International
Papst

Papst Leo mahnt zu Einigkeit und rügt ungezügelten Kapitalismus

Pope Leo XIV waves from aboard the popemobile as he is driven through the crowd for the formal inauguration of his pontificate with a Mass in St. Peter's Square attended by heads of state, royalt ...
Kurz vor der Messe zu seiner offiziellen Amtseinführung hat der neue Papst Leo XIV. erstmals im Papamobil eine Runde über den Petersplatz gedreht.Bild: keystone

Papst mahnt zu Einigkeit und rügt ungezügelten Kapitalismus

18.05.2025, 15:0218.05.2025, 18:24
Mehr «International»

Der neue Papst Leo XIV. hat die feierliche Messe zu seiner Amtseinführung zu deutlicher Kritik am Kapitalismus genutzt. In seiner ersten Predigt vor etwa 150'000 Menschen auf dem Petersplatz beklagte das neue Oberhaupt der katholischen Kirche, die Ärmsten der Welt dürften nicht noch weiter an den Rand gedrängt werden. Zugleich mahnte er zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit Natur und Umwelt.

Als einen der ersten Staatsgäste empfing der 69-Jährige den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zur Audienz. Für US-Vizepräsident JD Vance hatte der erste Papst mit amerikanischer Staatsbürgerschaft zunächst keine Zeit.

Der bisherige Kardinal Robert Francis Prevost war vor eineinhalb Wochen überraschend schnell zum Nachfolger von Papst Franziskus gewählt worden: Das Konklave dauerte nicht einmal 24 Stunden. Am Sonntag bekam Leo alle Insignien seines Amtes, auch den Fischerring. Damit wird an den Apostel und ersten Papst Petrus erinnert, der Fischer war. Der katholischen Lehre zufolge soll Leo als Stellvertreter Christi auf Erden als «Menschenfischer» wirken.

Papst mahnt: Ärmste nicht noch weiter an Rand drängen

Der US-Amerikaner machte in seiner Predigt deutlich, dass er sich in der Linie seines argentinischen Vorgängers Franziskus sieht, der sich besonders für Menschen am Rande der Gesellschaft eingesetzt hat. Wörtlich sagte Papst Leo:

«In unserer Zeit erleben wir noch immer zu viel Zwietracht, zu viele Wunden, die durch Hass, Gewalt, Vorurteile, Angst vor dem Anderen und durch ein Wirtschaftsmodell verursacht werden, das die Ressourcen der Erde ausbeutet und die Ärmsten an den Rand drängt.»

Damit nahm er explizit andere Positionen ein als US-Präsident Donald Trump, der nach seinem Besuch bei der Trauerfeier für Franziskus auf eine neue Reise in den Vatikan verzichtete.

Für Deutschland waren Bundeskanzler Friedrich Merz und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) dabei. Der CDU-Chef sagte zu Leos Kapitalismuskritik, es gehöre zu den «ureigensten Aufgaben» des Papstes, auf solche Fragen aufmerksam zu machen.

«Ich fühle mich in dem, was wir soziale Marktwirtschaft in Deutschland nennen, damit nur sehr begrenzt angesprochen.»
Friedrich Merz

«Komme mit Furcht und Zittern zu euch»

In seiner auf Italienisch gehaltenen Predigt zeigte sich Leo demütig. «Ich wurde ohne jegliches Verdienst ausgewählt und komme mit Furcht und Zittern zu euch», bekannte er. Aus seiner Zeit als Missionar und Bischof in Peru hat Leo auch die Staatsbürgerschaft des südamerikanischen Landes. Perus Präsidentin Dina Boluarte war ebenfalls unter den Ehrengästen.

Mit US-Vize Vance wird es vermutlich am Montag noch ein Treffen geben. Als Kardinal hatte Leo den Umgang der US-Regierung mit Migranten offen kritisiert. Der Trump-Stellvertreter, der 2019 zum katholischen Glauben übergetreten war, war der letzte ausländische Besucher bei Papst Franziskus. Am Tag nach dem Treffen, dem Ostermontag, starb der Argentinier mit 88 Jahren.

Wieder ein Appell für Frieden weltweit

Nachfolger Leo hob als grössten Wunsch die Einheit der Kirche hervor: «Liebe Brüder und Schwestern, ich würde mir wünschen, dass dies unser erstes grosses Verlangen ist: eine geeinte Kirche.» Damit spielte er auf die Richtungskämpfe innerhalb der katholischen Weltkirche zwischen Reformern und Konservativen an.

Leo selbst gilt als Brückenbauer (wörtlich: Pontifex), der zwischen den Lagern vermitteln kann. Zur eigenen Rolle und der Rolle der Kirche meinte er: «Es geht niemals darum, andere durch Zwang, religiöse Propaganda oder Machtmittel zu vereinnahmen, sondern immer und ausschliesslich darum, so zu lieben, wie Jesus es getan hat.» Ausdrücklich mahnte er wieder Frieden im Gazastreifen, in Myanmar und in der Ukraine an.

Umarmung mit dem Bruder

Vor Beginn der Messe hatte der neue Papst erstmals eine Runde im Papamobil durch die Menschenmenge auf dem Petersplatz gedreht. Im Unterschied zu Franziskus, der gegen Ende seiner Amtszeit aus gesundheitlichen Gründen meist sitzen blieb, stand er aufrecht. In der Menge waren zahlreiche US-Flaggen zu sehen, aber auch peruanische Fahnen. Nach der Amtseinführung begrüsste er die zahlreichen Ehrengäste mit Handschlag. Einen seiner Brüder, der eigens aus den USA angereist war, begrüsste er über alle Grenzen des Protokolls hinweg mit einer Umarmung.

Leo ist der 267. Papst in zwei Jahrtausenden Kirchengeschichte. Der katholischen Glaubenslehre zufolge ist er Nachfolger des Apostels Petrus und Stellvertreter von Jesus Christus auf Erden. Zudem ist er Bischof von Rom, Primas von Italien und Staatsoberhaupt des Vatikans. Grosse weltliche Macht hat er nicht. Er ist aber für viele Menschen eine moralische Autorität. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Der neue Papst Leo XIV.
1 / 21
Der neue Papst Leo XIV.

Am Donnerstag, dem zweiten Wahltag, schauten Gläubige ganz gespannt auf den Schornstein der sixtinische Kapelle auf dem Petersplatz.

quelle: keystone / giuseppe lami
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das ist der neue Papst
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
2 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
2
    «Jede Explosion, jeder Schuss reisst die Wunde wieder auf»
    Eine nukleare Eskalation um Kaschmir scheint vorerst gebannt. Auf beiden Seiten herrschen Trauer und Wut. In Indien wecken dunkle Erinnerungen neue Ängste.

    Ghatkopar East ist ein dicht besiedelter Vorort im Osten der westindischen Metropole Mumbai. Es ist Freitag, der 9. Mai, und auf einer Zufahrtsstrasse zwischen Wohnhäusern, einem Polizeiposten, kleinen Geschäften und hupenden Rikschas haben sich vor einem Tempel zahlreiche Menschen versammelt. Sie halten Kerzen in den Händen, einige haben Tränen in den Augen. Sie sind zu einer improvisierten Gedenkfeier für Murali Naik gekommen, der hier aufwuchs. Der 25-jährige Soldat ist kurz zuvor bei Gefechten an der Waffenstillstandslinie zwischen Indien und Pakistan getötet worden, im indischen Teil Kaschmirs.

    Zur Story