Igor Sergejewitsch Skrjabin kam als Mitarbeiter des administrativen und technischen Personals in die Schweiz – als eine Art diplomatische Hilfskraft. Zumindest meldete die Russische Föderation ihn mit dieser Berufsbezeichnung beim Eidgenössischen Department für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) an.
Laut Recherchen des «Tagesanzeiger» hatte Skrjabin in Russland die Militärakademie in Nowosibirsk erfolgreich abgeschlossen. Dort werden Mitglieder der russischen Luftwaffe, aber auch Spezialeinheiten des Militärgeheimdiensts GRU ausgebildet. Skrjabin (oder ein Mann mit demselben Namen) hatte dort 2010 laut Protokoll einen Vortrag zum Thema Unterwasserwaffen gehalten.
Dem Schweizer Nachrichtendienst des Bundes (NDB) wurde nach der Überprüfung der Akkreditierung schnell klar, dass der Russe nicht aus diplomatischen Gründen in die Schweiz gekommen ist, sondern dem Militärgeheimdienst GRU angehört. Somit begann der NDB, Skrjabin zu beschatten.
Igor Sergejewitsch Skrjabin fing einen Job in der Handelsvertretung in Bern an – abseits der Orte wie der UNO-Mission Russlands in Genf oder der Botschaft in Bern, an denen die meisten russischen Diplomaten zugegen sind. In der Nähe seines Arbeitsplatzes unterhält der GRU seinen inoffiziellen Deutschschweizer Hauptsitz.
Im Herbst 2023 fuhr der Russe nach der Arbeit manchmal nicht in den Osten der Stadt, wo seine Wohnung lag, sondern in den Süden. Dort traf er sich mit einem lokalen Waffenhändler im Parkhaus eines Einkaufszentrums. Der Berner überreichte dem GRU-Agenten vor allem Scharfschützenmunition, die etwa für Attentate geeignet ist.
Neuen Informationen des «Tagesanzeiger» zufolge blieb es allerdings nicht dabei. Igor Sergejewitsch Skrjabin hat auch ausserhalb von Bern dubiose Beschaffungen getätigt.
Da der NDB zu wenige Ressourcen für Observierungen bis in die Nordwestschweiz – wo Skrjabin immer wieder hinfuhr – zur Verfügung hatte, bat er das Polizeikorps aus dem Grossraum Basel Ende 2023 um Unterstützung.
Bei der gemeinsamen Gegenspionageaktion machten die Basler Polizistinnen und Polizisten die Entdeckung, dass sich der Russe über Monate hinweg regelmässig mit einem Labortechnikverkäufer traf. Auch in diesem Fall kamen die Treffen nicht etwa am Arbeitsort des Verkäufers – einem Laden für Chemieapparate und weiteres Laborzubehör, das nicht nach Russland oder andere Kriegsgebiete exportiert werden darf – zustande, sondern wieder in einem Parkhaus oder an anderen unauffälligen Orten im Raum Basel.
Die Basler Polizei sowie der NDB konnten beobachten, wie der Verkäufer Kisten aus seinem Auto in den des russischen Agenten lud, woraufhin Skrjabin ihm Geldscheine gab.
Diese Begegnungen sind zwar von der Schweizer Spionageabwehr dokumentiert – unklar blieb jedoch, welche Ware genau gehandelt wurde. Trotzdem kam zur Präzisionsmunition, die sich Skrjabin beschafft hatte, nun auch noch möglicherweise gefährliche Labortechnik hinzu. Deshalb schaltete der NDB die Bundesanwaltschaft in den Fall ein. Niels Eckmann, Leiter der Staatsschutzabteilung der BA, eröffnete direkt zwei Verfahren: einerseits wegen der Munition in Bern, andererseits wegen der Labortechnik im Baselbiet.
Ende Frühjahr 2024 kam es dann zu Razzien in mehreren Kantonen, durchgeführt von der Bundesanwaltschaft, der Bundeskriminalpolizei sowie dem kantonalen Polizeikorps. Dabei wurden neben dem Geschäft und dem Wohnsitz des Berner Waffenhändlers auch das Labortechnikunternehmen in der Nordwestschweiz durchsucht. In zwei beschlagnahmten Ordnern wurde offenbar der Verkauf eines Kühlgeräts und einer Zentrifuge an Skrjabin dokumentiert. Diese Geräte können laut des NDB genutzt werden, um Chemie- oder Biowaffen herzustellen.
Die Waren brachte der Russe nach dem Deal in die Berner Handelsvertretung – genauso wie die Scharfschützenmunition. Konsularische Gebäude können von den Schweizer Behörden allerdings nur mit Genehmigung betreten werden, weshalb Skrjabins Arbeitsort nicht durchsucht werden konnte. Es bleibt somit unklar, wo sich die beschafften Apparate sowie die Munition nun befinden.
Nachdem das Schweizer Aussendepartement von Russland verlangt hatte, Skrjabin abzuziehen, verliess der Russe Bern und ging zurück Richtung Moskau. Zwar wurde er in der Schweiz nicht zur unerwünschten Person erklärt – eine Massnahme, die andere Staaten häufig anwenden –, doch die Bundesanwaltschaft wurde vom Bundesrat ermächtigt, die beiden Strafverfahren weiterzuführen.
Wie der «Tagesanzeiger» berichtet, möchte die russische Botschaft in Bern «betonen, dass die Mitarbeiter der Botschaft ausschliesslich damit beschäftigt sind, einen konstruktiven Dialog mit den Schweizer Behörden zu führen und die russisch-schweizerischen Beziehungen zu fördern».
Wenn Russen hier Chemiewaffen kaufen dürfen, dürfen die Ukrainer wohl auch panzer und co von uns haben