International
Grossbritannien

Fertig «Londongrad»: Diese Oligarchen nimmt London nun ins Visier

Fertig «Londongrad»: Diese Oligarchen nimmt London nun ins Visier

Russische Oligarchen dürfen in Grossbritannien den Preis für Putins Krieg bezahlen: London friert das Vermögen weiterer Milliardäre ein – darunter das des ehemaligen Chelsea-Besitzers Abramowitsch. Putins Unterstützung bröckelt.
11.03.2022, 20:4211.03.2022, 20:42
Nele Behrens / t-online
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online

Er hatte es kommen sehen: In den vergangenen Tagen hatte der russische Milliardär Roman Abramowitsch versucht, seine Beteiligungen in Grossbritannien schnell abzustossen, bevor die britische Regierung ihm jeden Spielraum nimmt.

Übereilt soll er laut Medienberichten versucht haben, einige seiner Luxusanwesen in London zu verkaufen. Ebenso hastig stellte er zudem seinen Fussballverein, den 1. FC Chelsea, zum Verkauf und gab an, die Erlöse für die Opfer in der Ukraine spenden zu wollen.

FILE - Chelsea soccer club owner Roman Abramovich sits in his box before their English Premier League soccer match against Sunderland at Stamford Bridge stadium in London, Dec. 19, 2015.Unpreceded res ...
Nicht begeistert: Roman Abramowitsch.Bild: keystone

Es wirkt, wie der Versuch eines Reinwaschens – die Hoffnung, Distanz zu dem Mann zu gewinnen, der ihm einst zum Reichtum verholfen hat: Russlands Präsident Wladimir Putin.

>> Alle aktuellen Entwicklungen im Liveticker

Diese Oligarchen stehen ebenfalls auf der Liste

Umsonst: Am Donnerstag fiel auch Abramowitsch in den Fokus der britischen Sanktionen, gemeinsam mit sechs anderen Günstlingen Putins. Neben dem bekannten russischen Oligarchen trafen die Sanktionen auch Igor Sechin, Oleg Deripaska, Andrey Kostin, Alexei Miller, Nikolai Tokarew and Dmitri Lebedew.

Igor Sechin

epa09385498 Russian President Vladimir Putin (R) and Russian 'Rosneft' Board Chairman Igor Sechin (L) visit the Konevsky Monastery on Konevets Island on Ladoga Lake in Leningrad region, 31 J ...
Igor Sechin (l.) 2021 mit Wladimir Putin. Bild: keystone

Mit Igor Sechin trifft es einen der engsten Vertrauten Putins. Der Präsident des staatseigenen Ölkonzerns Rosneft gilt als zweiteinflussreichster Mann Russland, seit den 1990er-Jahren soll er Putin bereits unterstützen. Das britische Aussenministerium bezeichnet Sechin als rechte Hand Putins.

Das beweist auch seine Position: Als Rosneft-Präsident sitzt Sechin direkt an der Quelle einer der wichtigsten russischen Druckmittel – dem Öl. Die EU hatte Sechin daher bereits vergangene Woche auf die Sanktionsliste gesetzt.

Oleg Deripaska

epa09532711 (FILE) - Oleg Deripaska, Russian aluminum giant RUSAL President, attends Russian Union of Industrialists and Entrepreneurs (RSPP) congress which is held within the Week of Russian Business ...
Oleg Deripaska im Jahr 2015.Bild: keystone

Oleg Deripaska ist ein vermögender Unternehmer aus Russland, der unter anderem auch Geschäftspartner von Abramowitsch gewesen sein soll, berichtet der britische «Guardian». Der Oligarch ist Gründer und Eigentümer von Basic Element, einer der grössten russischen Industriegruppen, und gründete auch andere Unternehmen.

Deripaska auch im Fokus der US-Behörden

Bis vor wenigen Jahren war er noch Teilhaber und Mitbegründer des Rusal-Konzerns – dem zweitgrössten Aluminiumherstellers der Welt. Sein Anteil an dem Rohstoffunternehmen En+ Group liegt bei 45 Prozent und wird auf einen Wert von 1.6 Milliarden Pfund geschätzt. 

Deripaska ist Sanktionen gewohnt. 2018 setzte ihn die USA bereits auf eine Sanktionsliste, Ende 2021 durchsuchte das FBI mehrere Anwesen von ihm in New York und Washington. 

Deripaska scheint sich gegen neue Sanktionen zu wappnen und einige seiner Vermögensgüter ausser Reichweite zu bringen. Laut jüngsten Berichten des ORF soll er etwa ein Luxushotel in Österreich an seinen Cousin verkauft haben. In Europa steht er bisher noch nicht auf der Sanktionsliste.

Der «innere Zirkel»

Die Oligarchen Kostin, Miller, Tokarew und Lebedew gelten als Teil des «inneren Zirkels» des Präsidenten.

Andrey Kostin

epa09612556 Russian President Vladimir Putin (R) and VTB bank President Andrey Kostin (L) attend a session of the annual VTB Capital 'Russia Calling' Investment Forum via a video conference  ...
Andrey Kostin (l.) im November 2021 mit Wladimir Putin. Bild: keystone

Andrey Kostin ist der Vorstandsvorsitzende der zweitgrössten Bank Russlands, der VTB. Nachdem seine Bank bereits von den Sanktionen mehrerer westlicher Länder stark eingeschränkt wird, trifft es nun auch das Privatvermögen des Bänkers.

Alexei Miller

epa09723113 Russian President Vladimir Putin (L) and Chairman of Gazprom Management Committee Alexei Miller (R), who was awarded the Hero of Labor of the Russian Federation title, pose for a photograp ...
Stehen Seite an Seite: Alexei Miller im Februar 2022 mit Wladimir Putin.Bild: keystone

Alexei Miller ist Vorstandsvorsitzender des staatlichen kontrollierten Konzerns Gazprom, eines weiteren wichtigen Druckmittels Russland. Das Unternehmen war in Deutschland nicht nur wegen des Erdgases bekannt, das es nach Deutschland liefert. Lange Zeit war Millers Konzern auch Sponsor des Bundesligaclubs Schalke 04 , der nun Distanz zum einstigen Geldgeber sucht.

Nikolay Tokarew

Russia Putin Awarding Ceremony 6752967 02.02.2022 Russian President Vladimir Putin and Transneft President Nikolai Tokarev, who has been awarded the Hero of Labor of the Russian Federation title, pose ...
Noch schnell einen Orden abholen: Am 2. Februar 2022 wird Nikolay Tokarew von Wladimir Putin als «Held der Arbeit» ausgezeichnet.Bild: imago-images/Aleksey Nikolskyi

Nikolay Tokarew ist ebenfalls eine wichtige Person aus dem russischen Energiesektor. Er ist Vorstandsvorsitzender bei Transneft. Das staatliche Unternehmen mit Sitz in Moskau betreibt die Erdöl-Pipeline Russlands. Tokarew hat damit ebenfalls eine wichtige Funktion in der russischen Wirtschaft und sichert damit eine Teil von Putins Macht.

Dmitri Lebedew

An wenigsten bekannt ist von der Rolle des Dmitri Lebedew bekannt. Der Bänker ist Vorstandsvorsitzender der Bank Rossiya – einem Geldhaus, das ebenfalls eher unbekannt ist.

Das könnte an dem elitären Kreis der Kundschaft liegen, der hier sein Geld verwahrt. Laut Berichten des «Guardian» bringt vor allem die wirtschaftliche und politische Elite ihr Geld in diese Bank. 

Viel Kritik an britischer Regierung 

Grossbritannien hatte bereits in der vergangenen Woche harte Massnahmen gegen Oligarchen angekündigt. Die Regierung unter Premier Boris Johnson stand vor allem im eigenen Land in der Kritik, die Sanktionen gegen die Oligarchen zu spät auszusprechen.

Viele Politiker in der Opposition befürchten, dass die russischen Superreichen die Zeit nutzen könnten, um ihr Vermögen aus Grossbritannien abzuziehen. Das würde die Schlagkraft der Sanktionen stark vermindern. 

Dennoch benötigt ein Sanktionsverfahren Zeit: Denn die Regierung muss die finanziellen Mittel des Oligarchen mit Putin in Verbindung bringen. 2018 scheiterte etwa ein erster Sanktionsversuch gegen Roman Abramowitsch aus diesem Grund.

Abramowitsch – mehr als nur der Fussballgönner

Nun kommt die britische Regierung in ihrem Sanktionsschreiben zu dem Schluss, dass Abramowitsch eine Vorzugsbehandlung und Zugeständnisse erhalten habe über die Jahre, zudem habe eine Stahlfirma, Evraz PLC, an der Abramowitsch einen Grossteil der Anteile hält, das russische Militär beliefert.

Damit destabilisiere auch der Oligarch die Ukraine und «untergräbt und bedroht ihre territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit». 

Der Oligarch, der vor allem durch sein Fussballinteresse in der Öffentlichkeit steht, gilt als ein früher Begleiter Putins. Im Dezember 2000 wurde Abramowitsch zum Gouverneur des Autonomen Kreises der Tschuktschen gewählt und im Oktober 2005 im Amt bestätigt.

Erst nach acht Jahren entliess ihn der russische Präsident Dmitri Medwedew nach mehrfachen Gesuchen aus dem Amt in der entlegenen Provinz. Insgesamt befinden sich nun mehr als 200 russische Individuen auf der Sanktionsliste der Briten, die bis ins Jahr 2020 zurückgeht. 

Zuspruch ins Wanken bringen

Das Ziel ist es, über die Vermögen der Oligarchen den Zuspruch für Putin ins Wanken zu bringen und so Putins Macht zu destabilisieren. Dieser hat sich über Jahre ein System aufgebaut, in dem er Vertraute in wichtige Machtpositionen gebracht hat, die in einer gewissen Abhängigkeit von ihm stehen, erklärt etwa der russische Schriftsteller und Regierungskritiker Vladimir Sorokin.

Er glaubt, dass die Sanktionen Wirkung zeigen könnten. Im Interview mit dem «Spiegel» erklärt der Autor, dass die Oligarchen mit Putins Politik und Hass gegen den Westen nicht zufrieden sei – denn dieser verdirbt ihnen das Geschäft.

Tatsächlich sprechen einige Oligarchen mittlerweile sehr frei – und kritisch – über Putin. So nannte etwa der mittlerweile sanktionierte Oleg Deripaska den Krieg Russlands gegen die Ukraine «Wahnsinn» und warnte vor einer schlimmen Wirtschaftskrise.

Teils harsche Kritik an Putin

«Mit solchen Herausforderungen sind wir noch nicht konfrontiert worden. Der Eiserne Vorhang ist bereits gefallen», so Deripaska. Das Ausmass der Sanktionen werde sich erst in drei Wochen zeigen.

Dann sei klar was mit den russischen Banken endgültig geschehe und «wer von unseren Partnern übrig bleiben wird», sagte der Oligarch auf dem Krasnojarsker Wirtschaftsforum vergangene Woche. Er prognostizierte, dass es nur wenige sein würden.

«Krieg ist niemals die Antwort (...) den aktuellen Konflikt sehe ich als eine Tragödie für beide Seite», soll der Geschäftsmann Michail Fridman geschrieben haben, der seit vergangener Woche auf der EU-Sanktionsliste steht.

Ablehnung des Westens

Gleichzeitig droht Putin seinen Kritikern mit immer drakonischeren Strafen im eigenen Land und schneidet die Bande zum Westen noch entschlossener durch.

Das machte etwa der russische Aussenminister Sergej Lawrow deutlich. Sein Land werde keine Illusionen über den Westen haben, sagt er am Donnerstag. Russland werde versuchen, nie wieder vom Westen abhängig zu sein.

Ob die reichen Oligarchen bereit sind, die lukrativen Geschäfte und ihre Vermögenswerte ebenfalls so leicht aufzugeben wie Putin, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Dieser Junge zeigt das Elend des Kriegs – weinend torkelt er über die Grenze
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
35 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Amadeus
11.03.2022 22:04registriert September 2015
Lawrow motzt über den Westen während seine Stieftochter gemütlich in London wohnt und studiert. Kann also nicht so schlimm sein, der böse böse Westen
922
Melden
Zum Kommentar
avatar
Liebu
11.03.2022 21:15registriert Oktober 2020
Das machte etwa der russische Aussenminister Sergej Lawrow deutlich. Sein Land werde keine Illusionen über den Westen haben, sagt er am Donnerstag

Muss es auch nicht. Es reicht, wenn er sie vom Heimatland hat.
650
Melden
Zum Kommentar
avatar
Fernrohr
11.03.2022 21:09registriert Januar 2019
Mitgegangen, mitgehangen. Jahrzehntelang vom System Putin profitieren und jetzt in Wehgeschrei ausbrechen. Mein Mitleid hält sich in Grenzen.
571
Melden
Zum Kommentar
35
Nach Amoklauf kehren Grazer Schüler in ihre Klassen zurück – noch kein Regelunterricht

Knapp zwei Wochen nach dem Amoklauf eines 21-Jährigen in seiner ehemaligen Schule in Graz ist am Montag ein Teil der Jugendlichen wieder an ihre Bildungseinrichtung zurückgekehrt. Regelunterricht fand nicht statt.

Zur Story