Haitis umstrittener Präsident Jovenel Moïse hat drei Richter des Obersten Gerichtshofs in den Ruhestand geschickt - darunter den von der Opposition zum Übergangspräsidenten ernannten Joseph Mécène Jean-Louis. Moïse unterschrieb nach übereinstimmenden Medienberichten am Montag (Ortszeit) ein entsprechendes Dekret. Bei einem der anderen beiden Richter handelte es sich um eine von 23 Personen, deren Festnahmen wegen Putschversuchs Moïse am Sonntag verkündet hatte.
Der 72 Jahre alte Jean-Louis hatte in einer Ansprache am Montag erklärt, Opposition und Zivilgesellschaft hätten ihn zum Interimsstaatschef gewählt. Justizminister Rockfeller Vincent sprach in einer Mitteilung von einer «an Wahnsinn grenzenden, illegalen und verfassungswidrigen Handlung». Im Regierungsviertel der Hauptstadt Port-au-Prince kam es zu Demonstrationen gegen Moïse, bei denen Berichten zufolge zwei Journalisten angeschossen wurden.
Gegner des 52-jährigen Präsidenten meinen, seine Amtszeit sei am Sonntag zu Ende gegangen, da nach der Präsidentenwahl von 2015 eine fünfjährige Amtszeit des Staatschefs ab dem 7. Februar 2016 vorgesehen war. Die Wahl war allerdings wegen Betrugs annulliert und Moïse erst ein Jahr später nach einer Neuwahl vereidigt worden.
Ein Sprecher des US-Aussenministeriums erklärte am Freitag, dass auch aus Sicht der früheren Besatzungsmacht Moïses Amtszeit am 7. Februar 2022 endet. Es müsse in Haiti aber freie und faire Parlamentswahlen geben.
Seit mehr als zwei Jahren gibt es in dem Karibikstaat, dem ärmsten Land der westlichen Hemisphäre, immer wieder gewaltsame Proteste gegen Moïse, dem Korruption und Verbindungen zu gewalttätigen Gangs vorgeworfen werden. Nach Ansicht vieler ist er vor allem dank der Unterstützung der USA noch im Amt. Im Oktober 2019 fielen wegen der Proteste Parlamentswahlen aus. So gab es zum Beginn der neuen Legislaturperiode im Januar 2020 kein handlungsfähiges Parlament, Moïse regiert seither per Dekret. (aeg/sda/dpa)