Vor einem Jahr strömten bis zu 10'000 Flüchtlinge täglich allein über den Grenzübergang Spielfeld nach Österreich. Heute herrscht dort Ruhe. Aber die Alpenrepublik bereitet sich dennoch im ersten Jahr ihrer «Nicht-Willkommens-Kultur» auf alle Eventualitäten vor. Wenn der «Notstand» eintritt, werden die Grenzen für Asylbewerber praktisch dicht gemacht. Die Lage im Einzelnen, gegliedert nach fünf Punkten:
Der Hotspot ist derzeit der österreichisch-ungarische Grenzübergang Nickelsdorf. Seit Juli kontrollieren hier die Österreicher die Fahrzeuge auf der Suche nach Flüchtlingen und Schleppern. In der Region wurden im ersten Halbjahr 4500 illegal Eingereiste aufgegriffen sowie 117 Schlepper festgenommen. An den Grenzen zu Italien und Slowenien werden kaum Flüchtlinge gezählt.
Die rot-schwarze Koalition in Österreich hat das Ziel, dass 2016 nicht mehr als 37'500 Menschen zum Asylverfahren zugelassen werden – rund 50'000 weniger als 2015. Um das zu erreichen, kann der «Notstand» ausgerufen werden. Aktuell wird angepeilt, dass das entsprechende Gesetz Anfang September in die Begutachtung geschickt wird. Diese kann zwei bis sechs Wochen dauern. Sobald es in Kraft ist, werden praktisch alle Asylbewerber an der Grenze zurückgeschickt. 2017 sinkt die Obergrenze auf 35'000.
Das rechtlich umstrittene Gesetz des «Notstands» macht nur Sinn, wenn ein striktes Grenzmanagement den illegalen Übertritt erschwert. So kann an der ungarischen Grenze ein mindestens 30 Kilometer langer Zaun binnen kurzer Zeit aufgebaut werden. Das gilt im Prinzip auch für den Brenner an der Grenze zu Italien. Ausserdem werden Registrierzentren direkt an der Grenze errichtet. Eine bessere Zusammenarbeit speziell mit Ungarn wird wegen der zu erwartenden Abweisung von Flüchtlingen angestrebt.
Die konservative ÖVP sieht in der Asyl-Obergrenze ein Kernelement der rot-schwarzen Koalition – und möchte die Notverordnung so bald wie möglich. Kanzler Christian Kern von der sozialdemokratischen SPÖ hat sich nun dazu bekannt, das Gesetz Anfang September in dessen letzte Umsetzungsphase zu schicken. Beide Parteien handeln im Zeichen des grossen politischen Zuspruchs für die ausländer- und europakritische FPÖ, die in Umfragen mit rund 35 Prozent deutlich vor SPÖ und ÖVP liegt.
Aktuell sind etwa 25'000 Flüchtlinge zum Asylverfahren zugelassen. Ausserdem befinden sich 11'000 Menschen, die über einen sicheren Nachbarstaat eingereist sind, in der Grundversorgung. Diese sogenannten «Dublin-Fälle» müssen – wenn sie nicht zurück geschoben werden können – nach einer Frist von sechs Monaten zu den Asylverfahrens-Berechtigten gezählt werden. Darunter sind 6000 Flüchtlinge, die via Ungarn nach Österreich gekommen sind. (sda/dpa/feb)