Mehr als zwei Jahre lang hat das Corona-Virus die Welt in Atem gehalten: Vom Mount-Everest bis in die Antarktis, Corona war überall. Ausser in Nordkorea. Bis jetzt.
Während hierzulande nach über zwei Jahren Pandemie wieder Normalität Einzug zu halten scheint, berichtete die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA am 12. Mai 2022 von den ersten Coronafällen überhaupt im Land: mehrere fiebernde Patienten in der Hauptstadt Pjöngjang, die positiv auf die Sars-CoV-2-Variante Omikron getestet wurden. Einen Tag später hiess es, das Virus habe sich im ganzen Land verbreitet.
Nordkorea meldet am 15. Mai mindestens 1'213'550 «Fälle von Fieber», die sich seit Ende April «explosionsartig» ausgebreitet hätten. Davon seien 648'630 Personen bereits wieder genesen, 564'860 Personen würden medizinisch behandelt. 50 Menschen seien verstorben.
Diese Corona-Infektionen bedeuteten für Nordkorea den «grössten Umbruch für das Land seit der Gründung», wie der Oberste Führer Kim Jong-un bei einer Sitzung des Politbüros der herrschenden Arbeiterpartei am Donnerstag laut BBC erklärte.
Kims Lösung gegen das Corona-Virus: Ein Lockdown für alle Städte und Landkreise. Aufgrund des «hohen politischen Bewusstseins des Volkes» werde die Notlage schnell überwunden, sei sich Kim aber sicher, wie KCNA schreibt.
Trotzdem soll Kim bei einer Dringlichkeitssitzung von Spitzenbeamten am Sonntag gepoltert haben, dass die vom Staat bereitgestellten Medikamente nicht rechtzeitig über die Apotheken an die Menschen verteilt würden. Zudem kritisierte Kim sein Kabinett und warf den Beamten in Bezug auf die Eindämmung der Corona-Epidemie «unverantwortliche Arbeit» und mangelhafte «Organisation und Ausführung» vor, wie CNN unter Berufung auf die KCNA schreibt.
Im Anschluss an dieses Treffen am Sonntag habe Kim Apotheken in der Hauptstadt besucht, wo er auf den Mangel an Medikamenten hingewiesen habe.
Mittlerweile habe Kim die schweren Geschütze gegen Corona aufgefahren: Der sofortige Einsatz der «starken Kräfte» des Sanitätskorps der Armee wurde befohlen, um «die Versorgung mit Medikamenten in Pjöngjang zu stabilisieren», wie Reuters am Montag schreibt.
Bereits am 21. Januar 2020 wurden die nordkoreanischen Grenzen vollständig geschlossen. Im Juli 2020 berichteten nordkoreanische Staatsmedien, dass ein Nordkoreaner, der Jahre zuvor nach Südkorea geflohen sei, wieder zurückgekommen wäre – möglicherweise mit Corona im Gepäck. Diese Nachricht scheint sich aber als falscher Alarm herausgestellt zu haben – zumindest wurde nicht weiter darüber berichtet.
Es ist nicht bekannt, ob Nordkorea Impfstoffe gegen das Coronavirus importiert hat, obwohl das Land am weltweiten Covid-19-Impfstoffaustauschprogramm Covax teilnimmt. Sicher sei aber, dass das Land noch nicht mit einer systematischen Impfkampagne begonnen habe, weshalb die Gefahr bestehe, dass sich das Virus schnell unter den Massen ausbreite, wie der WHO-Regionaldirektorin für Südostasien, Poonam Khetrapal Singh, in einem Medienstatement bekannt gab.
Südkorea bot darum am Montag Hilfe an, wie CNN schreibt. Das Angebot des neu gewählten südkoreanischen Präsidenten, Yoon Suk Yeol, beinhalte medizinische Hilfsgütern, Impfstoffe, Masken und Testkits sowie Gesundheitspersonal, wie das südkoreanische Ministerium verkündete. Ob Nordkorea das Angebot annehmen werde, steht noch aus.
Neben der aktuellen Corona-Situation bedroht noch eine zweite Krise die gesundheitliche Situation in Nordkorea: Der UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage in Nordkorea, Tomás Ojea Quintana, warnte in einem Bericht vom März vor der «ernsten Nahrungsmittelkrise», die Nordkorea bereits seit längerem im Griff habe – und die durch die rigorose Abschottung im Zuge der Coronapandemie noch verstärkt wurde. So hätten aktuell nur 29 Prozent der Kinder im Alter von sechs bis 23 Monaten ausreichend Nahrung.
Wie sich die Pandemie in Nordkorea entwickeln wird, bleibt angesichts der Geheimniskrämerei des Landes wahrscheinlich im Dunkeln. Es wird aber befürchtet, dass Covid katastrophale Folgen für Nordkorea haben könnte.
(yam)