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Internationaler Strafgerichtshof: Haftbefehle gegen Netanjahu und Hamas

epa11727609 Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu speaks during a discussion called on by the opposition on the release of the Israeli hostages held by Hamas, at the Knesset in Jerusalem, Israel,  ...
Benjamin Netanjahu werden einige Verbrechen vorgeworfen.Bild: keystone

Internationaler Strafgerichtshof erlässt Haftbefehle gegen Netanjahu und Hamas-Führer

Der internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu, Joaw Galant sowie Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri erlassen. Die wichtigsten Punkte dazu im Überblick.
21.11.2024, 14:5221.11.2024, 23:04
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Was ist neu?

Der internationale Strafgerichtshof hat gegen drei ranghohe Personen im Nahostkrieg Haftbefehle erlassen. Betroffen sind der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Ex-Verteidigungsminister Joaw Galant sowie Hamas-Führer Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri. Die Richter in Den Haag stimmten damit einem Antrag des Chefanklägers Karim Khan vom Mai zu.

Was wird ihnen vorgeworfen?

Der internationale Strafgerichtshof wirft Netanjahu und Galant Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen seit dem 8. Oktober 2023 im Gazastreifen. vor. Das Gericht sieht ausreichende Gründe für die Annahme, dass Netanjahu und Galant «absichtlich und wissentlich der Zivilbevölkerung im Gazastreifen wesentliche Dinge für ihr Überleben einschliesslich Nahrung, Wasser sowie Medikamente und medizinische Hilfsmittel sowie Brennstoffe und Strom vorenthalten haben.»

28.09.2023, Berlin: Joav Galant, Verteidigungsminister von Israel, bei der Unterzeichnung des Kaufs des Raketenabwehrsystems Arrow 3 durch Deutschland. Foto: Britta Pedersen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ ( ...
Joaw Galant war bis am 5. November Verteidigungsminister Israels.Bild: DPA

Hamas-Chef Al-Masri – bekannt unter dem Namen Deif – wird wegen möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit dem 7. Oktober gesucht. Er soll bei einem israelischen Bombenangriff im Gazastreifen getötet worden sein. Eine offizielle Bestätigung für seinen Tod gab es jedoch nie.

This graphic released by Israel Defense Forces on Thursday, Aug. 1, 2024, announces the death of Hamas Military Wing Commander Mohammed Deif. The Israeli military said Thursday that it has confirmed t ...
Israel meldete, Deif sei tot – offiziell bestätigt ist der Tod aber nicht.Bild: keystone

Was bedeutet dies nun konkret?

Israel anerkennt die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs nicht. Dies spiele allerdings hierbei keine Rolle, so das Gericht. Die palästinensischen Gebiete sind Vertragsstaat. Bereits 2021 hatte das Gericht festgestellt, dass es auch für Gebiete zuständig sei, die seit 1967 von Israel besetzt sind.

Das Gericht mit Sitz in Den Haag hat selbst keine Möglichkeiten, die Haftbefehle auch zu vollstrecken. Aber seine 124 Mitgliedsstaaten – darunter die Schweiz – sind dazu verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen, sobald sie sich in ihrem Hoheitsgebiet befinden. Damit werden die Reisemöglichkeiten für die Gesuchten stark eingeschränkt. Netanjahu und Galant droht bei einer Reise ins Ausland unter Umständen die Festnahme.

Wie reagiert Israel?

Nach der Erteilung des Haftbefehls gegen ihn hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu die Anschuldigungen des Internationalen Strafgerichtshofs zurückgewiesen. «Wir werden beschuldigt, die Bevölkerung hungern zu lassen», sagte er in einer Videoansprache. Israel habe während des Kriegs «Hunderttausende Tonnen Lebensmittel» in den Gazastreifen gebracht, verteidigte er sich.

Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen werfen Israel dagegen vor, nicht genügend Hilfslieferungen in den abgeriegelten Küstenstreifen mit mehr als zwei Millionen Einwohnern zu lassen. Sie warnen vor einer Hungersnot besonders im Norden des umkämpften Gebiets. Auch Israels wichtigster Verbündeter, die USA, halten mehr Hilfe für nötig, um die Not der Menschen zu lindern. Deutschland ermahnt Israel ebenfalls immer wieder, mehr Hilfe in den Gazastreifen zu lassen.

Israels ehemaliger Verteidigungsminister Joav Galant hat die internationalen Haftbefehle gegen sich und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu heftig kritisiert. Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag schaffe «einen gefährlichen Präzedenzfall gegen das Recht auf Selbstverteidigung», schrieb Galant auf der Plattform X. Sie stelle zudem den Staat Israel und die Anführer der Hamas auf eine Stufe und legitimiere die Taten der Islamistenorganisation, darunter deren Vergewaltigungen und Entführungen am 7. Oktober in Israel.

Die israelische Armee werde weiter gegen die Hamas vorgehen, um die noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zu befreien und die Islamistenorganisation zu zerschlagen, betonte er.

Auch Israels Präsident Izchak Herzog hat mit Empörung und scharfer Kritik auf die Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant reagiert. «Dies ist ein dunkler Tag für die Justiz. Ein dunkler Tag für die Menschheit», schrieb er auf X.

Er sprach von einer skandalösen Entscheidung, die der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag in böser Absicht getroffen habe. Israel ist dem Rom-Statut des IStGH nie beigetreten und erkennt das Gericht nicht an.

Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir hat sich für eine vollständige Annexion des besetzten Westjordanlandes ausgesprochen. Das sei die angemessene Reaktion auf die internationalen Haftbefehle gegen Regierungschef Benjamin Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Joav Galant durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Das Gericht sei «durch und durch antisemitisch», schrieb Ben-Gvir auf X. Netanjahu und Galant stehen beim IStGH unter Verdacht von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gaza-Krieg.

Was sagt die Hamas?

Die Hamas begrüsst die Haftbefehle, fordert aber ein noch strengeres Vorgehen gegen Israel. «Wir fordern den Internationalen Strafgerichtshof auf, die Haftbefehle auf alle kriminellen Besatzungsführer auszuweiten», heisst es in einer Erklärung.

Was sagt die Welt?

Die Niederlande würden den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu festnehmen, wenn er ihr Hoheitsgebiet betreten würde. Der vom Internationalen Strafgerichtshofes gegen Netanjahu verhängte Haftbefehl würde ausgeführt, sagte Aussenminister Caspar Veldkamp dem Parlament in Den Haag. Dies gelte auch für den früheren israelischen Verteidigungsminister Joav Galant und den Militärchef der Hamas, Mohammad Diab Ibrahim Al-Masri. Gegen sie hat das Gericht ebenfalls Haftbefehle erlassen.

Die Niederlande kämen ihrer Verpflichtung als Vertragsstaat nach, sagte der Minister. «Die Niederlande arbeiten vollständig mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammen.»

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland hat die internationalen Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten und den ehemaligen Verteidigungsminister gelobt. Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag stelle das Vertrauen in das Völkerrecht und UN-Organisationen wieder her, hiess es in einer Mitteilung der Behörde, die die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa veröffentlichte.

Die PA forderte laut der Mitteilung alle Mitgliedsstaaten des Gerichtshofes, zu denen auch Deutschland zählt, auf, «die Entscheidung des Gerichts umzusetzen und Verbrecher vor Gericht zu bringen». Es sei auch nötig, Treffen und Gespräche mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und dem früheren Verteidigungsminister Joav Galant einzustellen.

Der Präsident der Palästinenserbehörde ist Mahmud Abbas. Gewichtigste Fraktion in der PA ist die gleichfalls von Abbas geführte Fatah-Bewegung. Die Fatah und die Hamas sind die beiden grössten Palästinenserorganisationen und gelten als erbitterte Rivalen. Seit einigen Jahren gibt es Versöhnungsgespräche zwischen beiden Gruppen, die aber bisher keine echten Fortschritte brachten.

Auch der Iran begrüsst die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Joav Galant. «Das ist lobenswert, nur müssen die USA und die Europäer die Haftbefehle auch respektieren und umsetzen», erklärte Kamal Charrasi, der aussenpolitische Berater des geistigen Führers Ayatollah Ali Chamenei. Die Entscheidung des Gerichts in Den Haag sei auch beschämend für den Westen, der Israels Handeln im Gazastreifen und im Libanon uneingeschränkt unterstützt habe. Er hoffe, dass dieser Schritt zu einem Friedensprozess beitragen werde, erklärte er weiter.

Die USA berät mit anderen Ländern über das weitere Vorgehen. «Wir lehnen die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für die Situation grundsätzlich ab», sagte die Sprecherin des Weissen Hauses, Karine Jean-Pierre. Die USA würden keinen Haftbefehl vollstrecken, betonte sie.

Die Eile des Anklägers, Haftbefehle zu beantragen, sei tief beunruhigend, sagte Jean-Pierre weiter. Nun würden unter anderem mit Israel die nächsten Schritte abgestimmt.

Die USA erkennen wie Israel den Internationalen Strafgerichtshof nicht an. US-Präsident Joe Biden hat das Vorgehen des Chefanklägers gegen Israel bereits in der Vergangenheit als «empörend» bezeichnet und betont, Israel und die islamistische Hamas dürften nicht gleichgestellt werden. Dass Haftbefehle für hochrangige israelische Vertreter zusammen mit Haftbefehlen für Hamas-Terroristen beantragt worden seien, sei «beschämend».

Kanadas Premierminister Justin Trudeau lässt hingegen wenig Zweifel daran, dass sein Land den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vollstrecken würde. «Wir stehen für das Völkerrecht ein und werden uns an alle Vorschriften und Urteile der internationalen Gerichte halten», sagte Trudeau auf die Frage, ob die kanadischen Behörden ihrer Pflicht nachkommen und Netanjahu verhaften würden, sollte er das Land betreten. Er betonte, dass Kanada Gründungsmitglied des Internationalen Strafgerichtshofs sei.

dab, mit Material von Keystone-SDA

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210 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Andi7
21.11.2024 13:14registriert November 2019
Mutig und richtig, alle diese Angeklagten haben Menschenleben auf dem Gewissen.
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Bababobo
21.11.2024 13:20registriert September 2015
Längst überfällig!
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elai
21.11.2024 14:14registriert Januar 2016
Recht auf Selbtbestimmung, Existenzberechtigung und Selbstverteidigung in Ehren - sowohl für Israelis als auch Palästinenser, dies aber im Rahmen der diversen UNO Konventionen, deshalb sind diese Anklagen des internationalen Strafgerichtshofs nichts anderes als konsequent.
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