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Putin und seine Superwaffen: So funktionieren Hyperschallraketen

Putin und seine Superwaffen: So funktionieren Hyperschallraketen

Die russische Armee setzt anscheinend Kinschal-Raketen ein. Ein Militärexperte der ETH Zürich erklärt, warum die Raketen mit Überschallgeschwindigkeit eine Gefahr darstellen.
22.03.2022, 11:5430.03.2022, 16:35
Bruno Knellwolf / ch media
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Der Schrecken nimmt kein Ende. Die russische Armee kommt nicht voran, wie von Wladimir Putin erhofft und gewünscht, und so setzen die Russen immer brutalere Waffen ein. Gemeldet werden Angriffe mit der Hyperschallrakete Ch-47M2 Kinschal, was auf Russisch Dolch bedeutet. Dieser Dolch ist eine etwa acht Meter lange Rakete, die extrem schnell fliegt. Putin hat die Kinschal-Raketen erstmals im März 2018 als eine von mehreren russischen Superwaffen in seiner Rede zur Nation vorgestellt.

Eine russische MiG-31 trägt eine Hyperschall-Rakete Kinschal. Hier bei einem Einsatz in Syrien.
Eine russische MiG-31 trägt eine Hyperschall-Rakete Kinschal. Hier bei einem Einsatz in Syrien.Russian Defense Ministry Press Service

Erste Tests in den Manövern an der ukrainischen Grenze

In den Manövern im Februar vor dem Angriff auf die Ukraine wurden diese Hyperschall-Raketen getestet, die von einem Flugzeug aus, einem Abfangjäger des Typs MiG-31, in grosser Höhe abgefeuert werden. Erst in sicherer Entfernung zum Flugzeug zündet das Raketentriebwerk der Kinschal in bis zu 20 Kilometer Höhe. Dabei soll die Rakete nach russischen Angaben eine zehnfache Schallgeschwindigkeit erreichen, was Alexander Bollfrass vom Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich bestätigt. Von einer MiG-31 aus hat die Kinschal-Rakete noch eine grosse Reichweite von 2000 Kilometern.

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Die zehnfache Überschallgeschwindigkeit sei aber nicht das Problem, sagt der Militärexperte der ETH. «Das Tempo ist nicht so beeindruckend, wie es vielleicht klingt. Fast alle herkömmlichen ballistischen Raketen fliegen mit Hyperschallgeschwindigkeit», sagt Bollfrass. Deshalb lehnten Raketenexperten die Bezeichnung «Hyperschall» als irreführendes Branding entschieden ab. Entscheidend ist etwas andere, wie Bollfrass erklärt:

«Bei Hyperschall-Raketen wie der Kinschal liegt der Vorteil nicht in der Geschwindigkeit, sondern in der Manövrierfähigkeit auf ihrer Flugbahn. Dadurch ist es schwieriger, ihren Start zu erkennen und ihre Flugbahn zu verfolgen. Sie abzufangen, ist deshalb viel schwieriger.»

Die bestehende Luftabwehr der Ukraine würde das nicht schaffen. Russland habe das Kinschal-Raketensystem ursprünglich mit dem Ziel gebaut, die amerikanische taktische Raketenabwehr zu umgehen. «Dies macht die Rakete nicht nur zu einer Bedrohung für Militärbasen in Europa, sondern auch für die amerikanischen Seestreitkräfte», sagt der ETH-Experte. Deshalb hat auch die US-Denkfabrik Center for Strategy and International Studies erklärt, die Kinschal könnte wichtige Infrastrukturen in Europa angreifen, Flugplätze und auch Nato-Schiffe auf dem Atlantik.

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Die Ukrainer haben keine Verteidigung gegen die russischen Hyperschall-Raketen. Die USA hätten vielleicht eine Chance, ihre Stützpunkte und Schiffe zu verteidigen, aber die Chancen stehen nach Bollfrass nicht gut. Aber auch beim Einsatz von Kinschal könnte Russland nicht sicher sein, dass jede Rakete bis zu ihrem Ziel durchkommt.

«Eigentlich gibt es keine militärische Logik dahinter»

Generell sei die Kinschal für die Ukrainer genauso gefährlich wie jede andere Rakete, welche die Russen auf die ukrainischen Städte und Militärbasen abfeuern. Nur weil sie aus einem Flugzeug abgefeuert werde, mache das die Auswirkungen am Boden nicht schlimmer. Deshalb gäbe es eigentlich auch keine militärische Logik, warum Russland nun Hyperschall-Raketen einsetzt. «Eine Erklärung wäre, dass das Arsenal an konventionellen Raketen zur Neige geht. Eine andere, dass Putin das neue Waffensystem vorführen will. Das Ziel könnte sein, ein Signal an die europäischen Regierungen zu senden, deren militärische Infrastruktur im Falle eines Nato-Russland-Krieges von der Kinschal ins Visier genommen werden könnte», sagt Bollfrass.

Die Kinschal kann bis zu 480 Kilogramm Sprengstoff oder auch einen nuklearen Sprengkopf tragen. Wie hoch die Sprengkraft der eingesetzten Hyperschall-Raketen war, wisse man noch nicht. «Moskau hat über jeden Aspekt des Krieges gelogen», sagt Bollfrass. Deshalb sei russischen Angaben nicht zu trauen und diese Behauptungen zu Kinschal seien nicht unabhängig überprüft worden.

Gefährliche russische Desinformationskampagne

Doch damit nicht genug - nach Bollfrass verfügt Russland über eine Fülle von Waffentypen, die in der Ukraine noch nicht zum Einsatz gekommen sind. Deshalb vermutet der ETH-Experte Böses hinter der russischen Desinformationskampagne, die besagt, in der Ukraine würden nukleare, biologische und andere Massenvernichtungswaffen hergestellt. Putins Behauptung ist absurd, könnte aber nach Bollfrass darauf hindeuten, dass er sich so eine Möglichkeit schaffen will, genau solche Waffen einzusetzen und dies dann der Ukraine anzulasten.

Hyperschall-Raketen werden auch von anderen Ländern entwickelt. In den USA habe das aber keine Priorität. Dagegen investiere China viel in die Entwicklung und Erprobung von Hyperschall-Raketen-Systemen. «Aus dem gleichen Grund wie Russland: um die amerikanische Raketenabwehr zu überwinden», sagt Alexander Bollfrass. (saw/aargauerzeitung.ch)

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Donny Drumpf
22.03.2022 12:36registriert November 2019
Wir wissen also, diese Raketen werden gebaut um die Amerikanische Raketenabwehr zu überwinden. Nun, es würde mich nicht wundern, wenn die Amerikaner bereits eine Abwehr haben, dies aber einfach nicht an die grosse Glocke hängen.
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sansibar
22.03.2022 12:35registriert März 2014
Stop it, Mr. Putin! 🤬
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