Kaum liefen die ersten Meldungen um kurz nach halb fünf am Samstagnachmittag zum Attentat in Münster über die Agenturen, waren sie auch schon online: zynische Danke-Merkel-Post von rechts.
Ganz vorne dabei AfD-Frontfrau Beatrix von Storch, die twitterte: «Wir schaffen das!» Die Botschaft: Merkel und ihre Flüchtlingspolitik sind Schuld. Die Liste solcher «Debattenbeiträge» von rechts liesse sich beliebig fortsetzen.
WIR SCHAFFEN DAS! 🤬
— Beatrix von Storch (@Beatrix_vStorch) 7. April 2018
Während die Polizei Münster Twitter nutzte, um ruhig und transparent zu informieren, verbreiteten andere dort gezielt Desinformation und machten Stimmung.
#Kiepenkerl #Münster Bitte keine Gerüchte und Informationen. Damit unterstützt ihr uns. Wir informieren Euch hier aktuell.
— Polizei NRW MS (@Polizei_nrw_ms) 7. April 2018
Das Onlineportal Buzzfeed erstellte eine Übersicht über die Fake- Bilder, die sich schnell im Netz zu verbreiten begannen.
Diese Fotos zu den Geschehnissen in #Münster sind fake.
— BuzzFeedNewsDE (@BuzzFeedNewsDE) 7. April 2018
BuzzFeed News sammelt Falschinformationen und Fake News.
➡️➡️➡️➡️ https://t.co/v0SNOOfTWx
Die Absurdität dieser Empörungsdynamik ging in die nächste Phase, als sich gegen den frühen Abend herausstellte, dass die Tat wohl keinen islamistischen Hintergrund hat. Als bekannt wurde, dass es sich bei dem mutmasslichen Täter um Jens R. aus dem Sauerland handelte, schlug die Stunde des «Ja, aber ...» am rechten Rand.
Was folgte, war die übliche Strategie: Von Storch versuchte erst, ihren «Wir schaffen das»-Post zu relativieren, um dann zu erklären, warum sie trotzdem Recht hatte.
Ein Nachahmer islamischen Terrors schlägt zu. Und die Verharmlosungs- und Islam-ist-Vielfaltsapologeten jubilieren. Das Ausmaß des Jubels ist der Beweis, dass alle die geleugnete Gefahr genau sehen: der Islam wird wieder zuschlagen. Die Frage ist nicht ob sondern wann. #Realität https://t.co/wBqFOKbol9
— Beatrix von Storch (@Beatrix_vStorch) 8. April 2018
Mit demselben Eifer löschten andere rechte Putztruppen ihre vorschnellen Schuldzuweisungen.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums gab es eine Art triumphierendes Aufatmen.
Ich fühle mich RICHTIG gut, weil es jetzt bereits die 4 Anzeige ist und ich meiner Demokratischen Pflicht nach komme! Die Würde des Menschen ist unantastbar!
— Keine AFD-Deutschland (@KeineAFD2017) 7. April 2018
Schönen Tag #Münster https://t.co/51O004Eg5Z
Zwischenzeitlich tauchten Meldungen auf, wonach der Amokfahrer dem rechten Spektrum zuzuordnen sei – auch das stellte sich schnell als falsch heraus. Bisher gibt es keine Erkenntnisse darüber, dass Jens R. aus politischen Motiven gehandelt habe.
Diese Dynamik zeigt, wie dysfunktional mittlerweile über solche Gewalttaten gesprochen wird. Es geht nicht um Opfer, denen es «egal ist, welche Religion der Täter hatte», wie der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Armin Laschet bei seiner Trauerrede sagte.
Nicht Nationalität und Herkunft, sondern Motivation und Ideologie hinter solchen Taten sind entscheidend. Geht es doch darum, nicht von einem Einzeltäter auf Menschengruppen zu schliessen.
Stattdessen spielen in der aufgehitzten Diskussion weniger die tatsächlichen Folgen der Tat eine Rolle, als dass es um den politischen Kampf um die Deutungshoheit der Ereignisse geht. Dabei sollte gerade auch die Tatsache, dass der mutmassliche Täter ein Deutscher ist, im Grunde keine Rolle spielen.