Die konservative Presse Italiens ist ausser sich. «Macron will den Papst auswählen», schreibt «La Verità» auf ihrer Frontseite. «Macron nistet sich im Konklave ein», doppelt «Libero» nach. Und «Il Tempo» unterstellt dem französischen Präsidenten einen «Interventionismus, der eines Sonnenkönigs würdig ist».
Der Grund für diese Diatriben sind Macrons offensichtliche Bemühungen, bei der Papstwahl ab nächster Woche einen französischen Kardinal zu portieren. Bei Franziskus' Beerdigung traf er einflussreiche Vatikan-Leute wie Staatssekretär Pietro Parolin. Dann lud er vier Kardinäle in die Villa Bonaparte, den Sitz der französischen Botschaft in Rom, ein. Gemeinsam ist ihnen: Sie sind allesamt Franzosen.
Auch die Pariser Presse geht einhellig davon aus, dass Macron nach Wegen sucht, eine Mehrheit für seinen Favoriten Jean-Marc Aveline, Erzbischof von Marseille, zusammenzubringen. Das Anliegen ist populär im katholischen Frankreich, das sich als «älteste Tochter der Kirche» fühlt, aber seit 647 Jahren keinen Papst mehr gestellt hat.
Im Wissen, dass politische Druckversuche im Vatikan schlecht ankommen, gibt der Elysée-Palast keinen Kommentar dazu ab, warum sich Macron höchstpersönlich um die Papstwahl bemüht. Sicher ist, dass er vor den französischen Kardinälen auch mit Andrea Riccardi, dem Gründer von Sant'Egidio, in Rom zu Mittag gegessen hatte. Diese Vereinigung betreibt in Afrika Armenhilfe und zudem eine Paralleldiplomatie, die sich oft mit französischen Interessen deckt.
Auch zu afrikanischen Kardinälen unterhält Sant'Egidio enge Beziehungen. Die Organisation bestreitet, zusammen mit dem französischen Präsidenten auf die Papstwahl Einfluss nehmen zu wollen, und liess etwas gar blauäugig verlauten: «Macron will bloss den Prozess verstehen.»
Mit seiner Lobbyarbeit versucht Macron zweifellos, auch eine Gegenkraft zur starken Stellung der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zu bilden. Ihr Verhältnis zu Macron ist seit ihrem Amtsantritt eisig – und das nicht nur wegen politischer Differenzen, sondern auch, weil Italien neuerdings in Ölstaaten wie Libyen und Algerien, aber auch gegenüber US-Präsident Donald Trump französische Positionen umgeht.
In den «labyrinthischen Intrigen», so die Pariser Zeitung «Le Monde», um die Papstwahl setzt Macron nicht eindimensional auf einen französischen Kandidaten. Zumal sein Favorit Aveline kein Italienisch spricht, was im Vatikan ein klarer Nachteil ist. Um das Meloni-Lager im eigenen Land zu schlagen, könnte Macron deshalb für den liberalen italienischen Kardinal Matteo Zuppi eintreten. Der Erzbischof von Bologna stand Franziskus nahe und äussert sich kritisch zu Melonis Migrationspolitik. Ein Grund mehr für Macron, den französischen Kardinälen die Wahl Zuppis nahezulegen. Wie empfänglich die Gottesmänner aber für politische Standpunkte sind, muss sich weisen. (nib/aargauerzeitung.ch)