Das Fürstentum Liechtenstein hat gestern Sonntag gewählt – ein hauchdünnes Ergebnis führte dazu, dass das Ländle keine erste weibliche Regierungschefin kriegt. Grund war das Resultat der Landtagswahl: Die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner entschieden gestern, wer im 25-köpfigen Parlament unseres Nachbarlands sitzen wird.
Es sind provisorische Ergebnisse, weil die zwei grössten Parteien sogar bei der ersten Nachkommastelle gleichauf sind. Sie werden von nur gerade mal 23 Stimmen getrennt. Die Zahl wurde sogar in der Nachzählung bestätigt.
Diese 23 Stimmen Unterschied entscheiden nun, wer das Land regieren wird. Wir kennen das System aus anderen Ländern: Wer die Mehrheit im Parlament stellt, führt auch die Regierung.
Da die beiden stärksten Parteien gleichauf sind und sogar je zehn Sitze im Parlament kriegen, dürfte die Regierungsbildung nicht einfach sein. Es läuft darauf hinaus, dass VU und FBP (auf die Parteien kommen wir später zu sprechen) gemeinsam regieren werden.
Richtig. Aus Schweizer Sicht stolpert man immer wieder über die ungewöhnlichen, monarchischen Elemente im Nachbarland. Wusstet ihr etwa, dass man den Fürsten immer «eure Durchlaucht» nennt und er das Veto gegen die Abschaffung der Monarchie einlegen kann?
Machen wir einen kurzen Crashkurs:
Der Fürst ist das Staatsoberhaupt und der Souverän. Die Regierung des Landes ist nicht dem Parlament, sondern dem Fürsten Rechenschaft schuldig. Die Regierung wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer von der einen oder der anderen Partei gestellt. Regierungschef war immer ein Mann – das bleibt auch so, zumindest für die nächsten vier Jahre.
Womit wir beim Punkt «Was für Parteien haben die denn dort?» sind. Kurz zusammengefasst: Es gibt zwei grosse Parteien. Und die Opposition.
Die beiden grossen Parteien VU und FBP unterscheiden sich inhaltlich kaum. Sie positionieren sich beide etwa ähnlich wie die ehemalige CVP in der Schweiz.
Ob man VU oder FBP wählt, entscheidet die Sozialisierung: Welchem Milieu steht man näher, wo hat man eher Freunde? Wer nicht Teil dieses «Teigs» sein will, der hatte eine lange Zeit nur die Möglichkeit, links zu wählen. Die Freie Liste positioniert sich seit Jahrzehnten eher sozialdemokratisch-grün und fordert eine repräsentativere Monarchie.
Seit 2013 kennt das Ländle zudem rechte Parteien. Die Unabhängigen (DU) konnten vor vier Jahren überraschend rund 18 Prozent erreichen. Sie fielen durch europaskeptische und populistische Auftritte auf und waren wegen quirligen Abgeordneten wie Herbert Elkuch landesweit bekannt, der als Crossdresser regelmässig «Frauenkleider» im Parlament trug.
Die Unabhängigen zerstritten sich jedoch, worauf sich mehrere DU-Abgeordnete zur Demokraten pro Liechtenstein (DPL) neu formierten.
Die Regierungsbildung ist nicht abgeschlossen. Nach der Neuauszählung ist aber klar, dass die VU die Wahlen gewinnt.
Die FBP wollten dies mit den gestrigen Wahlen ändern. Sie regierten die letzten acht Jahre und wollten mit Sabine Monauni die erste Frau ins Regierungspräsidium hieven. Die 46-Jährige ist derzeit Liechtensteins EU-Botschafterin in Brüssel.
Ihr Kontrahent aus der VU war Daniel Risch. Er war die letzten vier Jahre der Regierungschef-Stellvertreter. Er dürfte nach gestern zum Regierungschef befördert werden.
Die Wahl von Monauni wäre historisch gewesen. Liechtenstein kennt seit 1984 das Frauenstimmrecht und hatte danach regelmässig auch weibliche Regierungsrätinnen. Die bekannteste von ihnen war die FBP-Politikerin und Aussenministerin Aurelia Frick. Sie professionalisierte die Aussenpolitik Liechtensteins in der Zeit nach der weltweiten Finanzkrise.
Gegen Frick wird zurzeit strafrechtlich ermittelt. Ihr wird vorgeworfen, nicht sauber mit den Staatsfinanzen umgegangen zu sein. Die Klage wegen des Verdachts des Missbrauchs der Amtsgewalt wird seit Ende Januar am Obergericht verhandelt.
Liechtensteins Politik drehte sich in den vergangenen Monaten auch um die Pandemie. Im Wahlkampf gab es aber auch Corona-fremde Themen.
Das «Volksblatt» nannte einen Monat vor der Wahl vor allem gesellschaftspolitische Fragen. Liechtenstein kennt noch keine bezahlte Elternzeit, zudem dürfen gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten. Die Entwicklungen in der Schweiz führten dazu, dass diese Themen auch im Nachbarland rege diskutiert werden. Das Ländle führte erst vor zehn Jahren die eingetragene Partnerschaft ein. Der Fürst himself vertritt da aber ziemlich überholte Positionen …
Zu reden geben dürfte auch das Verhältnis zur Schweiz. Das liechtensteinische Volk lehnte im letzten Jahr ab, 71 Millionen Franken für den Ausbau der S-Bahn Liechtenstein zu bezahlen. Das Ländle hat bis heute keine Autobahn, was regelmässig zu Staus in den grösseren Orten führt.