Während die Konzerne gerade mit ihren Black-Friday-Deals werben, veröffentlicht Netflix die Doku zum Thema Massenkonsum: «Buy Now – The Shopping Conspiracy».
Der Film deckt auf, wie uns Konzerne manipulieren, immer mehr Produkte zu kaufen. Ehemalige Arbeiterinnen und Arbeiter von Amazon, Apple und Adidas sprechen über die absurden Praktiken der Konzerne, die auch heute noch angewendet werden.
Das sind die Tricks – und ihre Folgen:
Es ist längst keine Verschwörung mehr, dass viele Produkte so hergestellt sind, dass sie schnell kaputtgehen und nicht repariert werden können – von Kleidung, die nach wenigen Waschgängen verzogen ist, bis hin zu Computer-Akkus, die fest verbaut sind.
Dieses Phänomen hat einen Namen: Obsoleszenz oder auch Verschleiss.
Ein Paradebeispiel dafür ist die Glühbirne. Ihre Lebensdauer ist einst verkürzt worden, um den Umsatz anzukurbeln. Doch diese Strategie bringt nicht nur den Leuchtmittelproduzenten glänzende Umsätze.
Der ehemalige Apple-Entwickler Nirha Pate, der unter anderem FaceTime mit entworfen hat, sagt: «Jeden Tag werden etwa 13 Millionen Smartphones weggeworfen. Und obwohl diese Geräte unglaublich fortschrittlich und teuer sind und quasi den Gipfel unserer industriellen Leistungsfähigkeit als Zivilisation darstellen, handelt es sich um Wegwerfartikel. Das ist einfach nur krank.»
Im Schnitt kaufen wir alle zwei, drei Jahre ein neues Smartphone, so Pate. Oftmals nicht, weil wir immer das Neuste haben wollen, sondern weil es einfach nicht dafür gemacht ist, lange zu halten.
«Reparaturen sind systematisch aus unserem Leben verschwunden», sagt Kyle Wiens, Gründer des Unternehmens I Fix it, das Geräte zu reparieren versucht. Dies sei in den letzten Jahren zu einer Herkulesaufgabe geworden.
Die Unternehmen entziehen einem nicht nur die Informationen, wie man die Geräte flicken kann, so Wiens, sondern erschweren auch die Reparatur. So werden beispielsweise Geräte zusammengeklebt oder verschweisst, sodass sie sich nicht mehr öffnen lassen.
Diese Entwicklung hat Wiens zu einem Reparaturrebellen gemacht. Auf seiner Webseite stellt er Reparaturanleitungen zur Verfügung. Zum Ärger der Konzerne. Immer wieder erhalte er Unterlassungsklagen. «Die Anwälte versuchen, dieses Wissen für die Welt zu zensieren», sagt Wiens.
Die Amerikanerin Anna Sacks durchstöbert Abfallcontainer, sucht nach Lebensmittel und wiederverwendbaren Gegenständen und versucht nachzuforschen, was die Unternehmen alles wegwerfen.
Dabei stösst sie immer mal wieder auf unbrauchbar gemachte Produkte: «Die Ware wird manchmal absichtlich aufgeschlitzt, damit sie niemand mehr nutzen kann. Viele Unternehmen versuchen so auch, Preisnachlässe zu verhindern, weil das Markenimage sonst als billig angesehen wird.»
Sacks ermutigte Mitarbeitende des Einzelhandels, darüber zu sprechen, wie sie Waren absichtlich zerstören mussten. Unter dem Hashtag #RetailMadeMe erzählen sie ihre Erlebnisse:
Jim Puckett – auch bekannt als der «James Bond des Abfalls» – spürt seit Jahren illegal entsorgte Abfälle auf. Dazu stattet er Waren mit Trackern aus, bringt sie zu Recyclingstellen und verfolgt, wo sie tatsächlich landen. Abfall gab es schon immer, doch heute ist er giftiger und deutlich schwerer abbaubar, so Puckett.
In der Doku zeigt Jim Puckett, wie er arbeitet: In Dresden, Deutschland, entsorgt er einen Monitor, den er mit einem Tracker ausgestattet hat. Der Monitor wird über Antwerpen nach Thailand gebracht.
Trotz internationaler Verbote (Basler Konvention) wird Elektroschrott häufig in Entwicklungsländer exportiert, wo Menschen Edelmetalle aus den Geräten extrahieren.
Puckett reist nach Thailand, um aufzeigen, was dort mit dem Abfall geschieht. Tatsächlich zerschmettern Arbeiter Elektroschrott von Hand. Dabei werden hochgiftige Substanzen wie Blei, Quecksilber oder bromierte Flammschutzmittel freigesetzt, welche die Gesundheit der Arbeiter gefährden und der Umwelt schaden, indem sie ins Wasser oder in den Boden gelangen. «Es handelt sich also nicht nur um Abfall, sondern um Gift-Müll», so Puckett.
Einige Unternehmen bieten Recyclingboxen an – mit dem Versprechen, den Artikeln ein zweites Leben zu schenken. Doch letztlich geht es darum, den Konsum weiter voranzutreiben.
Viele der gespendeten Kleider werden in Ländern wie Ghana exportiert. Dort finden die meisten Stücke nicht etwa ein zweites Zuhause, sondern haben sich zu einer Plage entwickelt. Die Menge ist kaum zu überwältigen. «Wir sind ungefähr 30 Millionen Menschen in Ghana, jede Woche kommen 15 Millionen Kleidungsstücke an», sagt die ghanaische Designerin Chloe Asaam.
Doch der Umfang ist nicht das einzige Problem. Viele Teile sind aufgrund ihrer schlechten und billigen Herstellung unbrauchbar. Weil Entsorgungsstellen fehlen, werden sie an den Stränden abgeladen und schliesslich ins Meer gespült.
Einst war Maren Costa als User Experience Design bei Amazon daran beteiligt, impulsive Onlinekäufe zu fördern. Heute ist die Umweltaktivistin.
«Bei Amazon arbeitete ich zu einem Zeitpunkt, da schien es mir unmöglich, die Leute dazu zu bringen, etwas online zu kaufen. Es war eine seltsame Vorstellung, dass man selbst nur eine Jeans online kaufen würden», so Costas.
Doch Amazon schafft es, den Online-Jeans-Kauf zu einer Gewohnheit zu machen und das Konsumverhalten nachhaltig zu verändern – aber nicht im grünen Sinne.
Amazon beeinflusst unser Kaufverhalten auch auf subtile Weise, verrät Maren Costa. «Wir haben unendlich viele Farben und Textvariationen getestet, um herauszufinden, was am meisten Geld einbringt. Sogar die Farben des Buy Now-Buttons wurden bis ins kleinste Detail erforscht.»
Online-Shopping ist nicht nur bequem, er ist auch verlockend. «Weil ein Kauf nur einen Mausklick entfernt liegt, überlegt man weniger, ob man etwa wirklich braucht und kauft mehr», so Costa.
Durch ihre Arbeit im Unternehmen wurden Costa zunehmende bewusst, was der Onlinehandel für einen enormen Einfluss auf die Umwelt hat. Dagegen wollte sie etwas tun. Gemeinsam mit andern Mitarbeitenden konnte sie etwa einen Klimaplan erwirken.
Amazon rühmte sich mit dem Plan. Doch die Emissionen stiegen weiter an, so Costa. Als sie das Unternehmen darauf hinwies, wurde sie entlassen.