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Wahlen in Georgien: Proteste der Opposition – Zurückhaltung des Westens

In this photo released by Administration of the President of Georgia, Georgian President Salome Zourabichvili speaks during her interview with the Associated Press after the parliamentary election in  ...
Die georgische Präsidentin, Salome Surabischwili, hat zu Protesten aufgerufen, 28. Oktober 2024.Bild: keystone

Orban bei Ankunft in Georgien ausgebuht – Proteste gegen mutmassliche Wahlfälschung

28.10.2024, 17:2728.10.2024, 22:33
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Zehntausende Anhänger der proeuropäischen Opposition haben nach der umstrittenen Parlamentswahl in der georgischen Hauptstadt Tiflis gegen den Sieg der Regierungspartei Georgischer Traum protestiert. Vor dem Parlament schwenkten viele Menschen die europäische und die georgische Fahne. Die prowestliche Präsidentin Salome Surabischwili sagte bei der Kundgebung: «Eure Stimme wurde gestohlen, und sie haben versucht, Eure Zukunft zu stehlen». Sie unterstützte die Forderung nach einer Wahlwiederholung unter internationaler Aufsicht.

Die Opposition und Surabischwili sprechen von Wahlfälschung in der kleinen Südkaukasusrepublik, georgische und internationale Wahlbeobachter sprachen überwiegend von Verstössen und Unregelmässigkeiten. Auch erste westliche Reaktionen gehen nicht so weit, die Abstimmung insgesamt infrage zu stellen.

So rief US-Aussenminister Antony Blinken die Politiker in Georgien lediglich auf, «Mängel am Wahlprozess» zu beseitigen. Sie sollten Rechtsstaatlichkeit akzeptieren und Gesetze zurücknehmen, die grundlegende Freiheiten einschränkten, schrieb Blinken auf der Plattform X.

Die Opposition werde auf eine Wiederholung der Wahl abzielen, sagte Surabischwili in einer Reihe von Interviews mit internationalen Medien. Dafür sei die Unterstützung des westlichen Auslands notwendig, forderte sie.

Surabischwili vermutet hinter den Manipulationen russische Einflussnahme: «Wir sind Zeugen und Opfer einer russischen Spezialoperation geworden», sagte sie. Der Generalsekretär von Georgischer Traum, Kacha Kaladse, nannte Surabischwilis Unterstellungen schändlich. In der Ex-Sowjetrepublik, die EU-Beitrittskandidat ist, steht mit dieser Wahl auch die weitere Annäherung an die EU auf dem Spiel.

Ungeachtet vieler Belege für Unregelmässigkeiten hat die Wahlleitung die russlandfreundliche Partei Georgischer Traum zur Siegerin mit knapp 54 Prozent der Stimmen erklärt. Starker Mann der Partei ist der Milliardär Bidsina Iwanischwili, der sein Vermögen in Russland gemacht hat. Den vier grössten proeuropäischen Oppositionsbündnisse wurden nur jeweils elf Prozent und weniger zugeschrieben.

Orban in Tiflis ausgebuht

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ist in der georgischen Hauptstadt Tiflis eingetroffen. Aufnahmen zeigen, wie er bei seiner Ankunft ausgebuht wird.

Georgische Präsidentin sieht russische Handschrift bei Wahl

Die prowestliche georgische Präsidentin Salome Surabischwili deutet die vielen Unregelmässigkeiten bei der Parlamentswahl eindeutig als russisches Eingreifen.

Es sei insofern eine «russische Spezialoperation», als der Betrug sehr gut und weit im Voraus geplant, sehr ausgeklügelt und allumfassend gewesen sei, sagte Surabischwili der Deutschen Presse-Agentur in Tiflis.

«So etwas haben wir in diesem Land noch nicht erlebt.»

Es sei eine gut durchdachte Operation gewesen, nicht nur einfache Wahlfälschung. «Es war für jeden Ort, jede Region angepasst. Was macht man in ländlichen Gegenden? Was macht man in den Städten? Wie begrenzt man den Einfluss der Diaspora?», sagte sie. Der Kreml hat eine Einmischung Russlands in die Wahl im Nachbarland zurückgewiesen.

Surabischwili bezeichnete ihr Präsidentenamt als einzige noch von der Regierungspartei Georgischer Traum unabhängige Institution in dem Land im Südkaukasus. Es sei nicht an ihr, Neuwahlen zu fordern. Aber sie vermute, dass die Opposition dies tun werde. Es liege an der georgischen Bevölkerung, zu sagen, ob sie sich ihrer Stimme und ihrer Zukunft beraubt fühlt. Den Rest müssten die Parteien planen.

Russland dementiert Einmischung in Georgien

Der Kreml dementierte eine Einmischung Russlands in die Wahl. Im Gegenteil hätten die europäischen Staaten Druck auf das Land an der russischen Südgrenze ausgeübt, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. «Viele Kräfte aus europäischen Staaten und europäischen Institutionen haben versucht, Einfluss auf das Ergebnis der Abstimmung zu nehmen», sagte er russischen Nachrichtenagenturen zufolge.

EU fordert Aufklärung von Unregelmässigkeiten

Georgische und internationale Beobachter hatten bei dem Urnengang am Samstag zahlreiche Unregelmässigkeiten verzeichnet. Genannt wurden Stimmenkauf und Druck auf Wähler und Wählerinnen, gehäuftes Einwerfen von Stimmzetteln in die Wahlurnen und der Missbrauch staatlicher Einflussmöglichkeiten zugunsten der Regierung. Andererseits hiess es, bei 18 Parteien auf dem Stimmzettel habe es eine breite Auswahl gegeben.

Wie Blinken forderte auch EU-Ratspräsident Charles Michel von der georgischen Führung eine Aufklärung der Unregelmässigkeiten. Georgien brauche nun einen konstruktiven Dialog quer durch das politische Spektrum, schrieb er auf X. Er werde die künftigen Beziehungen zu Georgien auch auf die Tagesordnung des nächsten Europäischen Rates im November in Budapest setzen. «Wir wiederholen den Aufruf der EU an die Führung Georgiens, ihr Festhalten am EU-Kurs des Landes zu demonstrieren.»

Ähnlich äusserten sich der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell und die EU-Kommission in einer Mitteilung. Brüssel hat den Gesprächsprozess mit Georgien auf Eis gelegt wegen mehrerer repressiver Gesetze, die der Georgische Traum durchgesetzt hat.

Regierungschef bekräftigt EU-Kurs

Ministerpräsident Irakli Kobachidse versuchte Befürchtungen zu entkräften, es gebe eine Abkehr vom EU-Kurs. Georgien wolle sich bis 2030 voll in die Europäische Union integrieren, sagte er bei einer Regierungssitzung. Er rechne für das kommende Jahr mit einem Neubeginn im derzeit schwierigen Verhältnis zur EU.

Wie Präsidentin Surabischwili erkennt die proeuropäische Opposition das Wahlergebnis nicht an. Mehrere Oppositionsbündnisse wollen ihre Mandate nicht annehmen. Allerdings geht die Regierungspartei davon aus, dass das Parlament trotzdem legitim arbeiten kann. Kobachidse sagte, die Oppositionsabgeordneten würden ohnehin nicht gebraucht. Georgischer Traum hatte vor der Wahl angedroht, gegnerische Parteien zu verbieten. (sda/dpa)

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