Immer neue Steuern: So füllt Putin seine Kriegskasse
Kriege sind kostspielig. Sie fordern unzählige Menschenleben und verursachen unsägliches Leid. Und sie «vernichten» sehr viel Geld. Das gilt auch und erst recht für Wladimir Putins Angriffskrieg auf die Ukraine. Er sollte nach wenigen Tagen vorüber sein und dauert nun schon fast 18 Monate. Das strapaziert auch einen ressourcenreichen Staat wie Russland.
Allein im ersten Quartal 2023 verzeichnete der Staatshaushalt nach offiziellen Angaben ein Defizit von 2,4 Billionen Rubel – das sind ungefähr 26 Milliarden Franken. Während die Ukraine vom Westen unterstützt wird, muss der Kreml selber schauen, wie er seinen Krieg finanziert. Eine logische Konsequenz sind höhere und zusätzliche Steuern.
Am Dienstag hat Wladimir Putin per Erlass Steuerabkommen mit mehr als 30 Ländern aussetzen lassen, darunter auch mit der Schweiz. Sie werden von Russland als feindlich eingestuft. Die Abkommen sollen unter anderem eine Doppelbesteuerung vermeiden. Mit der Suspendierung ist der Weg für Russland frei, zusätzliche Steuern zu erheben.
Die Schweiz habe den Erlass «zur Kenntnis genommen», teilte das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) der Agentur Keystone-SDA auf Anfrage mit. Es würde aber in das Schema der letzten Monate passen. Wladimir Putins Regierung «erfindet» ständig neue Steuern, um seinen teuren Krieg zu finanzieren. Ein paar Beispiele:
- Der Rohstoffsektor ist Russlands wichtigste Einnahmequelle. Er bietet sich an für neue Steuern. So musste Gazprom letztes Jahr eine «Sonderdividende» von rund 20 Milliarden Franken abliefern. Im April wurde zudem eine Steuererhöhung für Ölkonzerne verfügt, als Ausgleich für den von der G7 verfügten Preisdeckel von 60 Dollar pro Barrel. Die erhofften Mehreinnahmen blieben jedoch aus, wie das Finanzministerium zugeben musste. Im April wurden weniger Steuern verzeichnet als im Vormonat. Als Hauptgrund wurden die sinkenden Exporte angeführt. Experten warnen zudem, dass die Zusatzsteuern den Ölsektor langfristig schädigen, weil das Geld für Investitionen fehlt.
- Im Juni folgte der nächste «Streich». Russlands Oligarchen sollten eine «Übergewinnsteuer» von bis zu zehn Prozent abliefern. Vizeregierungschef Andrei Beloussow behauptete, die Oligarchen hätten die Sondersteuer als «grosse Patrioten» selber vorgeschlagen. Tatsächlich aber hatten sie gemäss der «Financial Times» monatelang für eine Abschwächung lobbyiert.
- Ende Juli unterzeichnete Putin zudem ein Gesetz für eine «Homeoffice-Steuer». Im Visier sind in erster Linie Russinnen und Russen, die vor dem Krieg ins Ausland geflüchtet sind und weiterhin für ihre russischen Arbeitgeber tätig sind. Diese sollen die Steuer abliefern. Laut offiziellen Angaben soll die Steuer im nächsten Jahr in Kraft treten.
Das Gesetz für die Übergewinnsteuer wurde letzte Woche von Putin unterzeichnet. Der Kremlherrscher finanziere seinen Krieg durch «die Kannibalisierung von Russlands produktiver Wirtschaft», schrieben die Ökonomen Jeffrey Sonnenfeld und Steven Tian von der Universität Yale im Magazin «Time». Dies schade der Wirtschaft mehr als die westlichen Sanktionen.
Die Zusatzbelastung bekommen auch jene westlichen Firmen zu spüren, die nach wie vor in Russland ausharren. Dazu gehören auch Schweizer Unternehmen wie die in Genf ansässige Japan Tobacco International (JTI), Glencore, Novartis oder Syngenta. Sie würden «Putins Kriegskasse füllen», kritisierte eine ukrainische Ökonomin im «Sonntagsblick».
«Komplizenschaft mit Putins Invasion»
Die Schweiz liege bei den ausländischen Unternehmen in Russland an dritter Stelle, hinter den USA und Deutschland. Schweizer Firmen hätten dem russischen Staat letztes Jahr 275 Millionen US-Dollar Gewinnsteuern bezahlt. Yale-Forscher Sonnenfeld bezweifelte diese Zahl im «Sonntagsblick». In die Kiewer Daten hätten sich Fehler eingeschlichen.
In der Sache aber ist Sonnenfeld knallhart. Die Präsenz westlicher Firmen in Russland sei «eine Komplizenschaft mit Putins blutiger Invasion». Vielleicht ändert sich das mit der Suspendierung der Steuerabkommen. Und der Einziehung neuer «Zufallssteuern».