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Schwermetalle in Tampons: Gynäkologin sagt, wie gefährlich sie sind

Schwermetalle in Tampons, Gynäkologin Jana Birri ordnet die neuen Studienergebnisse ein
Insgesamt 16 Schwermetalle konnten Forschende in Tampons nachweisen und quantifizieren.Bild: shuttershock
Interview

Schwermetalle in Tampons nachgewiesen: «Ich verstehe, wenn Frauen jetzt verunsichert sind»

Eine Studie hat toxische Schwermetalle wie Blei, Arsen und Quecksilber in Tampons nachweisen können. Eine Oberärztin Gynäkologie sagt, was diese Resultate bedeuten und warum es nur eine Schwermetall-freie Alternative zu Tampons gibt.
27.07.2024, 11:55
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Eine neue Studie hat toxische Schwermetalle wie Blei, Arsen und Cadmium in Tampons unterschiedlicher Marken nachweisen können. Überrascht Sie dieses Ergebnis?
Jana Birri:
Ja und nein. Viele Produkte wie Kosmetika und Kleider können Schwermetalle beinhalten. Das ist bereits bekannt. Zudem gab es bereits einige Untersuchungen, die Schwermetalle in Tampons nachweisen konnten. Überrascht hat mich darum, dass wir bisher trotzdem nicht wussten, wie hoch die Konzentration dieser Schwermetalle in Tampons war. Und auch, dass es demnach bisher keine staatlichen Kontrollen der Tampons auf ihre Inhaltsstoffe gibt.

Die Forschungsgruppe schreibt, es handle sich um äusserst geringe Mengen Schwermetalle.
Genau. Im Median sind es beispielsweise 173 Nanogramm Blei pro Gramm Tampon. Ein Tampon ist etwa vier Gramm schwer. Das heisst, der Anteil Blei in einem Tampon ist umgerechnet 0,000004325 Prozent. Das ist wirklich ein sehr tiefer Wert.

Zur Person
Jana Birri ist seit 2020 Oberärztin an der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Universitätsspital Zürich. Davor war sie Oberärztin im Kantonsspital Baden. Daneben unterrichtet sie an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich Gynäkologie und Geburtshilfe.

Gerade Blei ist allerdings hochtoxisch. Spielt es überhaupt eine Rolle, dass man nur sehr geringe Mengen in Tampons nachweisen konnte?
Für Blei gibt es keine Mindestmenge, die gesundheitlich unbedenklich wäre, das stimmt. Allerdings wissen wir, dass je nach Quelle erst etwa 3,5 Mikrogramm Blei pro Deziliter Blut Anhalt zur Sorge geben kann. Dasselbe gilt bei den anderen nachgewiesenen Schwermetallen. Der Grenzwert an Arsen, der im Schweizer Trinkwasser nicht überschritten werden darf, liegt beispielsweise bei 10 Mikrogramm pro Liter. Die Arsen-Konzentration eines Tampons liegt hingegen bei 2,65 Nanogramm, sprich 0,00265 Mikrogramm.

Zur Studie
Ein Forschungsteam der Columbia Universität in New York hat 30 Tampons von 14 Marken auf Metalle untersucht. Dabei fanden sie folgende 16 Schwermetalle: Arsen, Barium, Calcium, Cadmium, Kobalt, Chrom, Kupfer, Eisen, Mangan, Quecksilber, Nickel, Blei, Selen, Strontium, Vanadium und Zink. Wie hoch die Konzentration der Metalle in den Tampons war, unterschied sich je nach Tampon leicht. Den grössten Unterschied fanden die Forschenden zwischen biologischen Tampons und nicht-biologischen Tampons. In den Bio-Tampons war die Arsenkonzentration höher, in herkömmlichen Tampons die Bleikonzentration.
Die Forscher betonen, dass sie alle Schwermetalle nur in winzigen Mengen in den Tampons nachweisen konnten. Dennoch kommen sie zum Schluss: Wer Tampons benutzt, geht potenziell das Risiko ein, toxische Metalle aufzunehmen. Etwa Blei oder Arsen, bei denen es keine Werte gibt, die sich als sicher einstufen lassen.
Die Forschenden fordern deshalb von den Tampon-Herstellern, dass sie ihre Produkte künftig speziell auf toxische Metalle testen, um die Sicherheit der Nutzerinnen zu gewährleisten. Dasselbe wünschen sie sich von Herstellern anderer Hygieneartikel, etwa von Binden.
Auf die Studienergebnisse hat inzwischen auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung reagiert und Entwarnung gegeben. Es seien keine gesundheitlichen Schäden durch die Nutzung von Tampons zu erwarten. Die Schwermetallmengen, die die Forschenden feststellten, würden weit unter den von der EU bestimmten Grenzwert von einem Milligramm pro Kilogramm fallen.

Ist es wahrscheinlich, dass die Schwermetalle über die Vagina in den Blutkreislauf gelangen?
Ja, durchaus. Wir wissen, dass Schleimhäute diese Stoffe gut aufnehmen können. Gewisse Medikamente werden darum beispielsweise nicht oral eingenommen, sondern in die Vagina eingeführt.

«Es kann sogar sein, dass wir nie einen eindeutigen Beweis finden werden.»

Könnte von Tampons also eine echte Gefahr für die Gesundheit ausgehen?
Um das klar sagen zu können, bräuchten wir weitere Untersuchungen. Aktuell wissen wir aufgrund der Studienlage nicht, ob und wenn ja, wie viel von den Schwermetallen der Körper überhaupt über einen Tampon aufnimmt und was damit anschliessend im Körper passiert. Reichert sich die Menge an? Landet sie im Blutkreislauf? Ab wann wird die Menge bedenklich? Bis die Forschung Antworten auf all diese Fragen liefern kann, kann es viele Jahre dauern. Aufgrund der sehr geringen Mengen kann es aber sogar sein, dass wir nie einen eindeutigen Beweis finden werden.

Welche Schäden oder Komplikationen können die in Tampons gefundenen Schwermetalle auslösen?
Das geht von Kreislaufstörungen über Nierenschäden, Leberschäden bis hin zu Tod. Für diese Schäden bräuchte es aber eine Schwermetallkonzentration weit jenseits jener, die in Tampons gefunden wurde.

Schwermetalle in Tampons, Gynäkologin Jana Birri ordnet die neuen Studienergebnisse ein
Jana Birri, Oberärztin Gynäkologie am Universitätsspital Zürich. Bild: zvg

Frauen, die ihre Periode haben, benutzen meist nicht nur einen Tampon, sondern mehrere pro Tag, mehrere Tage nacheinander. Und das womöglich viele Jahrzehnte lang jeden Monat. Da wird doch einiges zusammenkommen können.
Auch dazu können wir aufgrund der Studie keine Aussage machen. Besonders junge Frauen nutzen häufig Tampons. Aktuell ist mir keine Quelle bekannt, die darauf hinweist, dass der Gebrauch von Tampons zu Schäden führt. Zumindest nicht im Zusammenhang mit Giftstoffen, die sich im Tampon befinden. Aber natürlich ist es äusserst unbefriedigend, keine eindeutigen Nachweise und Ergebnisse zu haben.

Das sagt der Bund
Hygieneprodukte wie Tampons gelten in der Schweiz als Gebrauchsgegenstände und sind im Lebensmittelrecht geregelt. Deshalb ist das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) dafür zuständig, die Sicherheit von Tampons, Binden und Co. sicherzustellen. Dieses schreibt auf Anfrage von watson in Bezug auf die Sicherheit von Tampons: «Das BLV hat 2017 in der Schweiz erhältliche Hygieneprodukte stichprobenweise auf gesundheitsgefährdende Stoffe testen lassen.» Bei jener Prüfung fand das BLV Spuren von Dioxinen und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK). Beide chemischen Verbindungen können entstehen, wenn Kohle, Heizöl, Treibstoff, Holz oder Tabak unvollständig verbrennen. Manche von ihnen gelten potenziell als krebserregend, wie das Bundesamt für Gesundheit schreibt. Das BLV hielt 2017 aber bereits fest: «Die Konzentration aller nachgewiesenen Substanzen ist aber extrem niedrig und geringer als die Konzentration, die sich in Lebensmitteln finden lässt. Das Risiko für die Gesundheit, das von den toxischen Stoffen in den untersuchten Hygieneprodukten ausgeht, kann folglich als unerheblich betrachtet werden.»

Wie kommen Schwermetalle überhaupt in unsere Tampons?
Wahrscheinlich gelangen sie entweder beim Anbau von Baumwolle über den Boden oder bei der anschliessenden Verarbeitung, durch die Produktionsprozesse, in unsere Tampons.

Die Studie kursiert nun auch auf Social Media und verursacht Unsicherheiten unter Tampon-Nutzerinnen. Würden Sie von Tampons abraten?
Ich verstehe, wenn Frauen jetzt verunsichert sind. Aber nein, ich rate wegen dieser neuen Studie nicht von Tampons ab. Jenen, die nun aber keine Tampons mehr benutzen möchten, empfehle ich die Menstruationstasse als Alternative.

Keine Binden? Oder Periodenunterwäsche?
Das können auch Alternativen sein, ja. Aber man muss sich bewusst sein: Binden und Periodenunterwäsche bestehen zu grossen Teilen aus Baumwolle oder Kunstfasern und können deshalb ebenfalls Schwermetalle beinhalten. Genauso wie unsere Kleidung. Die Menstruationstasse hingegen ist aus Silikon.

Die Studie wies auch Kupfer als eines der gefundenen toxischen Schwermetalle in Tampons nach. Gleichzeitig ist die Kupferspirale in der Schweiz ein gängiges Verhütungsmittel. Das ist keine geringe Menge mehr, die Frauen in der Regel über mehrere Jahre im Uterus tragen. Könnte von der Kupferspirale ein Gesundheitsrisiko ausgehen?
Eine Übersichtsstudie von 2021 hat zwölf Studien der letzten Jahre miteinander verglichen, die allesamt untersuchten, wie hoch der Kupfergehalt im Blut von Frauen ist, die eine Kupferspirale eingesetzt bekommen haben. Eine klare Antwort konnte der Vergleich leider nicht liefern.

Kupferspirale Verhütungsmittel
So sieht die Kupferspirale aus.Bild: Shutterstock

Das heisst?
Acht Studien konnten keine erhöhten Kupfermengen im Blut von Trägerinnen einer Kupferspirale nachweisen, vier hingegen schon. Wie genau das Kupfer in den Blutkreislauf kommt – ob es etwa wirklich über die Kupferspirale passiert –, wissen wir daher noch immer nicht. Deshalb können wir auch die Frage, ob die Kupferspirale Schäden verursachen kann, nicht beantworten.

Die Kupferspirale befindet sich auf dem fünften Platz der in der Schweiz beliebtesten Verhütungsmittel.

Diese Erklärung wird viele Frauen wohl nicht befriedigend.
Das kann ich verstehen. Ich finde es gut, dass die Sensibilität für Schwermetalle in der Vagina oder dem Uterus steigt und dass die Forschung dazu vorangetrieben wird. Ich hoffe, so können wir bald befriedigendere Antworten liefern. Die Forschungsgruppe, die Schwermetallmengen in Tampons gemessen hat, plant nun auf jeden Fall eine Folgestudie.

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59 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Urs Kipfert
27.07.2024 12:59registriert Februar 2019
Ist das nicht ein wenig ein Sturm im Wasserglas?

Wenn ich die Zahlen richtig verstehe, wurden
173 Nanogramm Blei pro Gramm Tampon
gefunden. 1 Tampon ist ca. 4 Gramm schwer, also
692 Nanogramm pro Tampon.

Umgekehrt sind 10 Mikrogramm vom Gift Arsen pro Liter Trinkwasser erlaubt.
1 Mikrogramm ist 1000 Nanogram.
10 Mikrogramm sind 10'000 Nanogram.

Wir dürfen also alle bis zu 10'000 Nanogramm Arsen trinken, sollen uns aber vor 2,65 Nanogramm Arsen im Tampon fürchten? Oder vor 692 Nanogramm Blei?

Übersehe ich etwas wesentliches?
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T13
27.07.2024 12:05registriert April 2018
Diese Schwermetalle sind ja nicht erst seit gestern in den Tampons zu finden sondern wahrscheinlich schon länger.
Es sollte doch bereits jetzt nachweisbar sein ob Frauen die regelmässig tampons benutzen, grundsätzlich mehr dieser Stoffe im Körper haben als solche die keine benutzen oder Männer.
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Urs Kipfert
27.07.2024 14:27registriert Februar 2019
Was man in der Studie (aber nicht im watson-Artikel) findet:
Es gibt deutliche Unterschiede zwischen den Test-Tampons die in den USA und der EU/UK gekauft wurden, insbesondere bei Cadmium, Kobalt und Blei. Die Werte bei den EU-Varianten sind deutlich tiefer.

Interessant fand ich auch die Gründe, wieso überhaupt Schwermetalle in Tampons verwendet werden:
Sie dienen z.B. als antimikrobielle Wirkstoffe (Ca, Co, Cr, Cu, Ni, Zn), als Gleitmittel für ein reibungsloses Einführen (Ca, Sr, Zn), zur Geruchskontrolle (Ca, Zn) oder auch um Teile des Tampons zu färben (Ba, Cd, Co, Fe, Mn, Zn).
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