Während Zehntausende Palästinenser im Gazastreifen auf der Flucht in den Süden des Gebietes sind, lässt sich Israels Militär mit der geplanten Bodenoffensive gegen die islamistische Hamas anscheinend noch länger Zeit. Der Angriff hätte eigentlich schon dieses Wochenende beginnen sollen, sei aber wegen des bewölkten Himmels und der deswegen erschwerten Sicht für Piloten und Drohnen vertagt worden, berichtete die «New York Times» unter Berufung auf drei namentlich nicht genannte, ranghohe israelische Offiziere.
Ziel ist es, die politische und militärische Führungsebene der Hamas-Terroristen im Gazastreifen auszulöschen, die vor einer Woche Massaker mit Hunderten Todesopfern in Israel begangen haben. Die Bundeswehr hat inzwischen weitere Deutsche aus der Region ausgeflogen.
Die bevorstehende Offensive berge die Gefahr, dass sich Israel in monatelange blutige Häuserkämpfe verstricke, heisst es in der «New York Times». Es werde angenommen, dass sich Zehntausende von Hamas-Kämpfern in Bunkern und Hunderte Kilometer langen unterirdischen Tunnelsystemen unter Gaza-Stadt und den umliegenden Teilen des nördlichen Gazastreifens verschanzen. Israels Armee gehe davon aus, dass die Hamas versuchen wird, Tunnel unter den vorrückenden Bodentruppen zu sprengen.
Die Hamas plane zudem, durch geheime Tunnelausgänge hinter die israelischen Linien zu gelangen und von hinten anzugreifen. Ein strategisches Dilemma sei zudem, dass die Terroristen sich unter der Erde mit Geiseln verschanzen könnten und dann nur noch schwer auszuschalten seien, hiess es.
Zwischen 150 und 200 Menschen wurden schätzungsweise in den Gazastreifen verschleppt, wie Israels Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi am Samstag wissen liess. Das Militär hatte zuvor mitgeteilt, dass die Familien von rund 120 Geiseln informiert worden seien.
Zehntausende Zivilisten im Gazastreifen sind nun auf der Flucht in den Süden des von Israel hermetisch abgeriegelten Gebiets. Die israelische Armee hatte über zwei zeitlich begrenzte Fluchtrouten informiert, die bis zum Samstagnachmittag von Angriffen verschont bleiben sollten. UN-Generalsekretär António Guterres forderte sofortigen Zugang für humanitäre Hilfe.
Die Verlegung schwer kranker und verletzter Patienten ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unmöglich. «Solche Menschen zu transportieren, kommt einem Todesurteil gleich», betonte sie. Die WHO verurteile daher «aufs Schärfste» die wiederholten israelischen Aufforderungen, 22 Krankenhäuser mit mehr als 2000 Patienten im nördlichen Gazastreifen zu evakuieren. Die Organisation wies zudem darauf hin, dass die Gesundheitseinrichtungen im Süden des Gazastreifens «bereits an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt» seien. Sie seien nicht in der Lage, «einen erheblichen Anstieg der Patientenzahlen zu bewältigen».
Das UN-Hilfswerk für Palästinensische Flüchtlinge warnte vor akuter Wasserknappheit. «Die Menschen, darunter kleine Kinder, Ältere und Frauen, werden an schwerer Dehydrierung sterben», warnte die Organisation.
Die USA verlegen derweil weitere Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer, unter anderem den Flugzeugträger «USS Dwight D. Eisenhower», den Lenkwaffenkreuzer «USS Philippine Sea» und zwei Zerstörer. Sie sollen sich den bereits in die Region verlegten Schiffen anschliessen, wie das Verteidigungsministerium in Washington am Samstagabend (Ortszeit) mitteilte. Die Kriegsschiffe sollen sich demnach nicht an Kampfhandlungen beteiligen, sondern der Abschreckung dienen. Das Weisse Haus betonte auch, dass man nicht plane, Bodentruppen nach Israel zu schicken. (lak/sda/dpa)