Vor dem Krieg waren sie ein Hobbypilot und ein Automechaniker, heute ist es die Aufgabe der beiden Männer, die die Kampfnamen «Maestro» und «Ninja» tragen, russische Drohnen vom Himmel zu holen. Dabei sitzen die beiden ukrainischen Soldaten allerdings nicht in einem modernen Kampfflugzeug, sondern in einer Jakowlew Jak-52. Einer Propellermaschine aus der Sowjetära, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr gebaut wird.
Dem «Wall Street Journal» gaben die Soldaten, die zur 11. Armeefliegerbrigade der Ukraine gehören, jüngst Einblicke in ihre Arbeit: Die Ziele von «Maestro» und «Ninja» sind dabei hauptsächlich russische Drohnen der Typen Shahed, Orlan und Zala. Während es sich bei der ersten um eine Kampfdrohne handelt, werden die anderen beiden Typen von Russland hauptsächlich zur Aufklärung genutzt.
Sobald die ukrainischen Soldaten einen der Flugkörper entdecken, kann die Jak-52 innerhalb von 15 Minuten in der Luft sein. Der Flieger kann Geschwindigkeiten von bis zu 300 Kilometer pro Stunde erreichen, was deutlich über dem Tempo der Drohnen liegt. Aufgrund der simplen Bauweise der Jak-52 besitzt das Flugzeug allerdings kein Radar. Deshalb fliegen die beiden nur tagsüber und sind in der Luft auf Funksprüche vom Boden angewiesen, um die genaue Position der Drohnen zu ermitteln.
Ist der Flieger nur noch 60 bis 90 Meter von der Drohne entfernt, versucht «Ninja», die Drohne mit einem Maschinengewehr oder einer Schrotflinte abzuschiessen. Dafür muss er sich aus dem Flieger lehnen. Für den Soldaten sei das vergleichbar mit dem Schiessen, während man auf einem Pferd reite:
Allerdings greift die Jak-Einheit auch auf eine andere Taktik zurück: Neben dem Abschiessen versuchen sie auch, die Drohnen mit ihrem Flügel umzudrehen, sodass diese im Flug die Kontrolle verlieren. Ähnlich war auch die britische Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg gegen die V1-Marschflugkörper der Wehrmacht vorgegangen.
Die ungewöhnlichen Taktiken sind Teil eines mehrstufigen Systems, mit dem die Ukraine sich mittlerweile gegen die russischen Luftangriffe verteidigt. Zum einen nutzt das Land moderne Waffen, zu denen unter anderem Kampfjets des Typs F-16 zählen. Daneben nutzt die Ukraine vor allem Boden-Luft-Raketen, die etwa mithilfe des Systems Patriot abgefeuert werden.
Da allerdings weder die Kampfjets noch die Flugabwehrsysteme in grossen Mengen vorhanden sind, wird eben auch auf Taktiken wie den Einsatz der alten Sowjetmaschinen gesetzt. Daneben sind auch mobile Teams im Einsatz, die vom Boden aus mit Handfeuerwaffen und Suchscheinwerfern auf Drohnenjagd gehen. Teilweise nutzen die Soldaten dafür Maschinengewehre, die auf Pick-up-Fahrzeugen montiert sind.
Trotz der veralteten Technik soll sich der Einsatz der Jak-52-Flugzeuge auszahlen. 10 bis 12 Prozent aller russischen Drohnen sollen täglich von den Jak-Fliegern abgeschossen werden, sagte Oberst Mykola Lychazkyj. Umgekehrt plant Russland, seine Drohnenproduktion in den kommenden Monaten weiter auszubauen.
Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR geht davon aus, dass Russland allein in diesem Jahr 79'000 Shahed-Drohnen produzieren möchte. Zuletzt wurde bereits ein deutlicher Anstieg beim Gebrauch der Drohnen verzeichnet: Wurden im Juli 2024 noch 423 Angriffe mit den Drohnen in der Ukraine registriert, waren es ein Jahr später 5337 monatlich.