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Attentat in St. Petersburg: Unter Russlands Kriegsbloggern herrscht Angst

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Das Café in St. Petersburg nach dem Anschlag: Kriegsblogger Wladlen Tatarskij stirbt dabei, mindestens 25 Menschen wurden verletzt.Bild: keystone

Attentat mitten in St. Petersburg – jetzt geht unter Russlands Kriegsbloggern die Angst um

Nach dem Bombenanschlag auf den prorussischen Kriegsblogger Wladlen Tatarskij in St. Petersburg wächst die Sorge unter den Betreibern der Propaganda-Kanäle. Einer fordert zur Flucht ins Ausland auf.
03.04.2023, 05:11
lars wienand / t-online
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t-online

Die Warnung von Wladislaw Pozdnyakow ist eindeutig: «Das Beste, was ein Z-Kanal-Autor jetzt tun kann, ist, Russland zu verlassen und vom Ausland aus weiterzumachen». Pozdnyakow gibt sonst gerne den starken Mann, er ist selbst «Z-Kanal-Autor», betreibt also einen Telegram-Kanal im Sinne des «Z»-Zeichens, das zum Symbol für die Unterstützung des russischen Kriegs geworden ist.

Seinen 250'000 Abonnenten schrieb er am Sonntagabend:

«In Russland ist man nicht vor seinen eigenen Leuten geschützt, geschweige denn vor Fremden!»

Russlands Propagandakrieger bekommen es nach dem Anschlag auf Wladlen Tatarskij mit der Angst zu tun.

Getötete Propagandastimmen: Daria Dugina starb bei einem Anschlag mit einer Autobombe, Wladlen Tatarskij verlor sein Leben bei der Explosion eines Sprengsatzes in einem Geschenk. (Quelle: Twitter/Ipon ...
Getötete Propagandastimmen: Daria Dugina starb bei einem Anschlag mit einer Autobombe, Wladlen Tatarskij verlor sein Leben bei der Explosion eines Sprengsatzes in einem Geschenk.Bild: Twitter/Iponomarev

Tatarskij wurde am Sonntag in St. Petersburg durch die Explosion einer Bombe getötet, die wahrscheinlich in einer geschenkten Büste versteckt war. Die Tat geschah in einem Café, das dem Chef der Söldnertruppe Wagner und russischen Unternehmer Jewgeni Prigoschin gehört, einem Treffpunkt der Szene der eingeschworenen Kriegsunterstützer.

Vor einigen Wochen hatte in dem Café der in St. Petersburg lebende Deutsche Kreml-freundliche Thomas Röper einen Vortrag gehalten. Röper hatte über ein angebliches «Biowaffenprogramm der USA in der Ukraine» erzählt. Er schrieb nach dem Anschlag in seinem Blog, er kenne die Organisatoren der Treffen: Es seien «junge Leute, sie sind meines Wissens alle unter 30 Jahre alt, und sie unterstützen die Politik der russischen Regierung.» Einige könnten unter den mehr als 20 Verletzten sein.

Und Röper erinnert daran, dass es schon zuvor einen Anschlag gegen Blogger gab. Tatarskij ist der zweite per Bombe getötete Blogger, der für erbarmungsloses Vorgehen Russlands in der Ukraine eingetreten ist. Vor ihm war im vergangenen August Daria Dugina durch eine Autobombe zerrissen worden, Bloggerin und Tochter des faschistischen russischen Ideologen Alexander Dugin.

Die Deutsche Alina Lipp, die sich selbst als «deutsch-russische Friedensjournalistin» bezeichnet, in Tat und Wahrheit aber vor allem russische Propaganda verbreitet, schrieb in ihrem prorussischen Kanal mit 186'000 Abonnenten: «Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie wir uns jetzt fühlen.» Lipp ist die Partnerin von Röper und derzeit nach eigenen Angaben auf der Krim.

Verstärkung: Russel "Texas" Bentley kam zum Kämpfen als Sniper in den Donbass und sieht sich jetzt jetzt Infokrieger. Alina Lipp reist mit ihm in Kampfgebiete.
Post aus Alina Lipps Instagram-Kanal.Bild: Screenshot Telegram

Auch Röper ging auf die Gefährdung ein: Russische Sicherheitsdiensten gelinge es immer wieder, Terror- und Mordanschläge auf russische Journalisten zu verhindern, schrieb er, «aber offensichtlich sind auch sie nicht unfehlbar». Hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht für die Militär-Journalisten, wenn deren Arbeit der ukrainischen Regierung nicht gefalle. Sein unbelegter Vorwurf: Kiew heuere Terroristen an und gebe Morde an Journalisten in Auftrag.

Der frühere Bodybuilder Pozdnyakow, der jetzt Alarm schlägt, schildert die Lage viel dramatischer: Ukrainische Agenten hätten Russland überflutet, es gebe Tausende, die bereit seien, Sprengsätze zu legen. Im Ausland würden es die Ukrainer [er nutzt ein Schimpfwort] nie wagen, einen Terroranschlag zu verüben, aber in Russland könnten sie machen und tun, was sie wollten. Zu verdanken sei das der Hilflosigkeit der Sonderdienste, von Präsident Putin und Verteidigungsminister Schoigu.

Wladimir Putin und Verteidigungsminister Sergei Schoigu: Offenbar sucht der russische Präsident in ganz Russland nach Verstärkung für das Militär.
Putin mit Verteidigungsminister Schoigu: Offene Kritik an Russlands Regierung wird salonfähiger.Bild: imago images

Während noch in der Nacht eine Verdächtige festgenommen wurde, spekulierte Pozdnyakow in seinem Kanal über den russischen Neonazi Denis Kapustin alias Denis Nikitin als Hintermann des Anschlags. Nikitin, der lange in Köln lebte und in Deutschland Kampfsportveranstalter war, ist Gründer eines russischen Freiwilligenkorps (RDK) auf ukrainischer Seite und habe auch noch gute Verbindungen zu Leuten im russischen Geheimdienst FSB.

Nikitin soll auch hinter dem Angriff im russischen Dorf Brjansk und weiteren Operationen auf russischem Gebiet stecken und ist Mitte März auf eine russische Fahndungsliste genommen worden.

Die aktuellen Entwicklungen im Krieg im Überblick:

Pozdnyakow selbst hat sich bereits vor dem Krieg ins Ausland abgesetzt, weil in Russland nach ihm wegen Aufstachelung zum Frauenhass gesucht wurde. Mit der Kriegsunterstützung in seinem Kanal dürfte er zwar bei der russischen Führung Punkte gesammelt haben.

Jetzt sieht er sich bestätigt, dennoch nicht zurückzukehren: Auf seinen Kopf sei eine Belohnung ausgesetzt. Wer meint, er sei nur ein Telegram-Kanalbetreiber und niemand schere sich einen Dreck um ihn, den müsse er enttäuschen:

«Sie haben sich noch nie so geirrt. Sie werden in die Luft gejagt, erschossen, getötet. Das ist die Realität, mit der Sie nun leben müssen.»

Verwendete Quellen:

  • Eigene Recherchen
  • Telegram-Kanal Wladislaw Pozdnyakow
  • anti-spiegel.ru: Bombenanschlag auf russischen Journalisten in St. Petersburg
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51 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Schwefelholz
03.04.2023 05:59registriert Dezember 2015
Wer Wind sät, …
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HKD
03.04.2023 07:11registriert November 2022
Und der Rest von KaPutins Cheerleadertruppe haut nun ab ins sichere Ausland. Weil im ach so verhassten Westen fühlen die sich sicherer.
Haben die gefragt, ob sie im Westen willkommen sind?
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Remus
03.04.2023 08:24registriert Dezember 2016
Einen illegalen Krieg unterstützen wo auch mit Absicht Kinder getötet werden, und dann selbst in Kontakt mit dem Krieg kommen.
Karma in seiner besten Rolle
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