Im Ringen zwischen China und den USA um die globale Vorherrschaft droht die Europäische Union zwischen Stuhl und Bank zu fallen. Sie sucht deshalb verstärkt den Kontakt mit anderen Regionen: Erstmals seit acht Jahren fand in Brüssel ein Gipfeltreffen mit der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) statt.
Konfliktfrei verlief das Treffen der mehr als 50 Staats- und Regierungschefs nicht. Für Streit sorgte etwa der Krieg in der Ukraine. Kuba, Nicaragua und Venezuela wehrten sich gegen eine Verurteilung der russischen Aggression. Auch das Freihandelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay bleibt umstritten.
Der Bedeutungsverlust Europas zeigt sich nicht zuletzt bei der Wirtschaft. Denn China ist in den letzten Jahren zum wichtigsten Handelspartner des Mercosur aufgestiegen. Mit dem Freihandelsabkommen möchte die EU aufholen. Sie erhofft sich einen Abbau von Zöllen und bessere Exportchancen für ihre Unternehmen in die Wachstumsmärkte.
Umgekehrt liefern die Südamerikaner für die Energiewende und den europäischen «Green Deal» wichtige Rohstoffe wie Nickel, Kobalt und Lithium. Im Prinzip wurde das Abkommen schon 2019 ausgehandelt, doch seither liegt es «auf Eis». Mit dem Brüsseler Gipfel sollten die Verhandlungen wieder Fahrt aufnehmen, hiess es vonseiten der EU-Kommission.
Für die Verzögerung gibt es einige Gründe. Dazu gehört die Corona-Pandemie, und die Amtszeit des brasilianischen Präsidenten und «Regenwald-Abholzers» Jair Bolsonaro stand einer Einigung ebenfalls im Weg. Sein Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva beteuerte am Montag, dass Brasilien ab 2030 keinen Amazonas-Regenwald mehr roden werde.
Dennoch bleiben Europas Umweltverbände skeptisch gegenüber dem Mercosur-Deal, und auch die Bauern leisten Widerstand. Denn die Südamerikaner sind Agrarexporteure und wollen in diesem Bereich vom Abkommen profitieren, etwa bei Rindfleisch und Soja. Die europäischen Landwirte befürchten, dass dadurch ein gnadenloser Preisdruck entsteht.
EU-Länder wie Frankreich und Österreich lehnen bislang eine Ratifizierung des Vertrags ab. Dessen Befürworter betonen, mit einem Scheitern sei niemandem gedient. «Wir retten keinen Zentimeter Regenwald durch die Nicht-Ratifizierung des Handelsabkommens», sagte der deutsch-brasilianische Politologe Oliver Stuenkel dem ARD-Deutschlandfunk.
Ein Durchbruch am EU-Celac-Gipfel war von Anfang an nicht zu erwarten, zumal auch Präsident Lula da Silva einen stärkeren Schutz für brasilianische KMU etwa bei öffentlichen Ausschreibungen forderte. Kürzlich wehrte er sich gegen zusätzliche Umweltauflagen, dennoch zeigte sich Lula optimistisch, dass bis Ende 2023 eine Einigung möglich ist.
Der spanische Regierungschef Pedro Sanchez äusserte ebenfalls leise Zuversicht, dass es noch während der laufenden EU-Ratspräsidentschaft seines Landes zu einem positiven Abschluss kommen könne. Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer hingegen sagte in Brüssel, an der Position seines Landes zum Abkommen habe sich nichts geändert.
Kurz nach der EU konnte die Schweiz im Verbund mit den drei anderen EFTA-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein 2019 eine grundsätzliche Einigung mit dem Mercosur verkünden. Doch auch in diesem Fall hat sich eine rasche Unterzeichnung nicht ergeben. Dafür verantwortlich war neben Corona die Blockade des EU-Abkommens.
Im Fall der Schweiz gibt es ein weiteres Hindernis. Gegen einen Mercosur-Deal würde sehr wahrscheinlich das Referendum ergriffen. Ein EFTA-Abkommen mit Indonesien war bei der Abstimmung im März 2021 um ein Haar gescheitert, obwohl der Bundesrat erreichen konnte, dass die Schweiz nur nachhaltig produziertes Palmöl importieren muss.
Ähnliche Konzessionen des gewichtigen Mercosur-Verbunds sind praktisch ausgeschlossen, räumt das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) auf seiner Website indirekt ein. Damit ist Widerstand von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen programmiert, und auch die Bauern, die dem Indonesien-Vertrag noch zugestimmt hatten, könnten dagegen antreten.
Aus den Reihen des Bauernverbands gibt es immer wieder kritische Wortmeldungen zum Mercosur. Einen vom damaligen Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP) Anfang 2018 durchgeführten «Mercosur-Agrar-Gipfel» boykottierte er demonstrativ. Gegen bäuerlichen und ökologischen Widerstand aber ist eine Abstimmung schwer zu gewinnen.
(Mit Material von Keystone-SDA)
PhilippS
Dann fragt mal die Bauern, woher eine nicht unerhebliche Menge, v.a an proteinreichem Sojaschrott, für die Tiermast kommt?
Kurz:
Billige (nicht selten nicht sehr umweltfreundlich produzierte) Futtermittel für die eigene Mastwirtschaft, lieb.
Das eigene Soja & Co. will man lieber teuer an Menschen verhökern.
Das vor Ort in Südamerika produzierte Fleisch aber, bööööse.
Clife
Marc Hubertus
Jedoch gibt es leider viele, die der Meinung sind eine neuen Regierung drückt auf einen Knopf und die ganze Korruption die verantwortlich ist, steht still wie eine Maschine.
Leider wurde zuwenig informiert, wie rigoros Lula in den Nativ Gebieten er vorgegangen ist, gegen illegale Schürfungen und Holzfäller, welche durch Bolsonaro gefördert wurden!
Immerhin ein Anfang!
Jedoch die Rechten im Parlament widersetzen sich wo sie können.