Eine neue Studie hat toxische Schwermetalle wie Blei, Arsen und Cadmium in Tampons unterschiedlicher Marken nachweisen können. Überrascht Sie dieses Ergebnis?
Jana Birri: Ja und nein. Viele Produkte wie Kosmetika und Kleider können Schwermetalle beinhalten. Das ist bereits bekannt. Zudem gab es bereits einige Untersuchungen, die Schwermetalle in Tampons nachweisen konnten. Überrascht hat mich darum, dass wir bisher trotzdem nicht wussten, wie hoch die Konzentration dieser Schwermetalle in Tampons war. Und auch, dass es demnach bisher keine staatlichen Kontrollen der Tampons auf ihre Inhaltsstoffe gibt.
Die Forschungsgruppe schreibt, es handle sich um äusserst geringe Mengen Schwermetalle.
Genau. Im Median sind es beispielsweise 173 Nanogramm Blei pro Gramm Tampon. Ein Tampon ist etwa vier Gramm schwer. Das heisst, der Anteil Blei in einem Tampon ist umgerechnet 0,000004325 Prozent. Das ist wirklich ein sehr tiefer Wert.
Gerade Blei ist allerdings hochtoxisch. Spielt es überhaupt eine Rolle, dass man nur sehr geringe Mengen in Tampons nachweisen konnte?
Für Blei gibt es keine Mindestmenge, die gesundheitlich unbedenklich wäre, das stimmt. Allerdings wissen wir, dass je nach Quelle erst etwa 3,5 Mikrogramm Blei pro Deziliter Blut Anhalt zur Sorge geben kann. Dasselbe gilt bei den anderen nachgewiesenen Schwermetallen. Der Grenzwert an Arsen, der im Schweizer Trinkwasser nicht überschritten werden darf, liegt beispielsweise bei 10 Mikrogramm pro Liter. Die Arsen-Konzentration eines Tampons liegt hingegen bei 2,65 Nanogramm, sprich 0,00265 Mikrogramm.
Ist es wahrscheinlich, dass die Schwermetalle über die Vagina in den Blutkreislauf gelangen?
Ja, durchaus. Wir wissen, dass Schleimhäute diese Stoffe gut aufnehmen können. Gewisse Medikamente werden darum beispielsweise nicht oral eingenommen, sondern in die Vagina eingeführt.
Könnte von Tampons also eine echte Gefahr für die Gesundheit ausgehen?
Um das klar sagen zu können, bräuchten wir weitere Untersuchungen. Aktuell wissen wir aufgrund der Studienlage nicht, ob und wenn ja, wie viel von den Schwermetallen der Körper überhaupt über einen Tampon aufnimmt und was damit anschliessend im Körper passiert. Reichert sich die Menge an? Landet sie im Blutkreislauf? Ab wann wird die Menge bedenklich? Bis die Forschung Antworten auf all diese Fragen liefern kann, kann es viele Jahre dauern. Aufgrund der sehr geringen Mengen kann es aber sogar sein, dass wir nie einen eindeutigen Beweis finden werden.
Welche Schäden oder Komplikationen können die in Tampons gefundenen Schwermetalle auslösen?
Das geht von Kreislaufstörungen über Nierenschäden, Leberschäden bis hin zu Tod. Für diese Schäden bräuchte es aber eine Schwermetallkonzentration weit jenseits jener, die in Tampons gefunden wurde.
Frauen, die ihre Periode haben, benutzen meist nicht nur einen Tampon, sondern mehrere pro Tag, mehrere Tage nacheinander. Und das womöglich viele Jahrzehnte lang jeden Monat. Da wird doch einiges zusammenkommen können.
Auch dazu können wir aufgrund der Studie keine Aussage machen. Besonders junge Frauen nutzen häufig Tampons. Aktuell ist mir keine Quelle bekannt, die darauf hinweist, dass der Gebrauch von Tampons zu Schäden führt. Zumindest nicht im Zusammenhang mit Giftstoffen, die sich im Tampon befinden. Aber natürlich ist es äusserst unbefriedigend, keine eindeutigen Nachweise und Ergebnisse zu haben.
Wie kommen Schwermetalle überhaupt in unsere Tampons?
Wahrscheinlich gelangen sie entweder beim Anbau von Baumwolle über den Boden oder bei der anschliessenden Verarbeitung, durch die Produktionsprozesse, in unsere Tampons.
Die Studie kursiert nun auch auf Social Media und verursacht Unsicherheiten unter Tampon-Nutzerinnen. Würden Sie von Tampons abraten?
Ich verstehe, wenn Frauen jetzt verunsichert sind. Aber nein, ich rate wegen dieser neuen Studie nicht von Tampons ab. Jenen, die nun aber keine Tampons mehr benutzen möchten, empfehle ich die Menstruationstasse als Alternative.
Keine Binden? Oder Periodenunterwäsche?
Das können auch Alternativen sein, ja. Aber man muss sich bewusst sein: Binden und Periodenunterwäsche bestehen zu grossen Teilen aus Baumwolle oder Kunstfasern und können deshalb ebenfalls Schwermetalle beinhalten. Genauso wie unsere Kleidung. Die Menstruationstasse hingegen ist aus Silikon.
Die Studie wies auch Kupfer als eines der gefundenen toxischen Schwermetalle in Tampons nach. Gleichzeitig ist die Kupferspirale in der Schweiz ein gängiges Verhütungsmittel. Das ist keine geringe Menge mehr, die Frauen in der Regel über mehrere Jahre im Uterus tragen. Könnte von der Kupferspirale ein Gesundheitsrisiko ausgehen?
Eine Übersichtsstudie von 2021 hat zwölf Studien der letzten Jahre miteinander verglichen, die allesamt untersuchten, wie hoch der Kupfergehalt im Blut von Frauen ist, die eine Kupferspirale eingesetzt bekommen haben. Eine klare Antwort konnte der Vergleich leider nicht liefern.
Das heisst?
Acht Studien konnten keine erhöhten Kupfermengen im Blut von Trägerinnen einer Kupferspirale nachweisen, vier hingegen schon. Wie genau das Kupfer in den Blutkreislauf kommt – ob es etwa wirklich über die Kupferspirale passiert –, wissen wir daher noch immer nicht. Deshalb können wir auch die Frage, ob die Kupferspirale Schäden verursachen kann, nicht beantworten.
Diese Erklärung wird viele Frauen wohl nicht befriedigend.
Das kann ich verstehen. Ich finde es gut, dass die Sensibilität für Schwermetalle in der Vagina oder dem Uterus steigt und dass die Forschung dazu vorangetrieben wird. Ich hoffe, so können wir bald befriedigendere Antworten liefern. Die Forschungsgruppe, die Schwermetallmengen in Tampons gemessen hat, plant nun auf jeden Fall eine Folgestudie.
Wenn ich die Zahlen richtig verstehe, wurden
173 Nanogramm Blei pro Gramm Tampon
gefunden. 1 Tampon ist ca. 4 Gramm schwer, also
692 Nanogramm pro Tampon.
Umgekehrt sind 10 Mikrogramm vom Gift Arsen pro Liter Trinkwasser erlaubt.
1 Mikrogramm ist 1000 Nanogram.
10 Mikrogramm sind 10'000 Nanogram.
Wir dürfen also alle bis zu 10'000 Nanogramm Arsen trinken, sollen uns aber vor 2,65 Nanogramm Arsen im Tampon fürchten? Oder vor 692 Nanogramm Blei?
Übersehe ich etwas wesentliches?
Es sollte doch bereits jetzt nachweisbar sein ob Frauen die regelmässig tampons benutzen, grundsätzlich mehr dieser Stoffe im Körper haben als solche die keine benutzen oder Männer.
Es gibt deutliche Unterschiede zwischen den Test-Tampons die in den USA und der EU/UK gekauft wurden, insbesondere bei Cadmium, Kobalt und Blei. Die Werte bei den EU-Varianten sind deutlich tiefer.
Interessant fand ich auch die Gründe, wieso überhaupt Schwermetalle in Tampons verwendet werden:
Sie dienen z.B. als antimikrobielle Wirkstoffe (Ca, Co, Cr, Cu, Ni, Zn), als Gleitmittel für ein reibungsloses Einführen (Ca, Sr, Zn), zur Geruchskontrolle (Ca, Zn) oder auch um Teile des Tampons zu färben (Ba, Cd, Co, Fe, Mn, Zn).