichspartei sei die Relevanz innerhalb der Bevölkerung zum Beispiel noch kein Thema gewesen – bei der NPD schon.
So hält Verfassungsrechtler Volker Boehme-Nessler von der Uni Oldenburg die Forderung etwa für chancenlos. Im Gespräch mit dem MDR erklärt er, nicht damit zu rechnen, dass die Partei tatsächlich die hohen Hürden eines Parteienverbots erreichen würde – vielmehr könne ein solches Verfahren, ein Booster für die Partei sein.
Eine Sorge, die auch Linhart teilt. Natürlich würde ein Parteiverbot einen enormen Effekt haben, schliesslich dürfte sich die Partei auch nicht einfach so neu gründen – denn ein Verbot gilt auch für Nachfolgeorganisationen. Aber: Ein Verfahren dauert lang, in dieser Zeit könnte die Partei die Bestrebung nutzen, um sich zum Opfer zu stilisieren.
Zwar geht der Politikwissenschaftler davon aus, dass einige Wähler:innen von der AfD abrücken, wenn ihnen bewusster wird, wie extrem die Partei tatsächlich ist – andere könnte es aber noch weiter in ihrer Anti-Staats-Haltung bestärken. Linhart sagt: «Ob sich die Effekte am Ende neutralisieren oder ob einer der Effekte grösser ist und falls ja, welcher, kann man im Moment nur schwer abschätzen.»
Auch Politikexperte Johannes Hillje sieht ein Verbotsverfahren skeptisch. «Ein Verbot der AfD löst nicht das gesellschaftliche Problem rechtsradikaler und rechtspopulistischer Einstellungen, die weit über die Partei hinausgehen», erklärt er auf watson-Anfrage. Dass Menschen sich der AfD zuwendeten, weil die aktuelle politische Lage schwierig sei, sei ein extremes Demokratieproblem.
Hinzu käme, dass die AfD ein Scheitern des Verfahrens als weitere Legitimation ihrer eigenen Verharmlosung nutzen könnte. «Es muss darum gehen, der Normalisierung der AfD entgegenzuwirken und Menschen für demokratische Politik zu gewinnen», stellt Hillje klar. Demokraten seien nun aufgefordert, die AfD politisch zu isolieren – und nicht deren Narrative zu übernehmen.
Es sei klar, meint Linhart, dass ein Verbotsverfahren niemals ausreichen wird. Die Einstellungen sind in der Gesellschaft vorhanden, 20 Prozent der Bürger:innen geben aktuell in Umfragen an, die AfD wählen zu wollen. Was es deshalb unbedingt bräuchte: Demokratieförderung. Und zwar im Bereich der Förderung ziviler Projekte als auch bei der politischen Bildung. Nur so würden die Menschen zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern.
Mit einer ordentlichen Bildung zu Politik, Geschichte und Medien könnte vermieden werden, dass sich so viele Menschen von der AfD und ihren einfachen Lösungen fangen liessen. «Die Frage, die man auch stellen kann, lautet: Bräuchten wir überhaupt ein Verbotsverfahren, wenn alle Menschen ausreichend politisch gebildet würden und daher weniger anfällig für die vermeintlich einfachen Konzepte der AfD wären?», sagt der Politikwissenschaftler.
Allerdings würde eine bessere politische Bildung höchstens mittelfristig wirken, und zudem sehe er keine ausreichenden politischen Anstrengungen hierfür.
Die Ampel hatte währenddessen in Entwürfen für den Haushalt 2024 20 Millionen Euro weniger für die Bundeszentrale für politische Bildung eingeplant. Massive Kritik an den Plänen gab es schnell. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte mittlerweile laut «taz» an, durch Umschichtungen sei nun doch genauso viel Geld für die politische Bildung vorgesehen wie in den vergangenen Jahren.
Jap, das wird das Problem sicher lösen...
Aber auf die ganze Bundesrepublik betrachtet hat die AFD den Aufschswung als Protestpartei erzielt. 1/3 der Wähler in Böhmermännischer Manier als Rechtsextremisten abzustempeln ist genau so falsch. Mit Verboten und verklausulierungen dass die Leute doch mehr politische Aufklärung bräuchten umgeht sehr ungeschickt den Elefanten im Raum: Politikverdrossenheit, die Unzufriedenheit über die Politik. Besagte sollten die Leute wieder abholen...