Eden Puder lebt seit fünf Jahren in Tel Aviv – bis vor kurzem war sein Alltag völlig normal. «Ich habe mich bis jetzt immer sicher gefühlt in Israel», erklärt der 24-Jährige. «Doch seit dem vorletzten Samstag hat sich alles drastisch verändert. Meine Cousine Romi wurde entführt, während dem sie an dem Nova Musikfestival war. Das ist sehr traumatisierend.»
Puder ist gebürtiger Schweizer, besitzt die schweizerische und israelische Staatsbürgerschaft und lebt seit 2018 in Tel Aviv. Dort studiert er Musik. Tel Aviv musste Puder mittlerweile verlassen. Denn in dem Gebäude, in dem er lebte, hatte er keinen Schutzraum.
watson erreicht Puder telefonisch in Hod HaSharon. Dorthin ist er mit seiner Freundin zu deren Verwandten geflohen, die Stadt befindet sich nördlich von Tel Aviv. Mit seinem Basler Dialekt erklärt er: «Wir müssen immer wieder in den Schutzraum, wenn die Raketen ein Gebiet bei uns in der Nähe treffen.»
Er erzählt: «Romi hat ihre Schwester angerufen und ihr erzählt, dass Terroristen in das Gelände eingedrungen seien und das Feuer eröffnet hätten. Danach konnte Romi mit einem Auto flüchten. Doch dann wurde der Fahrer getötet und sie mussten zu Fuss weiter.»
Weiter sagt er: «Romi telefonierte während diesen Ereignissen mit meiner Tante, doch plötzlich hörte man nur noch arabische Stimmen und Schüsse. Danach ist die Verbindung abgebrochen.»
Puder und seine Familie wussten lange nicht, was mit der Cousine passiert ist: «Wir fragten uns, ob sie flüchten konnte oder nicht? Hatte sie sich versteckt? Dann informierte uns die israelische Regierung darüber, dass sie entführt wurde und in Gewahrsam der Hamas sei. Wir unternehmen alles, damit wir sie wieder finden.»
Romi Gonen und ihre Familie sind mit ihrem Leid nicht alleine: Die Besucherinnen und Besucher des Nova Musikfestivals wurden am Samstag, 7. Oktober von Hamas-Terroristen angegriffen. Rund 260 Menschen wurden getötet und Dutzende entführt.
Wie die Situation sich nun entwickeln wird, kann Puder nicht einschätzen. «Die Hamas-Terroristen haben rund 200 Menschen entführt, ich glaube, sie wissen selbst nicht, wie genau sie nun vorgehen sollen.»
Zu seiner eigenen Situation sagt Puder: «In den ersten drei Tagen war es sehr schlimm für uns alle. Nun ist es etwas ruhiger, aber Tel Aviv wurde zur Geisterstadt. Die Geschäfte und Cafés sind alle geschlossen.»
Weiter erklärt er: «Ich kenne viele Araber, die in Israel wohnen. Diese sind auch gefährdet, denn die Hamas hat auch Dutzende Araber getötet, nicht nur Juden. Sie greifen alle an – die Hamas wird nicht von dem gesamten palästinensischen Volk unterstützt.» Puder unterstützt die eher pro-israelische Seite und sagt: «Die Hamas sind der grösste Feind des palästinensischen Volkes, weil sie die Ressourcen für Waffen aufbrauchen statt für ihre Bevölkerung. Man sollte auch mehr Stimmen aus Gaza gegen die Hamas hören in der internationalen Berichterstattung, aber diese werden von der Hamas unterdrückt.»
Wann Puder zurück in seine Wohnung in Tel Aviv zurückgehen kann, weiss er nicht. Puder ist mit der aktuellen, israelischen Regierung nicht zufrieden, aber kritisiert auch die Hamas: «Ich denke, dass dies nur der Anfang ist und dieser Krieg noch lange dauern könnte. Denn die Hamas ist eine Terrororganisation, die nicht an einer Konfliktlösung interessiert ist, sie profitieren von dem Krieg. Sie wollen die Juden und Andersgläubige umbringen und so lange sie diese Vision nicht ablegen, wird es auch keinen Frieden geben.»
Auch ob Puder in die Schweiz zurückkehrt, kann er nicht sagen. «Meine Mutter wünscht sich, dass ich in die Schweiz gehe. Ich hatte auch schon einen Flug gebucht, der wurde aber abgesagt. Nun bin ich geblieben und hoffe, dass ich mich engagieren und den Menschen helfen kann.»
Er fügt an: «Aber ich mache mir wirklich Sorgen und weiss nicht, wie lange ich noch hier bleibe.»
Puder hat seit dem vorletzten Samstag nichts mehr gehört von seiner Cousine. «Ich frage mich: Was ist besser – getötet zu werden oder von den Hamas entführt zu werden und noch am Leben zu sein? Wir wissen nicht, was mit ihr passiert, es ist einfach nur schrecklich. Wird sie gequält? Wird sie vergewaltigt?» Ob konkrete Versuche im Gange sind, sie zu befreien, weiss er nicht.
Das grösste Leid trifft nämlich jetzt sie. Nicht nur wurden schon viel mehr Palästinenser getötet als Israelis, es gibt für sie keine Möglichkeit auszureisen, wenig Zukunftsperspektiven.
Das Begreifen die Hamas Fans hier eben nicht.