Ein alter Freund oder eine alte Freundin lädt dich zum Geburtstag ein. Ihr kennt euch schon Jahre, Jahrzehnte vielleicht. Du weisst aber, dass er oder sie inzwischen irgendwie mit komischen Leuten abhängt und ihr euch – wie man so schön sagt – in verschiedene Richtungen entwickelt habt. Hingehen oder wegbleiben?
Der deutsche Fernsehmoderator Reinhold Beckmann hat sich für Hingehen entschieden. Die Party war der 65. Geburtstag seines alten Kumpels Matthias Matussek, ein ehemaliger Spiegel und Welt-Redakteur, früher bekennender Marxist und 68er.
Die verschiedenen Richtungen, in die sich die beiden entwickelt haben, sind die: Beckmann (früher bekannt aus «ran») ist inzwischen Moderator im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Matussek gilt inzwischen als Vertreter der sogenannten «neuen Rechten» in Deutschland. Nach den Pariser Terroranschlägen vom 13. November postete er zum Beispiel auf Facebook: „Ich schätze mal, der Terror von Paris wird auch unsere Debatten über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter junger islamischer Männer im Lande in eine ganz neue frische Richtung bewegen.“ Im März 2018 warnte er bei einer „Merkel muss weg“-Kundgebung vor der vermeintlichen „Islamisierung“ und einer „Flut muslimischer Bodybuilder“.
Dementsprechend hatte Matussek neben alten Bekannten auch neue Bekannte zu seinem Geburtstag eingeladen. Fotos auf Facebook zeigen zum Beispiel den Identitären Mario Müller (Müller wurde 2012 zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, weil er einen Antifaschisten mit einem selbstgebastelten Totschläger schwer verletzt hatte), die AfD-Sympathisantin Erika Steinbach und den rechten Journalisten Dieter Stein, Chefredakteur der «Jungen Freiheit».
Als Geschenk präsentierte Beckmann ein Ständchen: «meine Version des Bob Dylan-Klassikers ‹Things have changed›», erklärt er später auf Facebook. Matussek und die Identitäre Mario Müller gucken zwar mit verschränkten Armen zu, auf Facebook betitelt Matussek den Vortrag aber später als «glänzendes Ständchen».
Das «glänzende Ständchen» ist es auch, das nach der Party in den sozialen Medien für einige Aufregung sorgt. Matussek hat nämlich ein Video davon auf Facebook veröffentlicht. Mal abgesehen davon, dass man über die Qualität des deutschen Bob-Dylan-Covers streiten kann, fragen viele: Was zur Hölle macht Beckmann auf dieser Party?
Ich finde die Musik von Reinhold Beckmann, ist für Nazis die gerechte Strafe.
— Grandma Flash (@BierhalsensMax) 10. März 2019
Reinhold Beckmann spielt Gitarre für einen Nazi, Jan Fleischhauer hält eine Rede, Erika Steinbach, Ulrich Greiner und Bettina Röhl sind auch da. Alles nur ein Albtraum nach dem Genuss von einem Liter Lack? Nein: Party bei Matthias Matussek! https://t.co/KDL2lyfQp5
— Mario Sixtus 馬六 🇪🇺🇭🇰 (@sixtus) 10. März 2019
Reinhold Beckmann wird die Böhse Onkelz Tour 2019 als Voract supporten aber nicht politisch gemeint
— Kurt Prödel (@KurtProedel) 10. März 2019
Beckmann schreibt in seiner Reaktion auf die Kritik auf Facebook: Er sei sich um Matusseks Sinneswandel bewusst gewesen, nicht aber darum, in welcher Gesellschaft er da tatsächlich landen würde. Er schreibt: «Ich muss zugeben, ich habe mich da verlaufen, ich hätte dort nicht hingehen sollen.» Das Ständchen sollte ein «vergiftetes Geschenk» sein. Matussek sollte «was zu kauen haben. Schluckbeschwerden bekommen. Ich wollte so meine Widerworte gegen seinen Irrweg setzen.»
Beckmann war übrigens nicht der einzige, bei dem man vielleicht Zweifel äussern konnte, ob sein Erscheinen auf der Feier berufsethisch gesehen vertretbar ist. Auch «alte buddies» vom Spiegel (die Redakteure Martin Müller und Reporter Alexander Smoltczyk sowie der Kolumnist Jan Fleischhauer) sind auf den Fotos zu sehen. Laut Bild-Zeitung waren auch Franz-Josef Wagner von der Bild, Ulrich Greiner von Zeit Online, Stephan Sattler vom Focus und Jochen Siemens vom Stern da.
Moderator Jan Böhmermann forderte vom Spiegel eine Stellungnahme zur Teilnahme der Redakteure an Matusseks Geburtstagsfeier.
Fragen an @DerSPIEGEL:
— Jan Böhmermann 🤨🇪🇺 (@janboehm) 10. März 2019
1. Hatte die Chefredaktion von DER SPIEGEL vorab Kenntnis von dieser Zusammenkunft und/oder davon, dass mehrere Mitglieder der Redaktion an dieser Feier teilnehmen?
2. Wie bewertet die Chefredaktion des SPIEGEL die Teilnahme seiner Redakteure an der
Das Magazin nahm am Montag gegenüber dem deutschen Medienmagazin DWDL.de Stellung: «Die Einladung zur Geburtstagsfeier von Matthias Matussek an einzelne Kollegen war ausschließlich privater Natur und der Chefredaktion des ‹Spiegel› deshalb nicht bekannt. Ebenso wenig hatte sie Kenntnis von der Teilnahme an der Veranstaltung. Selbstverständlich distanzieren sich der ‹Spiegel› und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von rechtsextremen Gesinnungen.»
(tam)