Hochwasser-Katastrophe in Pakistan: «Wir sind am Leben, aber wir können nicht mehr leben»
Es sind die schlimmsten Überschwemmungen seit einem Jahrzehnt, die Millionen von Pakistani an Hab und Gut sowie Leib und Leben bedrohen. Das südasiatische Land mit seinen rund 220 Millionen Einwohnern leidet seit Mitte Juni unter ungewöhnlich starkem Monsunregen.
Die pakistanische Klimaministerin, Sherry Rehman, sagte:
Die beispiellose Monsunzeit hat alle vier pakistanischen Provinzen regelrecht heimgesucht: Fast eine Million Häuser wurden zerstört oder schwer beschädigt, zahlreiche Strassen sind unpassierbar und 33 Millionen Menschen haben zeitweise oder dauerhaft keinen Strom.
Die Zahl der Menschen, die seit Juni wegen den Überschwemmungen starben, sei auf über 1100 geklettert, wie die nationale Katastrophenschutzbehörde des Landes mitteilte. Alleine am Montag seien mindestens 75 Menschen ums Leben gekommen. Abgeschnittene Dörfer im gebirgigen Norden hätten die Behörden aber noch nicht kontaktieren können – über den Zustand der Infrastruktur oder die Zahl der Opfer dort gibt es darum noch keine gesicherten Berichte.
Hier einige Impressionen in Bewegtbild:
Wie dramatisch die Lage für die Menschen ist, erzählt die 25-jährige Lehrerin Rasheedan Sodhar gegenüber Al-Jazeera. Sie musste mehr als 20 km zu Fuss zurücklegen, um sich in Sicherheit zu bringen, nachdem ihr Dorf in der südlichen Provinz Sindh vom Wasser überflutet worden war.
Ihre Lebensgrundlage – eine Herde von 30 Tieren – habe die Familie nicht retten können, fügt sie an.
Etwa 180'000 Menschen wurden alleine aus der Stadt Charsadda und etwa 150'000 Menschen aus dem Distrikt Nowshera im Nordwesten der Provinz Khyber Pakhtunkhwa evakuiert, wie ein Sprecher der Provinzregierung mitteilte.
Viele dieser Menschen seien nun gezwungen, auf der Strasse oder in provisorischen Unterkünften zu leben.
Sturzfluten infolge der heftigen Regenfälle haben Dörfer und Ernten weggespült.
Der Aussenminister Bilawal Bhutto Zardari sagte am Sonntag gegenüber Reuters:
Die Regierung hat am vergangenen Donnerstag den nationalen Notstand ausgerufen und um internationale Hilfe gebeten. Am Sonntag trafen die ersten Hilfsflüge aus der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten ein, um die Hilfsbedürftigen mit Zelten, Lebensmittel oder Dingen des täglichen Bedarfs zu versorgen. Der Rote Halbmond von Katar hat ebenfalls Soforthilfe zugesagt.
Finanzminister Miftah Ismail hatte gegenüber Al-Jazeera erklärt, dass die Überschwemmungen einen geschätzten Schaden von mindestens 10 Milliarden US-Dollar verursachten.
Dafür sind 116 Millionen Dollar (rund 112,6 Mio Franken) nötig, wie der Sprecher des UN-Nothilfebüros (OCHA), Jens Laerke, sagte. Es seien die schlimmsten Überschwemmungen in Pakistan seit Jahrzehnten. Die Behörden gehen davon aus, dass die seit Juni anhaltenden schweren Regenfälle sich noch fortsetzen.
Nach seinen Angaben sind 33 Millionen Menschen betroffen, mehr als 1000 sind ums Leben gekommen. Mehr als eine Million Häuser sind beschädigt worden, und Bauern haben rund 700'000 Tiere verloren. Eine halbe Million Menschen ist obdachlos geworden. Viele seien von Verwandten und anderen aufgenommen worden, andere lebten in Camps. Es müssten schnell neue Behausungen gebaut werden.
Der Hilfsplan sieht unter anderem medizinische Hilfe vor. Dabei geht es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowohl um Verletzungen etwa durch von den Wassermassen mitgerissene Trümmer und Schutt, elektrische Schocks, durch abgerissene Kabel und Infektionen wie Cholera, die sich ausbreiten, wenn mit Fäkalien verseuchtes Abwasser nicht richtig entsorgt wird.
Auch chronisch Kranke wie Diabetiker und Schwangere müssten in der Notlage weiter versorgt werden. Fast 900 Gesundheitseinrichtungen seien zerstört oder beschädigt worden. Pakistan habe schon vor den Überschwemmungen viele mangelernährte Kinder gehabt, berichtete das Kinderhilfswerk Unicef. Sie müssten jetzt besonders unterstützt werden. (sda/dpa)
(yam)
