Im Stundentakt ändern sich die Schlagzeilen über den Krieg in Nordsyrien: «Türkische Truppen marschieren in Syrien ein», «IS-Terroristen nutzen Chaos nach türkischer Invasion», «Kurden bitten Präsident Assad um Hilfe». Verwirrung total. Klar ist: Die Situation für die Kurden spitzt sich stetig zu, Hunderttausende haben ihre Häuser verlassen und sind auf der Flucht. Die Zahl der Todesopfer, darunter Zivilisten, Kinder und Journalisten, steigt täglich.
Bei den verschiedenen involvierten Akteuren und den sich überschlagenden Ereignissen die Übersicht zu behalten, ist schwierig. Die Situation ist komplex, dem Krieg voraus geht ein bereits lang andauernder Konflikt zwischen den verschiedenen Parteien. Dass nun auch der syrische Präsident Bashar al-Assad und Russlands Machthaber Wladimir Putin ihre Finger im Spiel haben, macht die Angelegenheit nicht einfacher.
Am 9. Oktober startete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Angriffskrieg gegen Nordsyrien. Die Invasion nennt er «Operation Friedensquelle». Seit Monaten drohte Erdogan damit, türkische Truppen über die Grenze nach Syrien zu schicken. Sein Plan ist die Errichtung einer 30 Kilometer breiten Pufferzone, die sich vom Fluss Euphrat in Richtung Osten entlang der Grenzlinie erstreckt. So will er die Kurden, die sich auf diesem Gebiet in den letzten Jahren eine autonome Selbstverwaltung aufgebaut haben, vertreiben und syrische Flüchtlinge aus der Türkei in die Zone umsiedeln.
Schon im August 2016 und im Januar 2018 griff Erdogan mit einer Militäroffensive kurdische Gebiete in Nordsyrien an. Die zweite endete mit der Einnahme der Stadt Afrin. Bereits diese Angriffe wurden von der internationalen Gemeinschaft aufs Schärfste verurteilt. Doch Erdogan hielt an seinem Plan fest und betonte, dass er nach Afrin das komplette Grenzgebiet von den kurdischen Selbstverwaltern säubern wolle.
Im Juli dieses Jahres drohte Erdogan erneut mit dem Einmarsch in Nordsyrien. Doch die amerikanische Regierung warnte die Türkei damals eindringlich vor einer Offensive gegen die Kurden. Denn: Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten in Nordsyrien YPG und YPJ waren im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat ein wichtiger Partner der USA. Noch im Sommer waren hunderte US-Soldaten just in dem Gebiet stationiert, das Erdogan zu einer Pufferzone machen will. Vorerst konnte der türkische Präsident sein Vorhaben also nicht in die Realität umsetzen.
Als der US-Präsident Donald Trump am 7. Oktober verkündete, dass er seine Truppen aus Nordsyrien abziehen wolle, setzte er damit gleichermassen den Startschuss für Erdogans Militäroffensive. Dafür wurde Trump heftig kritisiert. Sowohl von den Demokraten als auch aus der eigenen Partei hiess es, der Rückzug sei ein Verrat an den eigenen Verbündeten.
Seit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien im Jahr 2011 wird das Land von verschiedenen sich feindlich gesinnten Gruppen beherrscht. Ein grosser Teil steht nach wie vor unter der Führung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Die Assad-feindlichen Oppositionsgruppen sind sehr heterogen zusammengesetzt und bekämpfen sich zum Teil auch gegenseitig. Ihr grösstes Einzugsgebiet beschränkt sich inzwischen auf die Region um Idlib.
Im Nordosten des Landes, auf gut einem Drittel des syrischen Territoriums, haben sich kurdische Gruppierungen ab 2015 ein autonomes und selbstverwaltetes Gebiet aufgebaut. Sie nennen es Demokratische Föderation Nordsyrien – besser bekannt als Rojava (auf der Karte als SDF-Gebiet bezeichnet).
Dem türkischen Präsidenten Erdogan ist Rojava ein besonderer Dorn im Auge. Auch im eigenen Land geht er mit eiserner Hand gegen kurdische Politiker vor und stellt diese oftmals unter Generalverdacht, gemeinsame Sache mit der PKK, der Arbeiterpartei Kurdistans, zu machen. Diese gilt in der Türkei als Terrororganisation. In den Augen von Erdogan ist Rojava ebenfalls eine terroristische Bedrohung, weil die dortigen kurdischen Milizen der PKK nahestünden.
Die neuste türkische Militäroffensive konzentriert sich bisher vor allem auf die Region um die Grenzstädte Tel Abyad, Serekaniye und Qamishlo. Am vergangenen Sonntag bombardierte die türkische Luftwaffe in der Nähe der Stadt Serekaniye einen Autokonvoi mit Zivilisten und Journalisten. Elf Menschen, darunter zwei Lokaljournalisten, wurden getötet.
Die Entstehung von Rojava geht einher mit dem Erstarken der Terrormiliz Islamischer Staat ab 2014 im Irak und Syrien. Völlig hilflos schaute damals die Weltgemeinschaft auf das Treiben der Schreckensherrschaft, bis die Dschihadisten bei der Schlacht um Kobane auf den erbitterten Widerstand der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG und der Frauenverteidigungseinheiten YPJ stiessen. Die Kurden waren die ersten, denen es gelang es, die Terrormiliz zu schlagen.
Von Kobane aus kämpften die kurdischen Einheiten weiter. Unterstützt von der Obama-Regierung, befreiten sie Stadt um Stadt von dem IS, bis sie im März dieses Jahres die endgültige Niederlage der Dschihadisten in Syrien erklärten. Auf dem befreiten Gebiet errichteten die Kurden eine autonome Selbstverwaltung, die Demokratische Föderation Nordsyrien – besser bekannt unter dem Namen Rojava. Zunächst bestand das Gebiet aus den drei Kantonen Kobane, Afrin und Cizire. Heute zieht es sich über weite Strecken von Nordsyrien und beheimatet geschätzt fünf Millionen Menschen – Kurden, Araber, Christen, Armenier, Turkmenen und Assyrer.
In Rojava soll eine multiethnische, multireligiöse und basisdemokratische Gesellschaft aufgebaut werden. Als ideologische Grundlage des Projekts gelten die Lehren des in der Türkei inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan. Als einziger Ort der Welt wird in Rojava nach dem System des demokratischen Konföderalismus regiert. Das bedeutet, dass es für jede Institution, angefangen bei der kommunalen Verwaltung bis hin zur Präsidentschaft, immer eine Doppelspitze gibt – jeweils ein Mann und eine Frau.
Versucht wird, eine freie Gesellschaft aufzubauen. Nebst der Gleichstellung der Geschlechter nimmt dabei auch die Ökologie eine zentrale Rolle ein. In den selbstverwalteten Kommunen soll die Landwirtschaft dezentral und ökologisch organisiert werden.
In die Militäroffensive in Rojava sind nebst der türkischen Armee auch das Assad-Regime, Russland und die USA involviert. Die wichtigsten Akteure im Krieg sind:
Noch wütet der Krieg, der letzte Woche begann, weiter. Je länger desto mehr dürfte es allerdings für Erdogan schwierig werden, seine Offensive fortzuführen. Mit Russland an der Seite von Assad, steht Erdogan jetzt ein Bündnis-Partner gegenüber.
Doch was passiert mit Rojava? Assad kommt der Deal mit den SDF zu Gute, um die Kontrolle über die autonomen Gebiete in Nordsyrien zurückzuerlangen. Inwiefern die Kurden ihre Selbstverwaltung weiterführen können, wird sich zeigen. Medienberichte sprechen derweil bereits von einem Countdown für ein chaotisches Ende des achtjährigen Kriegs in Syrien. Der einzige klare Sieger hiesse in diesem Fall Assad.
und trump lässt den einzig loyalen verbündeten in der region fallen wie eine heisse kartoffel.
Rojava ist die Kurdishi bezeichnung für den Syrischen Teil der damals Kurdistan war, bevor man ihn Syrien zugeteilt hat.
Kurdistan Iran ist Rojhalat, Kurdistan Irak ist Baschur, Kurdistan Syrien ist Rojava und Kurdistan Türkei ist Bakur. Das bedeutet eigentlich Norden, Osten, Westen und Süden. (Nicht in der Reihenfolge. Nur um das klar zu stellen.
Es muss wie im Nordirak eine Flugverbotszone eingerichtet werden. Wenn dieser schritt getan ist werden die Islamisten Erdogans einer kampferprobten Armee gegenüberstehen, gegen die Sie auf dem Land keine Chance haben.
Auch wenn diese Flugverbotszone nicht eingerichtet wird und die Kurden ein weiteres mal von der Welt fallen gelassen werden... Dieser Kampf wird für Erdogan blutig enden. Sehr Blutig.