International
Israel

Nach israelischem Angriff in Beirut: Hisbollah-Anführer ist tot

Rescuers carry a body at the scene of a missile strike in the southern suburbs of Beirut, Friday, Sept. 20, 2024. (AP Photo/Bilal Hussein)
Rettungskräfte am Ort des Raketeneinschlags in den südlichen Vororten von Beirut.Bild: keystone

Nach israelischem Angriff in Beirut: Hisbollah-Anführer ist tot

Beirut wurde von israelischen Kampfflugzeugen angegriffen. Dabei sind mindestens acht Menschen getötet und viele weitere verletzt worden. Ziel des Angriffs soll der oberste militärische Befehlshaber der Hisbollah, Ibrahim Aqil, gewesen sein. Eine Übersicht zu den Entwicklungen.
20.09.2024, 15:0820.09.2024, 22:00
Mehr «International»

Das ist passiert

Israelische Kampfflugzeuge griffen nach Armeeangaben ein Ziel in Libanons Hauptstadt Beirut an. Augenzeugen berichteten von Erschütterungen.

Bei dem Angriff sind nach Behördenangaben mindestens acht Menschen getötet worden. 59 weitere Personen seien verletzt worden, teilte das libanesische Gesundheitsministerium mit.

Ambulances arrive at the scene of an Israeli missile strike in the southern suburbs of Beirut, Friday, Sept. 20, 2024. (AP Photo/Hassan Ammar)
Krankenwagen treffen am Ort des israelischen Raketeneinschlags in den südlichen Vororten von Beirut ein.Bild: keystone

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben einen hochrangigen Kommandeur der Hisbollah bei einem Angriff in Libanons Hauptstadt Beirut getötet. Ibrahim Akil sei tot, teilte Armeesprecher Daniel Hagari mit. Demnach wurden bei dem Angriff noch weitere Mitglieder der Hisbollah-Elitetruppe Radwan getötet. Details dazu nannte Hagari nicht. Die Hisbollah äusserte sich dazu zunächst nicht.

Ibrahim Akil gehört zu den Gründungsmitgliedern der Hisbollah und wirkte insbesondere im militärischen Flügel der schiitischen Organisation. Medienberichten zufolge war er der Militärkommandeur der Hisbollah und damit der Nachfolger des am 30. August ebenfalls von Israel getöteten Fuad Schukr.Die USA hatten ein Kopfgeld in der Höhe von sieben Millionen Dollar (6,27 Millionen Euro) auf Akil ausgesetzt. Bereits Anfang der 90er-Jahre hatte Israel versucht, Akil auszuschalten.

Bild
Bild: US Department of State

Akil wurde Informationen aus Beirut zufolge erst am Freitag aus dem Krankenhaus entlassen, nachdem er bei der Attacke auf technische Geräte der Hisbollah verletzt worden war. Auch dieser Angriff wird Israel zugeschrieben.

Augenzeugen zufolge soll der israelische Angriff einem Ziel im südlichen Dahiyeh-Gebiet gegolten haben. Es seien zwei Explosionen zu hören gewesen sein.

«Mein gesamtes Haus hat gebebt», berichte eine Bewohnerin der Deutschen Presse-Agentur. Auf den Strassen herrschte Panik. Mehrere Krankenwagen waren im Einsatz.

Auf Videos in sozialen Medien waren verheerende Szenen in dem südlichen Vorort Beiruts zu sehen, mit mehreren zerstörten Autos und beschädigten Häuserfassaden. Das Gebiet gilt als Hochburg der Hisbollah.

Der libanesische Zivilschutz meldete, dass mindestens zwei Gebäude infolge des Angriffs einstürzten. Die Mitarbeiter suchten nach Verschütteten.

Das ist zuvor passiert

Vor dem Angriff in Beirut hatten Kampfflugzeuge rund 100 Raketenabschussrampen der proiranischen Miliz bombardiert, wie das israelische Militär mitteilte. Libanesische Sicherheitskreise sprachen von einer der schwersten Angriffswellen seit Beginn des gegenseitigen Beschusses im Oktober vergangenen Jahres.

Dem Angriff in Beirut sind israelischen Angaben zufolge rund 200 Geschosse aus dem Libanon vorangegangen.

Im Norden Israels heulten Warnsirenen. Israelischen Medien zufolge brachen durch den Beschuss Brände aus.

Berichte über Verletzte gab es zunächst nicht. Die Hisbollah-Miliz reklamierte mehrere Angriffe für sich. Anwohner in zahlreichen Orten im Norden Israels sind dazu aufgerufen, in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben.

Am Dienstag und Mittwoch waren an mehreren Orten im Libanon gleichzeitig Hunderte technische Geräte explodiert. Dabei wurden rund 3.000 Menschen verletzt und mindestens 37 starben an ihren Verletzungen. Unter den Verletzten sollen viele Kämpfer der pro-iranischen Hisbollah sein, die vom Libanon aus gegen Israel kämpft. Militär- und Geheimdienstexperten sehen Israels Armee hinter den offensichtlich koordinierten Angriffen. Das Militär hatte die Explosionswellen bisher nicht kommentiert.

Seit Beginn des Kriegs im Gazastreifen nach dem Hamas-Terrorangriff auf Israel vor fast einem Jahr kommt es im israelisch-libanesischen Grenzgebiet nahezu täglich zu militärischen Konfrontationen zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah. Die Hisbollah handelt nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas.

Im Libanon wurden dabei etwa 600 Menschen getötet, die meisten davon Hisbollah-Mitglieder. In Israel kamen Armeeangaben zufolge 52 Menschen ums Leben, darunter 26 Zivilisten.

Das sagt der Libanon

Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Nadschib Mikati hat den israelischen Angriff auf ein Ziel in einem südlichen Vorort Beiruts scharf verurteilt. Israel lege «keinen Wert auf humanitäre, rechtliche oder moralische Werte», sagte er. Stattdessen schreite die israelische Regierung mit etwas voran, «was einem Völkermord ähnelt».

Mikati rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, einen klaren Standpunkt gegen die «schrecklichen Massakers» Israels zu zeigen.

Hisbollah-Generalsekretär, Hassan Nasrallah, kündigte in einer landesweit übertragenen Rede am Donnerstag an, den Beschuss Nordisraels fortzusetzen. Israel könne erst dann wieder Menschen in Sicherheit in den Norden zurückkehren lassen, wenn der Krieg im Gazastreifen gestoppt werde. Die Hisbollah handelt nach eigener Darstellung aus Solidarität mit der islamistischen Hamas in dem Küstengebiet. Beide Gruppen werden von der Islamischen Republik Iran unterstützt, deren Staatsführung Israel als Erzfeind betrachtet.

Zugleich beschuldigte Nasrallah Israel, für die Explosionen von Pager und Handfunkgeräten verantwortlich zu sein. Der Hisbollah-Chef sprach von einer Kriegserklärung und kündigte Vergeltung an.

Das sagt Israel

Wegen der Lage in Nahost hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seine für Dienstag geplante Reise zur UN-Generaldebatte in New York um einen Tag verschoben. Der israelische UN-Botschafter Danny Danon erklärte das vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York mit der Lage an der Grenze mit dem Libanon. Netanjahus Ankunft sei nun für Mittwoch geplant. «Wir haben nicht die Absicht, mit der Hisbollah im Libanon in einen Krieg einzutreten, aber so wie bisher können wir nicht weitermachen», fügte Danon hinzu.

Das sagen die USA

Die US-Regierung hält es trotz der jüngsten Angriffe zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz für möglich, einen Krieg zwischen beiden Seiten abzuwenden. «Wir glauben immer noch, dass es Zeit und Raum für eine diplomatische Lösung gibt, und wir halten dies für den besten Weg», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Ein Krieg an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon sei «nicht unvermeidlich, und wir werden weiterhin alles tun, was wir können, um ihn zu verhindern».

Kirby ging nicht näher auf den jüngsten israelischen Angriff in Libanons Hauptstadt Beirut ein. Dieser sei gerade erst geschehen, und das israelische Militär müsse selbst über seine Einsätze sprechen. Auf Nachfrage sagte er, ihm sei nicht bekannt, dass die US-Regierung vorab darüber informiert gewesen sei.

Mit Blick auf den Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Gazastreifen sagte Kirby, die US-Regierung gebe die Hoffnung nicht auf, auch hier noch eine Vereinbarung für eine Waffenruhe und eine Freilassung von Geisel zu erreichen. Dies sei hart und gestalte sich schwierig. «Aber niemand gibt auf. (...) Wir werden es weiter versuchen.»

(lst/leo/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
52 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
stronghelga
20.09.2024 17:39registriert März 2021
Wie kommt es, dass Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Nadschib Mikati der Hisbollah nicht das Handwerk legt. Hat er‘s vielleicht nicht so mit „Werten in humanitärer, rechtlicher oder moralischer“ Hinsicht?
7935
Melden
Zum Kommentar
avatar
Score
20.09.2024 18:22registriert Mai 2017
Schön, ein Terrorist weniger. Leider verstecken sich diese Feiglinge immer so, dass es möglichst viel Kollateralschaden gibt. Und damit sind unschuldige Zivilisten gemeint. Und das Kalkül (welches meistens aufgeht), dadurch wieder neue Terroristen entstehen...
4014
Melden
Zum Kommentar
avatar
bitzliz'alt
20.09.2024 15:31registriert Dezember 2020
Im Libanonkrieg 2006 gab es über 1500 Tote und die libanesische Armee verhielt sich "passiv", aktiv waren nur die Hisbollah und die IDF ..... In Beirut wurde das arab. Viertel praktisch dem Erdboden gleichgemacht viele Hisbollah-Fabriken wurden gezielt zerstört; die reiche Bevölkerung haute ab, so wurde nach dem Waffenstillstand etwa 200 zurückgelassene Nannies (ohne Geld, ohne Pass) angetroffen, die nicht mehr in ihre Herkunftsländer zurück konnten (arab. Staaten, Bagladesh).
Beide Seiten reklamierten den Krieg als "gewonnen".
Und genau jetzt hat der nächste Libanonkrieg begonnen.
242
Melden
Zum Kommentar
52
Syrer sagen, was sie an der Schweiz schätzen – und ob sie jetzt zurückkehren wollen
Rund 28'000 Syrerinnen und Syrer leben in der Schweiz. watson hat mit drei von ihnen über den Sturz des Assad-Regimes gesprochen und gefragt, ob sie sich eine Rückkehr in ihr Heimatland vorstellen können.

24 Jahre. So lange hat das Regime des Diktators Baschar al-Assad die Syrerinnen und Syrer unterdrückt, vertrieben, eingesperrt, gefoltert und umgebracht. Zählt man die Schreckensherrschaft seines Vaters Hafiz al-Assad hinzu, beträgt die Leidenszeit der syrischen Bevölkerung über ein halbes Jahrhundert.

Zur Story