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Gaza-Friedensplan: Donald Trump gibt sich zu schnell zufrieden

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Benjamin Netanyahu und Donald Trump gelten als die Masterminds hinter dem Friededensplan, dem die Hamas nun teilweise zustimmt.Bild: keystone
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Gaza-Friedensplan: Donald Trump gibt sich zu schnell zufrieden

Der US-Präsident attestiert der Hamas voreilig Friedensbereitschaft und senkt damit unnötig den Druck. Am Ende könnte ihn das vor eine schwierige Wahl stellen.
04.10.2025, 15:5204.10.2025, 15:52
Jan Roß / Zeit Online
Ein Artikel von
Zeit Online

Die eigentliche Neuigkeit der gestrigen Nacht war nicht die Zustimmung der Terrororganisation Hamas zum Gaza-Friedensplan des US-Präsidenten Donald Trump. Die eigentliche Neuigkeit war Trumps Reaktion.

Die Hamas hat nämlich den Plan des US-Präsidenten keineswegs umfassend akzeptiert; sie ist lediglich auf Teile von Trumps Vorstellungen eingegangen und scheint im Übrigen auf Zeit zu spielen. Zur Freilassung aller israelischen Geiseln im Tausch gegen eine grosse Zahl palästinensischer Häftlinge hat sich die Terrormiliz bereiterklärt – das ist der Punkt ihrer Antwort, der die stärksten Hoffnungen weckt. Gleichzeitig betont die Hamas, für einen solchen Austausch müssten die erforderlichen «Bedingungen im Feld» erfüllt sein – eine vage Formulierung, die wie geschaffen zur Rechtfertigung von Verzögerungen wirkt.

Klassisches Ja, aber...

Erst recht unklar ist die Haltung der Terrororganisation zu den militärischen und politischen Elementen von Donald Trumps Friedensplan. So geht die Hamas nicht auf die Forderung nach der Auslieferung ihrer Waffen ein, und zum detaillierten Konzept einer internationalen Übergangsverwaltung für den Küstenstreifen äussert sie sich ebenfalls nicht. Man versteht, warum der amerikanische Senator Lindsey Graham, ein prominenter Aussenpolitiker der Republikanischen Partei, die Antwort als «klassisches Ja, aber» qualifiziert und festgestellt hat: «Dies ist, im Kern, eine Ablehnung von Präsident Trumps take-it-or-leave-it-Vorschlags durch die Hamas.»

Der US-Präsident selbst allerdings scheint es durchaus nicht so zu sehen. Er hat die Einschätzung abgegeben, die Hamas scheine «bereit zu einem dauerhaften Frieden» zu sein. Er hat Israel zudem aufgefordert, die Bombardierungen im Gazastreifen zu beenden. Premierminister Benjamin Netanjahu liess daraufhin erklären, Israel richte sich auf die Umsetzung der ersten Phase von Trumps Friedensplan, also auf die Freilassung der Geiseln, ein. Von einer Einstellung der Kampfhandlungen war in der offiziellen Stellungnahme nicht die Rede; es gibt allerdings Berichte, dass die israelische Armee ihre Offensive in Gaza-Stadt eingestellt habe und sich nunmehr auf defensive Operationen beschränke.

Öffentlichkeitswirksamer Erfolg

Die ganze Welt hofft auf ein Ende des Gazakriegs. Viele misstrauen, nicht ohne Grund, dem Verständigungswillen der Regierung Netanjahu und werden es begrüssen, wenn Israel von Donald Trump zu einer Waffenruhe gezwungen werden sollte. Trotzdem darf man nicht übersehen, dass der US-Präsident es in seiner Reaktion auf die «Zustimmung» der Hamas zu seinem Gaza-Plan an Vorsicht und Wachsamkeit fehlen lässt. Er attestiert der Terrormiliz eine Friedensbereitschaft, für die es bisher in Wahrheit noch keinen verlässlichen Beleg gibt. Er reduziert damit jenen Druck auf die Hamas, der allein ihre Führer letztlich zu einem wirklichen Einlenken bewegen könnte. Statt sich derart zufrieden mit den Teilzugeständnissen der Terrororganisation zu zeigen, hätte Trump besser seine drohende Haltung beibehalten und weiterhin die komplette Annahme des Friedenskonzepts verlangen sollen.

Jetzt auf

Der Grund dürfte im unstillbaren Verlangen nach schnellen, unmittelbar öffentlichkeitswirksamen Erfolgen liegen, das diesen Präsidenten beseelt und beherrscht. Es hat ihn etwa dazu getrieben, das iranische Atomprogramm nach dem amerikanischen Luftangriff auf die Nuklearanlagen von Fordo und Natans als «ausgelöscht» zu bezeichnen, obwohl es gewiss nur beschädigt und verlangsamt wurde – ein im übrigen vollkommen respektabler militärischer und politischer Erfolg, der keiner Aufbesserung durch Prahlerei bedurft hätte. Auch die Abhaltung eines Gipfeltreffens mit Wladimir Putin, obwohl der russische Präsident erkennbar kein echtes Interesse an einem fairen Frieden mit der Ukraine hatte, zeugte von dieser trumpschen Fixierung auf scheinbare Durchbrüche und Befreiungsschläge.

Man kann nur hoffen, dass der Optimismus des Präsidenten ihn diesmal nicht täuscht. Wenn der jetzt versuchte Befriedungsprozess allerdings ins Stocken geraten oder scheitern sollte, dann könnte Trump bald vor einer unangenehmen Alternative stehen. Wird er die Schuld mehr als bisher bei Benjamin Netanjahu suchen und auf grössere Distanz zu Israel gehen? Oder wird er die Hamas verantwortlich machen und Netanjahu freie Hand zu einer Fortführung des Krieges geben?

Dieser Artikel wurde zuerst auf Zeit Online veröffentlicht. Watson hat eventuell Überschriften und Zwischenüberschriften verändert. Hier geht’s zum Original.

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