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Rechte Hetze, linke Freude: Der schiefe Diskurs nach dem Attentat in Münster

dpatopbilder - 08.04.2018, Nordrhein-Westfalen, Münster: Trauerkerzen und Blumen liegen vor dem Unglücksort, der Gaststätte «Großer Kiepenkerl». Ein Mann war am 07.04. mit einem Kleintransporter in de ...
Jens R. tötete bei seiner Amokfahrt in Münster zwei Personen.Bild: dpa
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Rechte Hetze, linke Freude: Der schiefe Diskurs nach dem Attentat in Münster

Nach der Amokfahrt in Münster wurden von rechter wie auch von linker Seite vorschnelle Schlüsse zum Hintergrund des Täters gezogen. Die Diskussion über die Motivation einer solchen Tat verkommt so zu einem politischen Kampf um die Deutungshoheit der Ereignisse. 
09.04.2018, 02:4009.04.2018, 06:21
timo stein
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Die Empörung von rechts

Kaum liefen die ersten Meldungen um kurz nach halb fünf am Samstagnachmittag zum Attentat in Münster über die Agenturen, waren sie auch schon online: zynische Danke-Merkel-Post von rechts.

Ganz vorne dabei AfD-Frontfrau Beatrix von Storch, die twitterte: «Wir schaffen das!» Die Botschaft: Merkel und ihre Flüchtlingspolitik sind Schuld. Die Liste solcher «Debattenbeiträge» von rechts liesse sich beliebig fortsetzen.

Während die Polizei Münster Twitter nutzte, um ruhig und transparent zu informieren, verbreiteten andere dort gezielt Desinformation und machten Stimmung.

Das Onlineportal Buzzfeed erstellte eine Übersicht über die Fake- Bilder, die sich schnell im Netz zu verbreiten begannen. 

Die Absurdität dieser Empörungsdynamik ging in die nächste Phase, als sich gegen den frühen Abend herausstellte, dass die Tat wohl keinen islamistischen Hintergrund hat. Als bekannt wurde, dass es sich bei dem mutmasslichen Täter um Jens R. aus dem Sauerland handelte, schlug die Stunde des «Ja, aber ...» am rechten Rand.

Was folgte, war die übliche Strategie: Von Storch versuchte erst, ihren «Wir schaffen das»-Post zu relativieren, um dann zu erklären, warum sie trotzdem Recht hatte.

Mit demselben Eifer löschten andere rechte Putztruppen ihre vorschnellen Schuldzuweisungen.

Die Erleichterung von links

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums gab es eine Art triumphierendes Aufatmen.

Zwischenzeitlich tauchten Meldungen auf, wonach der Amokfahrer dem rechten Spektrum zuzuordnen sei – auch das stellte sich schnell als falsch heraus. Bisher gibt es keine Erkenntnisse darüber, dass Jens R. aus politischen Motiven gehandelt habe.

Diese Dynamik zeigt, wie dysfunktional mittlerweile über solche Gewalttaten gesprochen wird. Es geht nicht um Opfer, denen es «egal ist, welche Religion der Täter hatte», wie der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Armin Laschet bei seiner Trauerrede sagte.

Nicht Nationalität und Herkunft, sondern Motivation und Ideologie hinter solchen Taten sind entscheidend. Geht es doch darum, nicht von einem Einzeltäter auf Menschengruppen zu schliessen.

Stattdessen spielen in der aufgehitzten Diskussion weniger die tatsächlichen Folgen der Tat eine Rolle, als dass es um den politischen Kampf um die Deutungshoheit der Ereignisse geht. Dabei sollte gerade auch die Tatsache, dass der mutmassliche Täter ein Deutscher ist, im Grunde keine Rolle spielen.

Jens R. raste in Münster mit seinem VW-Bus in eine Menschenmenge:

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Auto rast in Menschenmenge: Tote und Verletzte in Münster
Ein Twitter-Nutzer aus Münster hat dieses Bild vom Unfallort gepostet. Rechts im Bild leicht verdeckt vom Baum steht der Kleinlaster.
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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Blitzableiter
09.04.2018 07:31registriert Oktober 2015
Einfach aufhöhren auf Twitter etc. rumzuhängen. Und das Problem ist gelöst.
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Majoras Maske
09.04.2018 05:35registriert Dezember 2016
Natürlich möchte man solche Eregnisse verstehen, aber wenn man sich nicht für die Motivation des Täters interessieren würde, würde man wohl am meisten helfen solche Ereignisse zu verhindern.

Und im übrigen finde ich das Ausschlachten und Instrumentalisieren der Toten schlimm. Wenn die AFD von "Merkels Toten" spricht, kann man die Toten in Afrin oder der Untergang der türkischen Demokratie auch "AFD-Opfer" nennen. Immerhin machen sie den Türkei-Deal notwendig.
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4-HO-MET
09.04.2018 06:31registriert April 2016
"BuzzFeed News sammelt Falschinformationen und Fake News."

Erfrischend ehrliche Worte von Buzzfeed 😃
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