Es ist die Kunst der Diplomatie, nicht alle Karten offen auf den Tisch zu legen und sich mehrere Optionen offenzuhalten. Niemand weiss dies besser als der oberste Chef der Schweizer Diplomaten, Aussenminister Didier Burkhalter – entsprechend handelt er danach.
So pflegte er stets ausweichend auf die Frage nach allfälligen Ambitionen auf den Posten des UNO-Generalsekretärs zu antworten. Der «Schweizer Illustrierten» etwa sagte er im Frühling 2015: «Es ist nie das Amt, das mich reizt, sondern immer die Sache, die Möglichkeit, etwas zu tun. In der heutigen Welt finde ich es äusserst wichtig, sich für Frieden und Sicherheit zu engagieren. Egal in welcher Funktion!»
Nun ist das Thema jedoch aktueller denn je, denn ab heute finden in New York die Hearings der acht offiziellen Kandidaten für die Nachfolge von Ban Ki Moon statt. Will er nun oder will er nicht, der 55-jährige Neuenburger?
Die Antwort darauf bleibt auch jetzt vage. Beim Aussendepartement (EDA) heisst es, dass in dieser Frage der bisherigen Sprachregelung nichts hinzuzufügen sei. Sprich: Der Gesamtbundesrat würde die Situation analysieren, falls es Anzeichen geben sollte, dass eine Schweizer Kandidatur erwünscht wäre.
Eine definitive Absage ist das nicht. Und doch sickert zwischen den Zeilen durch, dass sich Burkhalter höchstwahrscheinlich nicht für höhere Weihen zur Verfügung stellen wird. Im EDA wurden nie konkrete Schritte für eine Schweizer Kandidatur unternommen, keine Task-Force zum Thema wurde gegründet. Zudem sitzt Burkhalter im Bundesrat fest im Sattel und zeigt keine Anzeichen von Amtsmüdigkeit.
Der joviale FDP-Bundesrat weiss: Seine Chancen auf den höchsten UNO-Posten wären ohnehin gering. Aller Voraussicht nach wird aufgrund des (nicht festgeschriebenen) Rotationsprinzips ein Kandidat aus Osteuropa gewählt, wobei die Bewerberinnen aus der Poleposition starten.
Doch je nach Konstellation im UNO-Sicherheitsrat – die Mitglieder haben ein Vetorecht und gerade Russland könnte sich gegen die Ernennung eines Osteuropäers stellen – wäre eine Schweizer Kandidatur womöglich doch nicht nur für die Galerie.
Zeit für solche Planspiele und Hinterzimmergespräche bleibt noch genug. Denn wie das UNO-Generalsekretariat bestätigt, gibt es keine eigentliche Bewerbungsfrist. Kandidaturen können weiterhin eingereicht werden. Im Juli beginnen voraussichtlich die Beratungen im Sicherheitsrat und die eigentliche Ernennung durch die Generalversammlung wird nicht vor dem Herbst stattfinden.
Nur, wer sagt überhaupt, dass sich aus der Schweiz nur Burkhalter für den Topjob eignen würde? Nationalrat Carlo Sommaruga (SP, GE) bringt Ex-Aussenministerin Micheline Calmy-Rey ins Spiel: «Sie ist gut vernetzt, kennt sich in der Diplomatie aus und hätte als Frau einen Vorteil.» Zudem könne eine Schweizer Kandidatur dank der Konsenskultur in der aktuellen weltpolitischen Lage von besonderer Bedeutung sein, so der Aussenpolitiker.
Calmy-Rey selbst gibt sich auf Anfrage gelassen. Sie sei keine Kandidatin, sagt sie – und will dann aber doch nicht definitiv ausschliessen, dass sich eines Tages daran noch etwas ändern könnte.