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Syrien: Freitagsgebet in Damaskus zieht Zehntausende an

Zehntausende feiern Sturz Assads bei Freitagsgebet in Damaskus – das Syrien-Update

13.12.2024, 14:1813.12.2024, 18:32
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Zehntausende Menschen haben in Syrien während des Freitagsgebets den Sturz des Machthabers Baschar al-Assad gefeiert.

«Erhebt eure Köpfe, ihr seid jetzt freie Syrer», skandierte die Menge, wie auf TV-Bildern zu sehen war. Menschen im ganzen Land versammelten sich Augenzeugen zufolge für die Feiern an grösseren Plätzen in den Städten. Sie riefen demnach unter anderem «Gott segne das freie Syrien».

Allein an der Umajaden-Moschee in der Hauptstadt Damaskus kamen Augenzeugen zufolge Zehntausende Menschen zusammen. Der katarische Nachrichtensender Al Jazeera berichtete, zahlreiche Menschen seien aus dem ganzen Land für die Feier nach Damaskus gekommen. Sie sollte im Anschluss an das Freitagsgebet fortgesetzt werden.

Der Anführer der islamistischen Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), Ahmed al-Scharaa, zuvor bekannt als Abu Mohammed al-Dschulani, hatte die Menschen zuvor zu friedvollen Feiern an grossen öffentlichen Plätzen aufgerufen. In einer Videobotschaft sagte er, dabei sollten keine Schüsse fallen.

«Moschee ist offen für alle»

Es war das erste Freitagsgebet nach dem Sturz des Präsidenten Assad. Eine Rebellenallianz unter HTS-Führung hatte am Sonntag den seit 24 Jahren in Syrien regierenden Machthaber gestürzt. Dieser floh nach Russland, wo er Asyl erhielt.

Während die Moscheen während der Herrschaft Assads nicht für alle zugänglich waren, seien sie nun offen für alle, sagte ein Anwohner in Damaskus der Deutschen Presse-Agentur. Augenzeugen in verschiedenen Städten berichteten von strengen Sicherheitsmassnahmen.

Die weiteren News:

Türkei geht gegen kurdische Milizen vor

Die Türkei will den Druck auf kurdische Milizen in Syrien erhöhen. Seine Regierung werde präventive Schritte gegen alle in Syrien aktiven «Terrororganisationen» unternehmen, erklärte Präsident Recep Tayyip Erdogan laut einer offiziellen Mitteilung nach einem Treffen mit US-Aussenminister Antony Blinken in Ankara.

Die Türkei bekämpft in Syrien die Kurdenmiliz YPG, die für die USA ein zentraler Partner im Kampf gegen den sogenannten «Islamischen Staat» (IS) ist. Ankara betrachtet die YPG jedoch als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.

Die Türkei wird nach dem Machtwechsel in Syrien als einflussreichster ausländischer Akteur gehandelt. «Ankara verfügt über die stärksten Kommunikationskanäle und arbeitet seit langem mit der islamistischen Gruppe zusammen, die derzeit in Damaskus das Sagen hat», schrieb die Analystin Gönül Tol in einem Beitrag für «Foreign Affairs» mit Blick auf die HTS.

epa11770323 A destroyed truck after a Turkish airstrike near Qamishli, northeast of Syria on 11 December 2024. A Turkish security source said on 10 December 2024 that Turkey destroyed 12 trucks loaded ...
Was nach einem türkischen Luftangriff im Nordosten Syriens übrigblieb, 11. Dezember.Bild: keystone

Ex-Direktor von Folter-Gefängnis angeklagt

Der frühere Leiter eines berüchtigten Gefängnisses der syrischen Hauptstadt Damaskus wurde in den USA wegen Foltervorwürfen angeklagt.

Dem 72-Jährigen werde zur Last gelegt, seinen Untergebenen befohlen zu haben, politischen und anderen Gefangenen schwere körperliche und seelische Leiden zuzufügen, teilte das US-Justizministerium mit. Manchmal sei er auch persönlich an Folterungen beteiligt gewesen. Medienberichten zufolge war er im Juli dieses Jahres am Flughafen von Los Angeles festgenommen worden.

Der Mann soll unter Assad von etwa 2005 bis 2008 das Zentralgefängnis von Damaskus geleitet haben, das auch als Adra-Gefängnis bekannt ist. In einem «Bestrafungstrakt» seien auf seine Anweisung hin Häftlinge geschlagen worden, während sie mit ausgestreckten Armen an der Decke hingen. Gefangene seien zudem mit einem als «fliegender Teppich» bekannten Gerät gefoltert worden, das ihre Körper verdreht und zu unerträglichen Schmerzen bis hin zu Wirbelbrüchen geführt habe.

Russland verliert Einfluss

Russland bereitet laut einer internen Analyse der deutschen Bundeswehr den vollständigen Abzug seiner Truppen aus Syrien vor. Der russische Mittelmeerverband habe den Hafen von Tartus bereits verlassen, heisst es in einem Vermerk des Verteidigungsministeriums, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Demnach beziehen sich Sicherheitsgarantien der neuen syrischen Machthaber nach dem Sturz von Baschar al-Assad wohl lediglich auf den geordneten Abzug russischer Streitkräfte und nicht auf eine dauerhafte Präsenz.

Der Militärflughafen Latakia, den Russland bislang ebenso wie den Hafen Tartus als Drehkreuz für die Versorgung seiner Kräfte in Libyen nutzt, stehe ebenfalls zur Disposition. Ein Verlust dieses Stützpunkts könnte die Lufttransporte nach Libyen beeinträchtigen, da längere Flugstrecken weniger Materialkapazität bedeuten. Ohne Zwischenlandungen wären schwere Transporte nur bei weiter bestehenden türkischen Überflugrechten möglich, die innerhalb der NATO jedoch kritisch gesehen werden, heisst es in dem Bericht.

FILE - The Russian missile ship, the Veliky Ustyug, sails from the Russian naval base in Tartus, Syria, in the eastern Mediterranean, on Sept. 26, 2019. (AP Photo/Alexander Zemlianichenko, File)
Russland muss seinen Hafen in Tartus wohl aufgeben. (Symbolbild)Bild: keystone

Neue israelische Luftangriffe auf Waffenlager

Israels Luftwaffe bombardiert seit dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad zudem massiv militärische Einrichtungen auch im Landesinneren.

In der Nacht zu Freitag habe es erneut Luftangriffe gegeben. Dabei seien unter anderem Waffenlager und Forschungszentren in der ländlichen Umgebung von Homs und Hama getroffen worden, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

Israels Armee: erneut Waffen in Syrien sichergestellt

Israels Armee hat eigenen Angaben nach bei ihrem andauernden Einsatz in Syrien erneut Waffen beschlagnahmt.

Die Soldaten stärkten derzeit weiterhin in der Pufferzone zwischen den von Israel besetzten Golanhöhen und Syrien die israelische Verteidigung, teilte das Militär mit. Das israelische Vordringen auf syrisches Gebiet stösst international auch auf Kritik.

Israelische Fallschirmjäger hätten in der Gegend unter anderem Panzerabwehrraketen und Munition sichergestellt, hiess es von der Armee weiter. Bereits in den vergangenen Tagen hatten israelische Einheiten dort Waffen gefunden.

Israels Armee hatte nach der Übernahme der Macht durch islamistische Rebellen in Syrien Truppen ins syrische Grenzgebiet verlegt. Nach Angaben des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu soll es sich dabei um eine vorübergehende Massnahme handeln.

Nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Grossbritannien hat Israels Armee inzwischen auf rund 300 Quadratkilometern syrischen Gebiets Soldaten stationiert. Die 1974 vereinbarte Pufferzone in Syrien umfasst israelischen Medien zufolge 235 Quadratkilometer. Israelischen Medienberichten zufolge sind die israelischen Kampftruppen mitunter auch etwas ausserhalb dieser Pufferzone aktiv.

EU-Kommission startet Luftbrücke für Menschen in Syrien

Die Europäische Kommission startet eine neue humanitäre Luftbrücke mit medizinischer Notversorgung und anderen lebenswichtigen Gütern für die Menschen in Syrien.

Mit von der EU finanzierten Hilfsflügen sollen insgesamt 50 Tonnen medizinischer Hilfsgüter aus EU-Lagerbeständen in Dubai nach Adana in der Türkei gebracht werden, teilte die Brüsseler Behörde mit. In den kommenden Tagen würden diese über die Grenze verteilt werden.

Ausserdem werden der Kommission zufolge 46 weitere Tonnen an Gesundheits- und Bildungsgütern sowie Unterkünften aus einem anderen EU-Lager in Dänemark per Lastwagen nach Adana transportiert. Dort sollen sie an das UN-Kinderhilfswerk Unicef und die Weltgesundheitsorganisation zur Verteilung in Syrien übergeben werden. Die humanitäre Hilfe für Syrien im Jahr 2024 beläuft sich nach Angaben der Behörde damit auf insgesamt 163 Millionen Euro.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sprach von neuer Hoffnung für das syrische Volk durch den Sturz des Assad-Regimes. «Aber dieser Moment des Wandels birgt auch Risiken und bringt Not mit sich», sagte sie in einer Mitteilung. «Angesichts der instabilen Lage vor Ort ist unsere Hilfe für die Menschen in Syrien umso wichtiger.» Sie wolle dies auch bei ihrem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Dienstag weiter erörtern.

Zehntausende Syrer vermisst: Helfer vor «riesiger» Aufgabe

Nach dem Umsturz in Syrien rücken die Zehntausende in den Vordergrund, die während der Jahre des Bürgerkriegs und der Herrschaft von Baschar al-Assad verschwunden sind.

Es könnte nicht nur Tage oder Monate, sondern Jahre dauern, um ihre Schicksale aufzuarbeiten und ihren Familien Antworten zu liefern, sagte Stephan Sakalian vom Roten Kreuz.

Das Syrische Netzwerk für Menschenrechte zählte seit Ausbruch des Bürgerkriegs im März 2011 rund 157.000 Vermisste in Syrien. Der stellvertretende Geschäftsführer der syrischen Zivilschutzorganisation Weisshelme, Faruk Habib, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Zahl könnte bei über 200.000 liegen. Menschen in Syrien haben sich in den vergangenen 13 Jahren mit rund 35.000 Vermissten-Fällen an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) gewandt, wie Sakalian berichtete. Er gehe jedoch davon aus, dass das wahre Ausmass viel grösser sei, sagte der Vertreter des IKRK in Syrien in einer Videoschalte.

Angesichts der enormen Mengen an Informationen und Gräbern forderte Sakalian die Zusammenarbeit von syrischen Behörden, Zivilgesellschaft, internationalen Akteuren und Rotem Kreuz. «Wir stehen vor einer riesigen Arbeit», sagte er.

Im berüchtigten Militärgefängnis Saidnaja nördlich von Damaskus suchten in den vergangenen Tagen viele Menschen nach Hinweisen zu ihren Angehörigen. Sakalian zeigte sich besorgt, dass dort Behörden-Dokumente mit wichtigen Informationen zu Vermissten wild verstreut herumlagen.

«Wir haben alle Akteure im Land dazu aufgerufen, alles zu tun, um diese wichtigen Daten zu sichern», sagte der IKRK-Vertreter. Das gelte nicht nur für Gefängnisse, sondern auch für Leichenhallen und Krankenhäuser sowie Sicherheits- und Militärbehörden, betonte er.

Blinken spricht bei unangekündigten Besuch im Irak über Syrien

Bei einem Besuch im Irak haben US-Aussenminister Antony Blinken und Regierungsvertreter in Bagdad über die Lage in Syrien beraten.

Iraks Ministerpräsident Mohammed al-Sudani bekräftigte bei dem Treffen die Absicht, den Wiederaufbau des Nachbarlandes zu unterstützen, wie aus einer Regierungsmitteilung hervorgeht. Zugleich forderte er, jegliche Aggressionen gegen Syrien einzustellen, eine Anspielung auf die jüngsten israelischen Luftangriffe. Derartige Attacken - egal von welcher Partei - gefährdeten die Sicherheit und Stabilität der Region.

Das US-Aussenministerium hatte im Vorfeld erklärt, dass Blinken in Bagdad die Bedeutung der strategischen Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und dem Irak hervorheben werde. Dabei stehe auch das Engagement der USA für die «Sicherheit, Stabilität und Souveränität» des Irak im Fokus.

Die USA haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums derzeit rund 900 Soldaten in Syrien stationiert, um gegen die Terrormiliz IS in der Region vorzugehen. Laut Präsident Joe Biden sollen die Truppen auch nach dem Sturz von Baschar al-Assad vorerst in Syrien bleiben. Im Irak unterhalten die USA ebenfalls Stützpunkte im Rahmen einer internationalen Militärkoalition, planen jedoch, ihre Präsenz dort schrittweise zu reduzieren.

(rbu/sda/dpa)

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