Gleitbomben: Ukraine testet neue Wege gegen Putins Wunderwaffe
Das Vorgehen der russischen Armee wurde erstmals vor zwei Jahren beobachtet: Die Streitkräfte von Kremlchef Putin setzten klassische Bomben in ein Metallgerüst. Von Fachleuten UMPK genannt – dem russischen Kürzel für «Einheitliches Gleit- und Korrekturmodul».
Die explosive Fracht wird von Kampfjets der Typen Su-30 und Su-34 in der Luft ausgesetzt. Ausserhalb der Maschine entfaltet das Metallgerüst seine Flügel. So können die teils bis zu drei Tonnen schweren Bomben mit ihrer tödlichen Fracht über dreissig bis vierzig Kilometer fast lautlos ins Ziel gesteuert werden. Die Kampfjets aber bleiben ausserhalb der Reichweite der ukrainischen Flugabwehr. «Sie wollen uns zweifellos brechen», warnte kürzlich Generalmajor Wadym Skibitskyj, Vize-Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR.
Vom Radar kaum zu erfassen
Die Bilanz ist verheerend. Bis zu 5'000 Gleitbomben wirft Putins Armee jeden Monat über der Ukraine ab. Die Bomben treffen Kraftwerke, Wohnhäuser in Frontnähe und Stellungen der ukrainischen Infanterie. So erringen die Russen mit ihren Gleitbomben auch immer wieder taktische Vorteile unmittelbar an der Front. Allein in der heftig umkämpften Ortschaft Pokrowsk setzt die russische Armee derzeit rund 450 Gleitbomben ein – pro Woche.
Und das soll nur der Anfang sein. Generalmajor Skibitskyj warnte zuletzt davor, dass Russland seine Produktion in diesem Jahr auf bis zu 120'000 Gleitbomben ausweiten könnte. Darunter seien 500 Exemplare einer neuen Version mit einer längeren Reichweite von bis zu 200 Kilometer, warnte der Geheimdienstler. Das Problem für die ukrainische Luftverteidigung: Putins Gleitbomben sind durch das Radar kaum zu erfassen, weil sie extrem tief fliegen und auch thermisch nicht aufzuspüren sind. Doch nun zeigt eine Studie aus Grossbritannien neue Abwehrmassnahmen gegen die Waffen auf.
So schlägt das Forschungsinstitut Rusi (Royal United Services Institute for Defence and Security) in London vor, Putins Gleitbomben mit Sanktionen zu kontern. «Russlands Produktion von Kampfflugzeugen ist im Zuge des umfassenden Einmarsches in die Ukraine leicht angestiegen. Dennoch kam es in diesem Sektor zu Störungen, die grösstenteils auf Lieferverzögerungen von Subsystemen aus der komplexen Lieferkette zurückzuführen sind», schreiben die Rusi-Forscher Nikolai Staykow and Jack Watling in ihrer Studie «Vulnerabilities in Sukhoi Production: Clipping Russia’s Wings» – frei übersetzt etwa: «Schwachstellen in der Suchoi-Produktion: Russland die Flügel stutzen».
Der Rat der Rusi-Forscher: Westliche Sanktionen gegen die Zulieferer-Industrie der russischen Luftfahrt. «Innerhalb der nachgelagerten Lieferketten der Suchoi-Produktion besteht eine breite Abhängigkeit von ausländischen Importen von Materialien, Werkzeugmaschinen und Spezialausrüstung», so Staykow und Watling.
Noch einen Tipp haben die Rusi-Wissenschaftler aus London parat: So sollte der Westen gezielt russische Fachkräfte zum Überlaufen bewegen. So könnten auch personelle Engpässe in der westeuropäischen Flugzeugindustrie überwunden werden.
Gezielte Drohnen-Schläge gegen neue Ziele in Russland
Zuvor hatte schon die Nato in einem Workshop über Gegenmassnahmen gegen Putins Gleitbomben beraten. Bei einem Wettbewerb im Frühjahr in Polen siegte das französische Rüstungsunternehmen Alta Ares, mit dem Vorschlag, die Gleitbomben mittels Künstlicher Intelligenz (KI) aufzuspüren. Eine weitere Gegenstrategie könnte im verstärkte Einsatz von Drohnen gegen russische Luftwaffenstützpunkte bestehen. Das aber würden einen Strategiewechsel der ukrainischen Armee erfordern. Diese setzte mit ihren Langstreckendrohnen zuletzt auf Schläge gegen Russlands Öl-Infrastruktur.
Fachleute dringen nun verstärkt auf Angriffe auf Luftwaffenstützpunkte in Russland, um Putins alternde Flotte aus Su-30- und Su-34-Jets am Boden auszuschalten – noch ehe sie die tödliche Fracht überhaupt in der Luft auf den Weg bringen können.

