Russische Gleitbomben haben einen Baumarkt in Charkiw in Schutt und Asche gelegt und dabei mindestens elf Menschen getötet. Damit will Wladimir Putin offenbar die Zivilbevölkerung in der Ukraine einschüchtern und zermürben. Das ist nicht nur moralisch verwerflich. Militärisch hat der russische Präsident damit wahrscheinlich ein Eigengoal geschossen. Weshalb?
Bisher haben die Amerikaner der Ukraine zwar sogenannte HIMARS geliefert. Dieses Raketen-Abschuss-System ist in der Lage, Ziele auf eine Distanz von bis zu 150 Kilometer Entfernung sehr präzise zu treffen. Neuerdings erhalten die Ukrainer auch ATACMS, Marschflugkörper, die von HIMARS lanciert werden und eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern haben. Doch die Amerikaner haben an diese Lieferungen eine strikte Weisung gebunden: Es dürfen keine Ziele auf russischem Gebiet angegriffen werden.
Der Angriff auf Charkiw könnte dies ändern. Die zweitgrösste Stadt der Ukraine – sie hatte vor dem Krieg rund 1,4 Millionen Einwohner – liegt nahe der russischen Grenze und ist daher für Putins Artillerie vom eigenen Boden aus erreichbar. Umgekehrt können die Ukrainer wegen des Verbots der Amerikaner die Stellungen der Russen nicht angreifen. Angesichts dieser Asymmetrie fordern prominente Spitzenmilitärs die Biden-Regierung auf, das Verbot gegen die Ukraine aufzuheben.
Einer davon ist Jens Stoltenberg, Generalsekretär der NATO. Gegenüber dem «Economist» erklärte er: «Der Ukraine die Möglichkeit zu untersagen, diese Waffen gegen legitime militärische Ziele auf russischem Territorium einzusetzen, macht es ihnen sehr schwer, sich zu verteidigen.»
Auch innerhalb der Biden-Regierung werden ähnliche Stimmen laut. So soll Aussenminister Antony Blinken dem Präsidenten dringend raten, das Verbot aufzuheben. Er kann dabei auf das Beispiel der Briten verweisen, deren Aussenminister David Cameron schon vor Wochen ausdrücklich betont hat, dass die vom Vereinigten Königreich gelieferten Marschflugkörper auch gegen Ziele in Russland eingesetzt werden dürfen.
Geliefert werden die Waffen bereits. Im April hat Washington heimlich ATACMS-Marschflugkörper in die Ukraine verschifft. Sie sind auch schon mit Erfolg gegen hochmoderne russische Radaranlagen auf der Krim eingesetzt worden. Am vergangenen Freitag haben die USA auch ein neues 275-Millionen-Dollar-Hilfspaket für Kiew bekannt gegeben. Darin enthalten ist auch neue Munition für das HIMARS-System.
Wolodymyr Selenskyj drängt vehement darauf, diese auch einsetzen zu dürfen. Gegenüber der «New York Times» betonte der Präsident der Ukraine: «Der Artillerie-Angriff auf Charkiw, der Tod der Menschen, auch Kinder – all dies ist ein Vorteil für die Russen.» Deshalb fordert Selenskyj den Westen zudem auf, mehr F-16-Kampfjets als geplant zu liefern. Die Ausbildung der Piloten steht vor dem Abschluss. Mit den F-16s könnten die Ukrainer die russischen Jets angreifen, welche die tödlichen Gleitbomben abwerfen.
Unterstützung erhält Selenskyj von Emmanuel Macron. Der französische Präsident hat die Angriffe auf Charkiw als «nicht akzeptierbar» bezeichnet. Überhaupt hat sich Macron vom Saulus zu Paulus gewandelt. Einst als Putin-Versteher verschrien, schliesst er nun gar den Einsatz von NATO-Bodentruppen in der Ukraine nicht mehr aus.
Derzeit weilt Macron in Deutschland, wo er versucht, den zögernden Olaf Scholz mit an Bord zu holen. Seine Chancen stehen gut. Der deutsche Bundeskanzler hat soeben in einem Gastkommentar im «Economist» betont, dass der «brutale Imperialismus von Wladimir Putin» keinen Erfolg haben dürfe.
Nach wie vor will Scholz zwar keine Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine liefern. Doch er macht klar, dass der russische Präsident im Sinne hat, seine Nachbarn in ein neues «Bloodland» – der Begriff wurde vom Historiker Timothy Snyder geprägt – zu verwandeln, und dass Europa alles daran setzen müsse, ihn zu stoppen.
Für einmal kann er dabei auf die Unterstützung von Oppositionsführer Friedrich Merz zählen. Dieser stellt ebenfalls im «Economist» fest, Europa müsse seine Werte um jeden Preis verteidigen. «Deshalb heisse ich die starke Verbindung zur Ukraine gut, die Präsident Macron gezogen hat, und damit die Möglichkeit, die demokratischen Werte zu verteidigen und Geld aus EU-Fonds zu erhalten», so Merz.
Geld könnte die Ukraine bald auch aus anderer Quelle erhalten. Die Finanzminister der G7 – dem Club der reichen Länder – unterstützen die Absicht, der Ukraine einen Kredit in der Höhe von 50 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen. Finanziert werden soll dieser Kredit mit Gewinnen, die dank der in Brüssel eingefrorenen russischen Vermögen erzielt werden. Der Vorschlag stammt von den Amerikanern und soll am kommenden Treffen der Finanzminister im italienischen Ferienort Stresa diskutiert werden.
US-Finanzministerin Janet Yellen erklärte im Vorfeld dieses Treffens: «Ich will nicht vorzeitig einen Sieg verkünden, aber generell sieht es gut aus.»
Die letzte Stufe wäre Einmarsch der NATO Truppen in der Ukraine mit all ihren modernen Waffen. Mit Vorlaufzeit für den Zaren.
Alles schlechte Nachrichten für die SVP, die stramm hinter Russland stehen (aus opportunistischen Gründen bröckelt die Front).
Team USA 🇺🇸
Und lasst die Ukraine endlich zurück schiessen!