International
EU

EU geht im Flüchtlingsstreit gegen Ungarn, Polen und Tschechien vor

EU geht im Flüchtlingsstreit gegen Ungarn, Polen und Tschechien vor

13.06.2017, 15:5713.06.2017, 17:42
Mehr «International»

«This ist not for Humans» – eine Nacht im Flüchtlingscamp in Idomeni

1 / 15
«This ist not for Humans» – eine Nacht im Flüchtlingscamp in Idomeni
Im griechischen Idomeni, direkt an der mazedonischen Grenze sind rund 14'000 syrische, irakische und afghanische Flüchtlinge gestrandet.
quelle: watson/rafaela roth / watson/rafaela roth
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Wegen der fehlenden Aufnahme von Flüchtlingen geht die EU-Kommission rechtlich gegen Ungarn, Polen und Tschechien vor. Die Brüsseler Behörde beschloss am Dienstag in Strassburg Vertragsverletzungsverfahren gegen die drei Länder.

Die im September 2015 vereinbarte Umverteilung von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland auf andere EU-Staaten sei keine Option. Vielmehr sei es eine rechtlich verbindliche Entscheidung, sagte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos.

Es habe «genug Verzögerungen und Diskussionen» gegeben. «Jetzt ist die Zeit zum Handeln», begründete der EU-Kommissar den Start der Vertragsverletzungsverfahren. Ein solches Verfahren dauert meist mehrere Jahre und kann mit einer Geldbusse enden.

Bisher haben Polen und Ungarn keinen einzigen Flüchtling aus dem Umverteilungsprogramm aufgenommen. Tschechien hat zwar zwölf Asylbewerber aus Griechenland einreisen lassen, hat seit einem Jahr aber keine weiteren Flüchtlinge übernommen.

Appell an Solidarität

Dem damaligen Beschluss zufolge sollen jedoch insgesamt 160'000 Menschen aus Italien und Griechenland bis September 2017 nach einem Quotensystem auf die anderen EU-Mitgliedstaaten aufgeteilt werden. Bisher wurden nur gerade 20'869 Menschen umverteilt.

Die Schweiz, die sich via Dublin-Abkommen teilweise an der EU-Flüchtlingspolitik beteiligt, übernimmt insgesamt freiwillig 1500 Asylsuchende. Bisher hat sie laut einer Statistik der EU-Kommission 649 Flüchtlinge aus Italien und 344 aus Griechenland übernommen.

Gemäss Avramopoulos kann die Umverteilung nur funktionieren, «wenn alle Mitgliedstaaten ihren fairen Anteil übernehmen». Ausnahmen könne es nicht geben. «Bei Europa geht es nicht nur darum, Gelder zu erhalten oder die Sicherheit zu garantieren», fügte er an. Es gehe auch um Solidarität und politische Verantwortung.

Damit spielt der EU-Migrationskommissar auf die Kohäsionsgelder an, welche die ärmeren EU-Staaten - und damit in erster Linie die ehemalige Ostblockstaaten - für die Entwicklung ihrer Wirtschaft erhalten.

Widerstand bleibt

Die ungarische Regierung kündigte Widerstand gegen den Beschluss der EU-Kommission an. Budapest betrachte die Eröffnung von Vertragsverletzungsverfahren in der Frage «als Erpressung und uneuropäisch», sagte der ungarische Aussenminister Peter Szijjarto am Dienstagvormittag vor dem Parlament. Seine Regierung werde «niemandem erlauben, illegal nach Ungarn einzureisen».

Auch Tschechien beharrt darauf, keine Flüchtlinge mehr auf Grundlage von EU-Quoten aufzunehmen. Das sagte Regierungschef Bohuslav Sobotka der Nachrichtenagentur CTK. «Wir sind als Regierung fest entschlossen, an der Flüchtlingsaufteilung und dem System der verpflichtenden Quoten nicht teilzunehmen», sagte er.

Ähnlich reagierte auch Polen. «Die Entscheidung der Europäischen Kommission kann uns von der Ausarbeitung des notwendigen politischen Kompromisses bei der Flüchtlingspolitik entfernen», sagte Polens Vize-Aussenminister Konrad Szymanski nach Angaben der Agentur PAP. Die Massnahmen drohten die Teilung innerhalb der EU zu vertiefen. Laut Szymanski überlege sich Warschau, gegen den Entscheid er Brüsseler Behörde zu klagen.

Die Slowakei lehnt die verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen zwar ebenfalls ab und hat wie Ungarn dagegen vor dem EU-Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg geklagt. Dank der jüngsten Aufnahme einer kleinen Zahl von Asylsuchenden ist Bratislava jedoch derzeit nicht von einem ähnlichen Verfahren bedroht.

Lobend erwähnte Avramopoulos hingegen die Regierung in Wien. Auch Österreich nahm bisher keinen Asylbewerber auf. Das Land hatte bis März dieses Jahres wegen eigener hoher Flüchtlingszahlen zunächst eine Ausnahmeregelung erwirkt. Wien hat nun aber zugesagt, Flüchtlinge aufzunehmen. (sda/apa/reu/afp/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
14 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Vaclav Sulista
13.06.2017 16:37registriert Juni 2017
1) Alle Länder liegen im Mitteleuropa, es ist an der Zeit dieses Vokabular aus dem kalten Krieg zu begraben https://de.wikipedia.org/wiki/Mitteleuropa

2) Die meisten Flüchtlinge wie z.B. 50 Christen aus dem Irak haben sich nach der Aufnahme kurzer Hand nach Deutschland abgesetzt. Damit haben sie sehr viele Leute enttäuscht, die für Ihre Aufnahme gekämpft haben. Die Sozialleistungen sind halt in DE wesentlich höher.

3) I Tschechien leben schon ca 150'000 Ukrainer und 60'000 Vietnamesen, so zur Information.
5121
Melden
Zum Kommentar
avatar
manhunt
13.06.2017 17:47registriert April 2014
"Ein Vertragsverletzungsverfahren, wie es jetzt von Brüssel eingeleitet worden ist, dauert meist mehrere Jahre und kann mit einer Geldbusse enden."
und bezahlt werden die bussen dann mit dem geld, welches diese länder jahrlich von den nettozahlern erhalten.
261
Melden
Zum Kommentar
avatar
FrancoL
13.06.2017 16:42registriert November 2015
Viel wird es nicht bringen, aber es ist richtig dass man zumindest die Thematik nicht immer unter dem Tisch kehrt.
285
Melden
Zum Kommentar
14
Keine Rettung: Aussenmauern ausgebrannter Hälfte der Börse eingestürzt

Von einer auf die andere Sekunde stürzen Mauern der ausgebrannten Hälfte der historischen Börse in Kopenhagen in sich zusammen. Dabei hatte die Feuerwehr noch kurz zuvor Hoffnung, dass die letzten Überreste der beschädigten Seite des bekannten Bauwerks in der dänischen Hauptstadt gerettet werden können. Doch am Donnerstag stürzte die Fassade um, wie ein Feuerwehrsprecher bestätigte. Sie war das letzte Überbleibsel, das den am Dienstag ausgebrochenen Brand auf der Seite überstanden hatte.

Zur Story