Papst Franziskus ist tot. Die Gesundheit machte dem Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche schon seit Längerem zu schaffen; im März hatte der 88-jährige Pontifex maximus, dem als jungem Mann der obere Teil des rechten Lungenflügels entfernt werden musste, eine beidseitige Lungenentzündung. Nachdem er sich etwas erholt hatte, ist er am 21. April, dem Ostermontag 2025, seiner Krankheit erlegen.
Mit Franziskus ist ein Papst gestorben, dessen Amtsantritt vor gut zwölf Jahren grosse Hoffnungen weckte. Der Kontrast zu seinem Vorgänger Benedikt XVI., der als stockkonservativer Theologe und abgehobener Intellektueller wenig volksnah wirkte, war frappant: Franziskus verzichtete bei seinem ersten öffentlichen Auftritt auf das grosse Goldkreuz und trug nicht die traditionellen roten Papstschuhe, sondern seine eigenen schwarzen Strassenschuhe.
Diese Bescheidenheit war Programm: Nicht zufällig wählte Franziskus, am 17. Dezember 1936 als Jorge Mario Bergoglio in Buenos Aires geboren, seinen Papstnamen zu Ehren des Heiligen Franz von Assisi, Bettelmönch und Patron der Armen. Bergoglio, der in seinen jungen Jahren unter anderem als Türsteher und Hauswart gearbeitet hatte, galt als «Mann aus dem Volk», der frischen Wind in die verknöcherte römische Kurie bringen werde.
Seine Wahl zum 266. Bischof von Rom und damit zum Papst stellte gleich in mehrfacher Hinsicht ein Novum dar: Der Argentinier mit italienischen Wurzeln war der erste gebürtige Nichteuropäer in diesem Amt seit Gregor III. im 8. Jahrhundert. Er war der erste Papst seit einem halben Jahrtausend, dessen Vorgänger zurückgetreten war und noch lebte. Er war der erste Papst, der den Namen Franziskus wählte, und der erste, der dem Jesuiten-Orden angehörte.
Dieser Ordensgemeinschaft war Bergoglio 1958 beigetreten, nachdem er sich von einer schweren Krankheit erholt hatte. 1969 wurde er zum Priester geweiht; danach leitete er von 1973 bis 1979 die argentinische Provinz des Jesuitenordens. In diese Zeit reichen Vorwürfe an Bergoglio zurück, er habe zwei Priester des Jesuitenordens an die Schergen der Militärjunta ausgeliefert. Seine Rolle in diesen dunklen Jahren der argentinischen Militärdiktatur ist umstritten; die Vorwürfe wurden jedoch nie hieb- und stichfest bewiesen.
Von 1980 bis 1986 war Bergoglio Rektor der Theologischen Fakultät der Universidad del Salvador in San Miguel. 1992 wurde er zum Weihbischof in Buenos Aires berufen, ab 1998 war er Erzbischof der Hauptstadt. Drei Jahre später erhielt er den Kardinalspurpur von Papst Johannes Paul II. Nach dessen Tod 2005 hatte er Aussichten, die Wahl zum Papst zu gewinnen, unterlag im Konklave jedoch dem Deutschen Joseph Ratzinger, der sich als Papst Benedikt XVI. nannte. Als dieser 2013 zurücktrat, galt Bergoglio aufgrund seines Alters und seiner angeschlagenen Gesundheit nicht als aussichtsreicher Kandidat, obsiegte aber überraschend im fünften Wahlgang.
Als Franziskus am 19. März 2013 die Papst-Insignien erhielt, steckte die Kirche tief in Problemen: Der Missbrauchsskandal, der das Vertrauen vieler Christen in ihre Institutionen auch heute noch erschüttert, führte dazu, dass sich – besonders in der westlichen Welt – zahlreiche Gläubige von der Kirche abwandten. Zwar verurteilte Franziskus den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch kirchliche Amtsträger scharf, aber die Verschleppung und Vertuschung solcher Fälle hielt gleichwohl an.
Franziskus war eben gar kein Reformer im Sinne einer strukturellen Erneuerung der Kirche, die gerade in der westlichen Welt grosse Mühe bekundet, die zusehends entfremdeten Gläubigen zu halten. Die Erneuerung, die ihm am Herzen lag, bezog sich eher auf den Umgang der Kirche mit den «Sündern» und insbesondere den Ärmsten. Darin zeigte sich seine Prägung durch die «Theologie des Volkes», einer argentinischen Variante der Befreiungstheologie. In dieser gründet auch seine scharfe Kritik an den Auswüchsen eines unreglementierten Kapitalismus.
Der Kampf gegen die weltweite Armut gehörte für ihn zudem untrennbar mit dem Kampf gegen die Zerstörung der Umwelt zusammen, wie seine zweite Enzyklika «Laudato si'» zeigt. Von seinen Warnungen vor den ökologischen Gefahren und seiner Forderung von Massnahmen gegen die Umweltzerstörung führt eine direkte Linie zu den Lehren des Franz von Assisi, den die Kirche 1979 zum «himmlischen Patron des Natur- und Umweltschutzes» erklärt hatte.
In Fragen der Lehre war der Papst indes nahezu so konservativ wie seine beiden Vorgänger. Er hielt am Zölibat und am Verbot der Frauenordination fest und verglich Abtreibungen mit einem Auftragsmord: «Einen Menschen zu beseitigen ist wie die Inanspruchnahme eines Auftragsmörders, um ein Problem zu lösen», sagte er 2018 während einer Generalaudienz auf dem Petersplatz.
Auch Verhütungsmittel – es sei denn, sie dienten der Verhinderung von epidemischen Krankheiten – lehnte er kategorisch ab, genauso wie die gleichgeschlechtliche Ehe. Immerhin sprach er sich für die rechtliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft aus. Praktizierte Homosexualität bezeichnete er indes stets als Sünde, rief aber dazu auf, Homosexuelle nicht auszugrenzen: «Wenn einer Gay ist und den Herrn sucht und guten Willen hat – wer bin dann ich, ihn zu verurteilen?»
Mit dieser konservativen Haltung enttäuschte er die Hoffnungen der fortschrittlichen Katholiken, zumal im Westen. Doch der erste Papst aus Lateinamerika wusste sehr wohl, dass die Kirche nicht nur aus liberalen Katholiken in Europa und Amerika besteht, wo sich die Kluft zwischen Kirche und Gesellschaft immer weiter öffnet. Am stärksten wächst die Kirche derzeit in Afrika; dort liegt ihre Zukunft. Dort mögen viele Bischöfe sozialpolitisch fortschrittlich sein, gesellschaftspolitisch aber sind viele von ihnen konservativ.
Was wird bleiben von diesem Papst? Mit Sicherheit die Erinnerung an einen freundlichen, charismatischen Mann, der sein Amt mit Bescheidenheit ausübte. Der sich für die Ärmsten in aller Welt, aber auch vor seiner Haustür in Rom einsetzte, für Migranten und Schutzsuchende. Aber auch die Erinnerung an ein Kirchen-Oberhaupt, das die verkrusteten Strukturen und die Dogmen dieser 2000 Jahre alten Institution nicht aufbrechen konnte oder wollte.
Es wäre an der Zeit mit Zölibat, Missbrauch, hierarchischer Organisation und all den Lügen aufzuräumen und einen Neuanfang zu wagen.