#femminicidio È necessario riscrivere la grammatica delle relazioni affettive, altrimenti non cambierà mai nulla pic.twitter.com/gN8MPFqK2I
— Michela Marzano (@MichelaMarzano) 3. August 2016
Die Gewalt gegen Frauen hat in Italien neue traurige Schlagzeilen produziert. Binnen nicht einmal eines Tages starben zwei Frauen durch die Hand ihrer Partner oder Ex-Freunde. «Femminicidio» – das Phänomen hat in Italien längst einen eigenen Namen.
Sara verbrannte bei lebendigem Leib. Ihr Ex-Freund übergoss sie nachts an Roms Peripherie mit Benzin und zündete sie an. Die Wirtschaftsstudentin hatte ihm den Laufpass gegeben. Die Mutter fand ihre Tochter am nächsten Morgen verkohlt bei ihrem ausgebrannten Auto und brach zusammen.
L’addio a Sara di Pietrantonio, uccisa dall’ex. La madre: “Voglio giustizia” https://t.co/Qodze6XMm4 @mariacorbi pic.twitter.com/NgC7BzG0d3
— La Stampa (@LaStampa) 10. Juni 2016
Saras Fall hat im Juni Italien erschüttert, Fotos der zarten Frau mit den blonden Haaren gehen noch immer durch die Medien. Doch es ist nur ein Schicksal von vielen.
Gerade geschah es wieder. In der Toskana erlag die 46 Jahre alte Vania aus Lucca ihren schweren Verbrennungen. Offenbar wieder Benzin. Unter Verdacht: Ein gleichaltriger Mann. Er hat eine Brandwunde am Arm, aber bestritt die Tat.
Nur Stunden später tötete in der Provinz Caserta ein 55-Jähriger im Streit seine Partnerin mit zwölf Messerstichen. Danach stellte er sich der Polizei, das blutige Küchenmesser hatte er dabei.
Männer, die Frauen töten – das Phänomen bekam in Italien einen eigenen Namen: «femminicidio». Allein im ersten Halbjahr 2016 kamen in Italien laut Ansa rund 70 Frauen durch die Hand ihrer Ex-Freunde, Ehemänner oder Geliebten um.
Per capire il #femminicidio. Da lunedì inizia lo SPECIALE "Da parte delle donne" https://t.co/8k5ixgmB0X pic.twitter.com/VTGnbToBH5
— Radio 24 (@Radio24_news) 16. Juli 2016
Es scheint, als rasteten Männer in Italien öfter aus, gerade, wenn sie verlassen werden. Verletzte Männlichkeit, gekränkter Stolz: «Sie benehmen sich wie Kinder. Was sie nicht besitzen können, zerstören sie», sagt die Kriminalpsychologin Laura Baccaro aus Padua. Das «Nein» einer Frau werde nicht ernst genommen und anerkannt.
Die Regierung in Rom hat sich längst den Kampf gegen den «femminicidio» auf die Fahnen geschrieben. Schon das Kabinett von Ministerpräsident Enrico Letta (2013 bis 2014) hatte schärfere Strafen auf den Weg gebracht und Stalking sowie häusliche Gewalt ins Gesetzbuch aufgenommen.
Im vergangenen Jahr kündigte die Regierung einen Aktionsplan an. Im September will die Ministerin für Verfassungsreformen, Maria Elena Boschi, ein überinstitutionelles Gremium einberufen.
Polizeichef Franco Gabrielli sieht in den Frauenmorden mehr als ein Verbrechen. Sie seien eine kulturelle und charakterliche Sache. Die Taten müssten aus dem Verborgenen geholt und die Opfer zur Anzeige ermutigt werden, sagte er, als er im Juli mit Innenminister Angelino Alfano ein Projekt mit dem Titel «Das ist nicht Liebe» vorstellte.
In 14 Orten ist die Polizei dabei mit Camp-Mobilen unterwegs, um den Frauen den Gang zur Polizei zu erleichtern. Experten zufolge ist die Dunkelziffer extrem hoch, von 90 Prozent ist die Rede.
Viele schreckten vor einer Anzeige zurück, aus Angst, damit erst recht den Zorn des Mannes auf sich zu ziehen, sagt Baccaro. Manche blieben aus finanziellen Gründen mit einem gewalttätigen Partner zusammen.
Schärfere Gesetze könnten hier nicht helfen. Vielmehr fehlten Anlaufstellen für die Opfer, Frauenhäuser und Geld für Hilfsangebote. «Am Ende werden die Frauen alleine gelassen», sagt Baccaro.
Die 55 Jahre alte Bernadette aus Modena etwa. Sie wurde Berichten zufolge seit längerem misshandelt und wandte sich an die Behörden. Im Juni wurde ihre Leiche dann in einem alten Kühlschrank gefunden.
Auch im Fall der 22 Jahre alten Sara aus Rom gab es Warnzeichen. Der Ex-Freund habe sie verfolgt, berichteten Freundinnen später. Als der Ex sah, wie sie ihren neuen Freund küsste, habe er angekündigt, dafür werde sie bezahlen. Dann bat er Sara um ein letztes Gespräch. Statt einer Klärung aber nahm er Rache. «Die letzten Treffen sind die gefährlichsten», sagt Baccaro dazu.
Nach dem Mord an Sara und zum 70-jährigen Bestehen des vollen Frauenwahlrechts beteiligten sich Menschen in ganz Italien an einer Aktion, kleideten sich rot, häuften Berge roter Pumps an, hängten rote Tücher aus dem Fenster, auch als Symbol für vergossenes Blut. Wieder wird nach schärferen Strafen gerufen, nach mehr Geld für Projekte und mehr Einsatz der Regierung.
Italien habe viel getan, sagte Parlamentspräsidentin Laura Boldrini kürzlich. «Jenseits von Gesetzen und Geldern für Anti-Gewalt-Zentren muss es eine kulturelle Veränderung geben.»
Die Kriminalpsychologin Baccaro sagt, teils seien sich die Frauen ihrer Rolle als Opfer nicht einmal bewusst. Der gesellschaftliche Wandel müsse bei den Kleinsten ansetzen, bei der Erziehung und in der Schule. (whr/sda/dpa)