Video: watson/lucas zollinger
30.08.2022, 11:3030.08.2022, 14:39
Wo das Wasser nicht steht, gibt es Matsch: Die Strassen von Charsadda, 28. August 2022.Bild: keystone
Es sind die schlimmsten Überschwemmungen seit einem Jahrzehnt, die Millionen von Pakistani an Hab und Gut sowie Leib und Leben bedrohen. Das südasiatische Land mit seinen rund 220 Millionen Einwohnern leidet seit Mitte Juni unter ungewöhnlich starkem Monsunregen.
Die pakistanische Klimaministerin, Sherry Rehman, sagte:
«Dies ist alles andere als ein normaler Monsun – es ist eine Klimadystopie vor unserer Haustür.»
Männer versuchen ihre Möbel auf einem Schiff zu retten, Larkana, 29. August 2022. Bild: keystone
Eine Familie bewacht ihre letzten Habseligkeiten in der Stadt Sohbat Pur im Südwesten des Landes, 28. August 2022.Bild: keystone
Menschen transportieren ihre Möbel per Boot durch die gefluteten Strassen von Larkana, 29. August 2022.Bild: keystone
Die beispiellose Monsunzeit hat alle vier pakistanischen Provinzen regelrecht heimgesucht: Fast eine Million Häuser wurden zerstört oder schwer beschädigt, zahlreiche Strassen sind unpassierbar und 33 Millionen Menschen haben zeitweise oder dauerhaft keinen Strom.
Die Zahl der Menschen, die seit Juni wegen den Überschwemmungen starben, sei auf über 1100 geklettert, wie die nationale Katastrophenschutzbehörde des Landes mitteilte. Alleine am Montag seien mindestens 75 Menschen ums Leben gekommen. Abgeschnittene Dörfer im gebirgigen Norden hätten die Behörden aber noch nicht kontaktieren können – über den Zustand der Infrastruktur oder die Zahl der Opfer dort gibt es darum noch keine gesicherten Berichte.
Hier einige Impressionen in Bewegtbild:
Video: watson/lucas zollinger
Ein Kind sitzt in den Ruinen eines zerstörten Hauses, Hyderabad, 29. August 2022.Bild: keystone
Überflutete Strassen und Häuser in Kalam, 29. August 2022.Bild: keystone
Ein zerstörtes Haus in Kalam, 30. August 2022.Bild: keystone
Wie dramatisch die Lage für die Menschen ist, erzählt die 25-jährige Lehrerin Rasheedan Sodhar gegenüber Al-Jazeera. Sie musste mehr als 20 km zu Fuss zurücklegen, um sich in Sicherheit zu bringen, nachdem ihr Dorf in der südlichen Provinz Sindh vom Wasser überflutet worden war.
«Wir sind eine 20-köpfige Familie, und am Sonntag wurden wir aufgefordert, das Dorf sofort zu verlassen. Wir haben nichts mehr. Wir sind am Leben, aber wir können nicht mehr leben.»
Ihre Lebensgrundlage – eine Herde von 30 Tieren – habe die Familie nicht retten können, fügt sie an.
Ein verletztes Mädchen wird von Gesundheitspersonal betreut, Charsadda, 29. August 2022.Bild: keystone
Zwei Männer tragen Kinder durch die überfluteten Strassen, Nowshera, 29. August 2022.Bild: keystone
Diese Frauen waschen Kleider, nachdem sie in einem Regierungsgebäude Schutz gefunden haben, Karachi, 29. August 2022.Bild: keystone
Etwa 180'000 Menschen wurden alleine aus der Stadt Charsadda und etwa 150'000 Menschen aus dem Distrikt Nowshera im Nordwesten der Provinz Khyber Pakhtunkhwa evakuiert, wie ein Sprecher der Provinzregierung mitteilte.
Viele dieser Menschen seien nun gezwungen, auf der Strasse oder in provisorischen Unterkünften zu leben.
Menschen stehen an, um Essen zu erhalten, das die Armee verteilt, Rajanpur, 27. August 2022.Bild: keystone
Die Armee verteilt Hilfsgüter in Hyderabad, 27. August 2022.Bild: keystone
Sturzfluten infolge der heftigen Regenfälle haben Dörfer und Ernten weggespült.
Der Aussenminister Bilawal Bhutto Zardari sagte am Sonntag gegenüber Reuters:
«Ich habe noch nie eine Zerstörung dieses Ausmasses gesehen, es fällt mir sehr schwer, es in Worte zu fassen (...), es ist überwältigend.»
Ein alter Mann watet durch die Strassen auf der Flucht vor den Fluten, Peshawar, 28. August 2022.Bild: keystone
Diese Kinder sind vor den Fluten in Charsadda geflüchtet. Sie haben in einem Zelt am Strassenrand Schutz gefunden, 28. August 2022.Bild: keystone
Die Regierung hat am vergangenen Donnerstag den nationalen Notstand ausgerufen und um internationale Hilfe gebeten. Am Sonntag trafen die ersten Hilfsflüge aus der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten ein, um die Hilfsbedürftigen mit Zelten, Lebensmittel oder Dingen des täglichen Bedarfs zu versorgen. Der Rote Halbmond von Katar hat ebenfalls Soforthilfe zugesagt.
Finanzminister Miftah Ismail hatte gegenüber Al-Jazeera erklärt, dass die Überschwemmungen einen geschätzten Schaden von mindestens 10 Milliarden US-Dollar verursachten.
Das ist alles, was dieser Frau von ihrem Zuhause geblieben ist. Sie wartet auf Hilfe in Hyderabad, 29. August 2022.Bild: keystone
UN-Spendenaufruf wegen verheerender Überschwemmungen
Die Vereinten Nationen haben am Dienstag in Genf zusammen mit der Regierung Pakistans einen ersten Hilfsplan für sechs Monate vorgestellt.
Dafür sind 116 Millionen Dollar (rund 112,6 Mio Franken) nötig, wie der Sprecher des UN-Nothilfebüros (OCHA), Jens Laerke, sagte. Es seien die schlimmsten Überschwemmungen in Pakistan seit Jahrzehnten. Die Behörden gehen davon aus, dass die seit Juni anhaltenden schweren Regenfälle sich noch fortsetzen.
Nach seinen Angaben sind 33 Millionen Menschen betroffen, mehr als 1000 sind ums Leben gekommen. Mehr als eine Million Häuser sind beschädigt worden, und Bauern haben rund 700'000 Tiere verloren. Eine halbe Million Menschen ist obdachlos geworden. Viele seien von Verwandten und anderen aufgenommen worden, andere lebten in Camps. Es müssten schnell neue Behausungen gebaut werden.
Der Hilfsplan sieht unter anderem medizinische Hilfe vor. Dabei geht es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowohl um Verletzungen etwa durch von den Wassermassen mitgerissene Trümmer und Schutt, elektrische Schocks, durch abgerissene Kabel und Infektionen wie Cholera, die sich ausbreiten, wenn mit Fäkalien verseuchtes Abwasser nicht richtig entsorgt wird.
Auch chronisch Kranke wie Diabetiker und Schwangere müssten in der Notlage weiter versorgt werden. Fast 900 Gesundheitseinrichtungen seien zerstört oder beschädigt worden. Pakistan habe schon vor den Überschwemmungen viele mangelernährte Kinder gehabt, berichtete das Kinderhilfswerk Unicef. Sie müssten jetzt besonders unterstützt werden. (sda/dpa)
(yam)
Mädchen, die die Welt verändern
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