Die Bilanz ist brutal: In dieser Silvesternacht starben in Deutschland nach Behördenangaben insgesamt fünf Männer bei Unfällen mit Feuerwerkskörpern. Hinzu kommen Dutzende Schwerverletzte. In vielen Fällen waren offenbar selbst gebaute oder illegal importierte Sprengkörper wie etwa die gefährlichen Kugelbomben im Spiel. Vielerorts wurden auch Einsatzkräfte mit Pyrotechnik angegriffen.
Das gab der politischen Debatte über ein Böllerverbot neuen Auftrieb. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) formulierte es am Mittwoch laut t-online so: «Bundesweit fünf Tote, viele Schwerverletzte, Städte voller Müll und nicht zu vergessen der Horror, den die Tiere in dieser Nacht erleiden: Das alles zeigt den Wahnsinn der sinnlosen und gefährlichen Böllerei.» Dies habe mit Tradition nichts mehr zu tun – «es gehört abgeschafft».
Allein in Berlin wurden nach Angaben von Polizei und Spital 17 Menschen durch sogenannte Kugelbomben verletzt, die laut Gesetz nur von Profis verwendet werden dürften. Fünf Opfer, darunter kleine Kinder, erlitten schwere Verletzungen an Händen, Gesicht und Augen, andere mussten wegen Verbrennungen und Hörschäden behandelt werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk Beriln-Brandenburg RBB berichtete.
Die Kugel- oder Ballbomben gibt es in verschiedenen Größen und sind in Deutschland professionellen Feuerwerken vorbehalten. Vor der Silvesternacht waren sie jedoch auf Social-Media-Kanälen illegal im Angebot zu sehen.
Bei den meisten Todesopfern handelte es sich um junge Männer, die bei separaten Unfällen starben, als sie versuchten, Pyrotechnik zu zünden, in einigen Fällen mit illegalen Feuerwerksbomben, die sie für einen spektakuläreren Effekt selbst gebastelt hatten. Die umstrittenen «Kugelbomben» wurden hauptsächlich aus Polen oder der Tschechischen Republik eingeführt und mit Komponenten wie Sprühdosen und Kunststoffrohren kombiniert, um einen grösseren Knall und eine höhere Flugbahn zu erzielen, so die Behörden laut der britischen Tageszeitung Guardian.
Der Schaden, den die Böller dann anrichten, sprengt oft jede Vorstellungskraft: So hat ein kugelförmiger Sprengsatz, der in Berlins zentralem Stadtteil Schöneberg gezündet wurde, mehrere Gebäude schwer beschädigt, 36 Wohnungen unbewohnbar gemacht und zwei Menschen ins Krankenhaus gebracht. Ein Sprecher der Feuerwehr verglich das Bild der Zerstörung laut dem Guardian mit einem «Schlachtfeld».
Der Berliner Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh, forderte ein hartes Durchgreifen gegen verbotene Pyrotechnik-Importe und ein generelles Verbot von privatem Feuerwerk. «Mit Raketen, Böllern und Verbundfeuerwerk werden Anschläge verübt und die Zahl der Kugelbomben steigt», sagte er in einer Erklärung. «Feuerwerkskörper gehören in die Hände von Profis.»
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion in Berlin, Burkard Dregger, forderte härtere Massnahmen, um die Verbreitung von Kugelbomben in deutschen Städten während der Dezemberferien zu verhindern. «Die Einfuhr von verbotenen Feuerwerkskörpern – Kugelbomben – aus den östlichen Nachbarländern muss durch noch schärfere Grenzkontrollen gestoppt werden», sagte er dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk RBB und forderte Gespräche mit den Regierungen Polens und Tschechiens, um einen regionalen Konsens zu erreichen.
Die oppositionellen Grünen forderten ein totales Verbot des privaten Verkaufs von Feuerwerkskörpern. «Die Frage ist, warum wir als Gesellschaft bereit sind, eine Nacht mit Feuerwerkskörpern mit unermesslichen Kollateralschäden für Menschen, Tiere und die Umwelt zu verbringen», sagte der innenpolitische Sprecher der Partei, Vasili Franco.
Der Geschäftsführer des Verbands der pyrotechnischen Industrie (VPI), Klaus Gotzen, hat vor einem generellen Feuerwerksverbot in Deutschland gewarnt. «Ein Verbot des legalen Feuerwerksverkaufs in Deutschland wäre kontraproduktiv», sagte er t-online. «Wie wir immer wieder sehen, stammen schwere Verletzungen entweder von illegal erworbenem Feuerwerk aus den Nachbarländern oder illegalen Eigenbauten. Bei einem Feuerwerksverbot würde der Schwarzmarkt nur noch grösser werden, die Kontrolle wäre dann noch viel schwerer.»
«Das Klientel, das jetzt bereits illegal Feuerwerk kauft, wird sich nicht von einem Feuerwerksverbot beeindrucken lassen», sagt Gotzen weiter. Diese Personengruppen werden auch künftig illegales Feuerwerk zünden.»
Das Feuerwerk, das in Deutschland zugelassen ist und hier legal erworben werden kann, hält Gotzen für «sehr sicher». «Legale Feuerwerkskörper sind erprobt, werden etlichen Tests unterzogen. Bei unsachgemässer Handhabe zum Beispiel eines Knallkörpers kann man sich womöglich daran verbrennen. Aber mehr auch nicht. Überspitzt gesagt: Durch legale Knallkörper kann kein Finger abgesprengt werden. Ansonsten wäre es in Deutschland nicht zugelassen.»
Auch der Verband für Pyrotechnik, in dem vorwiegend feuerwerksinteressierte Menschen Mitglied sind, teilt diese Ansicht. «Diese brandgefährlichen Basteleien haben nichts mit legalem und geprüftem Silvesterfeuerwerk aus Fachhandel oder Discounter zu tun», erklärte Ingo Schubert, Vorstandsmitglied des Bundesverbands Pyrotechnik.
«Wer nun Einschränkungen von legalem und sicherem Kleinfeuerwerk fordert, wirft politische Nebelkerzen», sagte Schubert. Schwere Verletzungen seien bei zertifizierten Böllern und Raketen «selbst bei unsachgemässer Verwendung praktisch ausgeschlossen». Schuld für Verletzungen und gar Todesfälle durch illegal in Verkehr gebrachte Pyrotechnik trage die Politik, weil sie nicht entschieden genug gegen den illegalen Handel vorgehe, so Schubert weiter.
Klaus Gotzen vom VPI fordert statt der Debatte über ein Böllerverbot eine stärkere Zusammenarbeit aller Beteiligten: «Wir sehen auch, dass die Zahl der Beschlagnahmungen von illegalem Feuerwerk in den vergangenen Jahren anzog. Doch wahrscheinlich muss hier noch mehr unternommen werden, um dem illegalen Handel Herr zu werden: Mehr Kontrolle und eine bessere Absprache zwischen Zoll, Polizei und Ermittlungsbehörden können helfen. Auf Wunsch unterstützen wir gerne.»
Mit Blick auf die Umsätze zieht Gotzen aber eine «positive Bilanz». Genaue Zahlen lägen bisher nicht vor. «Ob wir einen neuen Umsatzrekord sehen wie im vergangenen Jahr, weiss ich nicht. Aber mein Gefühl ist gut», sagte er. «Die Menschen wollen den Jahreswechsel farbenfroh begrüssen. Besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zeigt sich: Sie erfreuen sich an Raketen und Feuerwerkskörpern. Dieses gute Gefühl sollte ihnen nicht genommen werden.»
(lyn)
Es spricht ja nichts gegen *ein* grosses, professionelles Feuerwerk pro Region. Aber privates Böllern gehört verboten.
(Gut, als Knallphobikerin wünschte ich mir auch kein professionelles Feuerwerk, aber als Kompromiss fände ich das eine verschmerzbare Lösung)