Seit einem Monat ist die Kurdin Mahsa Amini tot. Die 22-Jährige war von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie ihren Hidschāb nicht so trug, wie es das iranische Regime vorschreibt. Amini kam in Polizeigewahrsam, Tage später starb sie.
Die Hintergründe ihres Todes sind umstritten. Die Familie der Verstorbenen macht die Polizei verantwortlich. Augenzeugen berichteten von massiver Polizeigewalt. Die Polizei streitet körperliche Gewalt ab und nannte ein Herzversagen als Todesursache. Laut einem medizinischen Gutachten der Behörde starb die Kurdin nicht durch Schläge, sondern durch einen Sauerstoffmangel im Gehirn.
Klar ist: Der Tod von Mahsa Amini bewegt – nicht nur im Iran, sondern auf der ganzen Welt. Und er bringt Veränderung.
Der Tod der jungen Kurdin löst weltweit eine Protestwelle aus. Iranerinnen gehen auf die Strasse und riskieren ihr Leben und ihre Freiheit, um für ihre Freiheitsrechte zu kämpfen. Sie verbrennen öffentlich ihre Kopftücher oder schneiden sich als Protest die Haare ab.
Doch nicht nur im Iran wird demonstriert. Die Solidarität ist weltweit gross. Weltweit finden Proteste gegen die Frauenrechtslage im Iran sowie die Auslegung der Kleidervorschriften und das Regime statt. Frauen wie auch Männer aus der ganzen Welt schneiden sich aus Solidarität die Haare ab.
Die Proteste im Iran reissen nicht ab. Die Forderungen der Protestierenden werden immer lauter – besonders jene gegen das System. In mehreren Städten im Iran weiteten sich die Proteste bereits zu Revolten aus. Die Parolen änderten von «Frau, Leben, Freiheit» zu «Tod dem Diktator» und «Nieder mit der Islamischen Republik».
So kam es beispielsweise in Zahedan, der Hauptstadt von Sistan-Belutschistan, an der Grenze zu Pakistan, am 30. September 2022 zu einem der bisher blutigsten Proteste. Die Region fühlt sich eher zum sunnitischen Islam als zum Iran vorherrschenden Schiismus angehörig. Beim Protest vor einer Polizeistation habe die Polizei laut Amnesty International in Zivil mit scharfer Munition und Tränengas auf Passanten geschossen. Mindestens 66 Menschen seien ums Leben gekommen. Hunderte seien verletzt worden.
Bei den Protesten im Iran sind in den vergangenen Wochen nach Angaben der Nachrichtenagentur SDA mindestens 201 Menschen getötet worden, darunter 23 Kinder.
Einige der Verstorbenen verschwanden auf mysteriöse Art und Weise, darunter der Fall der 16-jährige Nika Shakarami. Medienberichten zufolge sei sie während eines Protestes in Teheran von der Polizei festgenommen worden. Die Familie ist darüber nicht informiert worden, sie erstatteten deshalb Vermisstenanzeige.
Nach zehn Tagen sollen sich die Behörden gemeldet haben: Shakarami sei in der Nacht ihres Verschwindens in einem Gebäude gesehen worden und habe am nächsten Tag tot im Innenhof gelegen.
Nika Shakarami wurde zur weiteren Leitfigur der Proteste in Iran.
Iran nimmt auf den Ranglisten der Pressefreiheit ein Schlusslicht ein. Die Presse unterliege strenger staatlicher Vorschriften, bei kritischen Beiträgen drohen Strafen. Nur wenige Medien berichten ausführlich über die Proteste. Einige seien eingeschüchtert worden, andere schweigen, da sie sich vor Festnahmen fürchten.
Mindestens 40 Journalistinnen und Journalisten sind laut Angaben des Komitees für Schutz von Journalisten festgenommen oder inhaftiert worden. Im ganzen Land sässen laut Nachrichtenagentur IRNA über 1000 in Polizeigewahrsam.
Der Iran steht seit 2007 auf der Liste der sanktionierten Länder. Aufgrund der Aktivitäten Irans im Nuklearbereich sowie wegen Menschenrechtsverletzungen schloss sich die Schweiz den Zwangsmassnahmen des UNO-Sicherheitsrates an. Die Massnahmen sehen unter anderem ein Exportverbot für Güter vor, die dem Nuklearprogramm beitragen könnten.
Besonders aus dem linken Lager fordern nun immer mehr Politikerinnen und Politiker härtere Massnahmen gegenüber dem Iran. «Wenn wir nur verurteilen, aber nicht handeln – dann machen wir uns indirekt zum Komplizen des Irans», sagt beispielsweise Nationalrätin Sibel Arslan zu SRF.
Bundespräsident Ignazio Cassis nahm bereits Stellung: «Das, was wir sehen, ist natürlich sehr besorgniserregend. Wir sehen eine massive Verletzung der Menschenrechte.» Man dürfe aber nicht vergessen, dass der Iran bereits seit Jahren massiv sanktioniert sei. Er wisse nicht, welche Massnahmen noch möglich wären.
Anders sieht dies die EU. Dort habe man sich laut Angaben von Diplomatinnen und Diplomaten auf neue Sanktionen geeinigt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, dass es an der Zeit sei, Sektionen gegen die Verantwortlichen für die Unterdrückung der Frauen zu verhängen.
Das Massnahmenpaket soll am Montag vorgestellt werden.
Wohl spontan vergessen zu atmen. Wohl wie in Russland üblich auch geselbstmordet.