Geheimdienst-Enthüllung: Russische Killerdrohne fliegt nur dank Schweizer Technik
Die «Geran-3» steht aktuell an der Spitze des russischen Drohnen-Arsenals. Das knapp drei Meter lange und 200 Kilogramm schwere Fluggerät basiert auf der iranischen Shahed-238-Drohne und soll laut Russland eine Reichweite von bis zu 1000 Kilometer haben. Die Kamikaze-Maschine fliegt mit einem Turbostrahltriebwerk und erreicht so eine Reisegeschwindigkeit von bis zu 300–370 km/h sowie eine End- respektive Sturzfluggeschwindigkeit von bis zu 500–600 km/h. Damit ist sie zu schnell für viele Drohnenabwehrsysteme, was sie zur grossen Bedrohung macht.
Der ukrainische Geheimdienst GUR hat eine der Drohnen genau untersucht und dabei mindestens 50 im Ausland hergestellte Teile entdeckt – und dies trotz internationaler Sanktionen. In der Drohne werde in grossem Umfang chinesische, amerikanische, europäische und kommerzielle Mikroelektronik verbaut. Auch sieben Teile von Schweizer Herstellern wurden identifiziert.
Das sagen die betroffenen Unternehmen
Hergestellt werden diese sieben Teilen in zwei Unternehmen: ST Microelectronics mit Sitz im Kanton Genf und U-Blox in Thalwil. Auch in anderen und älteren russischen Drohnenmodellen wurden bereits Bauteile dieser Firmen nachgewiesen.
Laut den Geheimdienst-Enthüllungen wurden in der «Geran-3» ein Memory-Chip, vier Mikrokontroller (Mini-Computer) und ein Spannungsregler von ST Microelectronics gefunden. Von U-Blox stammte ausserdem ein Modul zum Empfang von GPS-Signalen.
Auf Anfrage von «Blick» sagte ST Microelectronics, das Unternehmen beliefere mehr als 200'000 Kunden weltweit – immer unter Einhaltung aller geltenden Handelsregeln. Seit 2022 seien zusätzliche Massnahmen in Kraft, um die gegen Russland verhängten Sanktionen zu befolgen.
Auch das einst an der ETH gegründete Unternehmen U-Blox will alle Verkäufe nach Russland, Weissrussland und in die von der russischen Armee besetzten Gebiete der Ukraine – unabhängig vom Verwendungszweck – unmittelbar nach dem Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 gestoppt haben, zitiert Blick den U-Blox-Sprecher Sven Etzold. Kürzlich habe das Unternehmen ausserdem beschlossen, keine Produkte mehr an Mitglieder der Eurasischen Wirtschaftsunion zu verkaufen. Es handelt sich dabei um eine Freihandelszone mit Russland, dem unter anderem Armenien, Kasachstan und Kirgisistan angehören.
Laut U-Blox kommen mehrere Wege in Frage, wie die Schweizer Teile in die Drohnen gelangen könnten: Entweder wurden sie vor dem Inkraftreten der Sanktionen erworben oder sie stammen aus Lagerbeständen von Kunden, die sie nach Russland verkauften. Ebenfalls könnten sie ins Land geschmuggelt worden sein oder aus zivilen Endprodukten wie E-Scootern oder Autos aus- und in die Waffensysteme eingebaut worden sein.
Glättli und Molina lassen Erklärungen nicht gelten
Für den Zürcher Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli sind diese Erklärungen unzureichend – er sieht die Verantwortung klar bei den betroffenen Firmen.
Glättli setzt sich seit Jahren gegen Waffenverkäufe ins Ausland und für strengere Export-Regelungen ein. Britische Forscher hätten schon vor drei Jahren öffentlich gemacht, dass Schweizer Komponenten in russischen Waffen verwendet würden, so Glättli zu Blick. «2022 konnte man ja vielleicht noch sagen: alte Bestände. Niemand konnte wissen, dass Putin diesen Krieg vom Zaun reisst. Aber heute?»
Unterstützung erhält Glättli von Fabian Molina, SP-Nationalrat des Kantons Zürich. Dieser sieht die Verantwortung ausserdem beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). So sei es zentral, dass die bestehenden Sanktionen konsequent umgesetzt würden und dass Schweizer Firmen ihre Sorgfaltspflicht ernst nehmen würden, um den russischen Angriffskrieg nicht zu unterstützen. «Das Seco muss mehr tun, um die Schweizer Wirtschaft dahin zu bringen», sagt Molina zum Blick.
Russland könnte dank Schweizer Technik auch den Westen treffen
Russische Drohnen sind eine grosse Gefahr – nicht nur für die Ukraine. Und immer wieder werden Schweizer Bauteile darin gefunden. In den kürzlich in Polen abgeschossenen «Gebera»-Aufklärungsdrohnen wurden ebenfalls Schweizer Chips gefunden.
Vor der Uno warnte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski erst vergangene Woche vor der wachsenden Gefahr durch russischer Drohnenangriffe. Die Welt werde gerade Zeuge eines gefährlichen Drohnen-Wettrüstens, welches immer tödlichere Produkte hervorbringe. Diese könnten auch Ziele im Westen treffen, so Selenski. (lzo)
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