Rund 80'000 Afghanen sehen EU-weit mittlerweile ihrer Abschiebung entgegen – obwohl ihr Herkunftsland alles andere als sicher ist. (Symbolbild)Bild: EPA
Kommentar
Einfachere Ausschaffungen nach Afghanistan – ein notwendiger Drahtseilakt der EU
Afghanistan als sicheres Herkunftsland zu bezeichnen, wäre ein Witz – wenn auch ein schlechter. Die Taliban waren seit der US-Invasion 2001 nie stärker als heute. Zusätzlich terrorisiert seit ungefähr zwei Jahren ein Ableger des «Islamischen Staats» die Bevölkerung. Die Zentralregierung in Kabul kann die Sicherheit ihrer 30 Millionen Bürger nicht gewährleisten.
Jetzt auf
Trotzdem hat die EU nun einen Deal auf den Weg gebracht, mit dem sie abgewiesene Asylbewerber zügig in das kriegsversehrte Land zurückbefördern kann. Denn für eine solche Lösung gibt es Bedarf: Seit August wird praktisch jedem zweiten Afghanen der Asylstatus verwehrt, wie Zahlen aus Deutschland zeigen. Rund 80'000 sehen EU-weit mittlerweile ihrer Abschiebung entgegen.
Doch wenn der EU das «non-Refoulement»-Prinzip etwas wert ist, dann dürften nicht allzu viele Afghanen zur Rückkehr gezwungen werden. Vielmehr offenbart die Afghanistan-Vereinbarung den grundsätzlichen Drahtseilakt, den die EU mit ihrer Strategie der Migrationspartnerschaften seit dem Flüchtlings-Deal mit der Türkei eingegangen ist. Die Gefahr besteht nicht nur darin, dass Brüssel zum Komplizen fragwürdiger Regimes wird, sondern dass die EU sich erpressbar macht.
Das Beispiel der kenianischen Regierung, die von der internationalen Gemeinschaft ultimativ Geld forderte, andernfalls sie Dadaab, das grösste Flüchtlingslager der Welt, schliessen werde, zeigt das ebenso wie die kruden Machtspiele des türkischen Präsidenten Erdogan. Dennoch kommt die EU nicht darum herum, sich mit den Herkunftsländern der Migranten und den Transitstaaten an einen Tisch zu setzen. (gin/aargauerzeitung.ch)
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«Man sieht allmählich ein, wie töricht es war, so viele Wähler zur AfD zu vertreiben»
Nur wenige kennen die politische Landschaft Ostdeutschlands so gut wie Werner Patzelt. Dass die AfD in den nächsten Jahren absolute Mehrheiten in Ländern wie Sachsen erringt, hält der Politologe für wahrscheinlich. Darauf müsse sich die CDU vorbereiten.
Herr Patzelt, im Januar 2019, als wir uns zuletzt trafen, kritisierten Sie die deutschen Christdemokraten, die Wähler «bis hin zum rechten Narrensaum» nicht mehr an sich binden wollten und so die AfD stark gemacht hätten. Damals war Angela Merkel Kanzlerin. Ist die CDU unter Friedrich Merz wieder auf dem richtigen Weg? Werner Patzelt: Zumindest sieht man in der CDU und in der Öffentlichkeit allmählich ein, wie töricht es war, so viele Wähler zur AfD zu vertreiben, weil man Politik mit kenntlich üblen Nebenwirkungen einfach nicht korrigieren wollte. Jetzt bezahlt die Strafgebühr nicht bloss die Union, nämlich durch ihre Abhängigkeit von SPD und Grünen, sondern auch unser Land, das von einander gern blockierenden Koalitionären regiert wird. Doch solange die Union keine begehbaren Brücken hin zur Partei ihrer verlorenen Wählerschaft bauen will, muss sie eben weiterhin mit Grünen, Sozialdemokraten und Linken zusammenarbeiten. Dadurch riskiert sie aber weitere Machtverluste zugunsten der AfD. Braucht es wohl einen ersten Landtag mit absoluter AfD-Mehrheit, bevor die Unionsführung das begreift?