Bei einer Explosion in einem Café im Zentrum der russischen Grossstadt St. Petersburg ist der ultranationalistische russische Kriegsblogger Wladlen Tatarskij ums Leben gekommen. Mindestens 30 weitere Personen wurden bei der Detonation eines Sprengsatzes am Sonntagabend im Café verletzt, 19 mussten ins Spital gebracht werden, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete.
Die Explosion in St. Petersburg:
A source tells Russian state news agency RIA Novosti that military blogger Vladlen Tatarsky (real name Maxim Fomin) has been killed by a blast in a cafe in St Petersburg where he was giving a talk
— Francis Scarr (@francis_scarr) April 2, 2023
He previously said Ukrainians were mentally ill Russians https://t.co/vr1fYWFxvu pic.twitter.com/oN0Gv0TCHS
Wladlen Tatarskijs richtiger Name lautet Maxim Fonin. Der 40-Jährige wurde zu Sowjetzeiten in Donezk in der Ostukraine geboren und war ein glühender Befürworter der russischen «Spezialoperation» in der Ukraine. Unter seinem Pseudonym betrieb Tatarskij einen populären Telegramkanal mit über einer halben Million Abonnenten, auf welchem er «journalistisch» über das Kriegsgeschehen in der Ukraine berichtete. In Tat und Wahrheit verbreitete der 40-Jährige aber vor allem russische Propaganda.
Nebst Videos aus dem Kriegsgebiet publizierte er zuletzt auch vor allem Anleitungen mit Tipps für junge russische Soldaten, wie sie sich an der Front am besten verhalten sollen. Tatarskij war ein Hardliner und wurde in westlichen Medien teils auch als «Putins grösster Cheerleader» bezeichnet. Laut der britischen Zeitung DailyMail arbeitete Tatarskij zunächst als Minenarbeiter, ehe er aus Geldmangel eine kriminelle Laufbahn einschlug und eine Bank überfiel. Im Zuge der russischen Krim-Annexion kam er frei und schloss sich den prorussischen Separatisten an.
In der Folge begann er aus russischer Perspektive aus dem Kriegsgebiet zu berichten und etablierte sich als einer der in Russland populärsten Kriegsblogger. Ende des vergangenen Jahres machte ein Video von Tatarskij die Runde, in dem er eine üble Kampfansage an die Ukrainer sendete. Zudem bezeichnete er in der Vergangenheit Ukrainer als «geisteskranke und schizophrene» Russen. Die Zukunft der Ukraine könne nur glorreich sein, wenn die Menschen dort anerkennen würden, dass sie Russen seien, und «in ihren normalen Zustand» zurückkehren würden.
Zum Attentat kam es im Café «Street Food Bar No. 1» im Stadtzentrum von St. Petersburg. Das Café befindet sich im Besitz von Wagner-Söldnerchef Jewgeni Prigoschin, wie dieser in einer Reaktion auf das Attentat bestätigte (siehe letzter Punkt). Es soll sich um einen beliebten Treffpunkt ultranationalistischer, kriegsbefürwortender Russen handeln.
Tatarskij hatte demnach am Sonntag zu einem «patriotischen Abend» im Lokal eingeladen. Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler wurde Tatarskij eine Büste als Geschenk übergeben. In dieser soll sich der Sprengsatz befunden haben, der wenige Minuten später explodierte. Die Büste soll laut Augenzeugenberichten ein vergoldetes Abbild von Tatarskij selbst dargestellt haben, wie der Spiegel schreibt.
Überbringerin des Geschenks ist laut lokalen Medien eine junge Frau gewesen. Sie soll bei der Übergabe noch mit Tatarskij gescherzt haben, ehe sie sich in eine der hinteren Zuschauerreihen gesetzt haben soll. Ersten Berichten zufolge ist die Frau nach der Explosion verschwunden – in der Nacht auf Montag kursierten dann aber auch Berichte, wonach sich die Frau unter den ins Spital eingelieferten Opfern befinden soll. Unklar ist, ob die Überbringerin wusste, dass sich in der Büste ein Sprengsatz befindet.
Beweise oder eine Bekennerbotschaft gibt es bisher nicht. Dementsprechend kursieren verschiedene Spekulationen über die mögliche Urheberschaft des Attentats.
Von russischer Regierungsseite wurde rasch mit dem Finger auf die Ukraine gezeigt. Die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa, bezeichnete Tatarskij als «Verteidiger der Wahrheit» und kündigte Mordermittlungen an.
Michailo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, sprach hingegen von «inländischem Terrorismus» in Russland. Es sieht im Attentat ein Zeichen des sich intensivierenden Machtkampfes in Russlands. Es sei eine Frage der Zeit gewesen, ehe ein solcher ausbrechen würde. Der Prozess sei unumkehrbar, man werde sich das Geschehen anschauen, so Podoljak.
It begins in RF... Spiders are eating each other in a jar. Question of when domestic terrorism would become an instrument of internal political fight was a matter of time, as breakthrough of ripe abscess. Irreversible processes and Troubles 2.0. await RF. While we will watch.
— Михайло Подоляк (@Podolyak_M) April 2, 2023
Auch Wagnerchef Prigoschin reagierte und spekulierte. Er hisste zu Ehren von Tatarskij eine Flagge in Bachmut – und verkündete dabei erneut, dass Bachmut nun komplett unter russischer Kontrolle sei. Eine Bestätigung dieser Meldung steht noch aus.
April 2, 2023, 23:00. We hoisted a Russian flag with the inscription “To the good memory of Vladlen Tatarsky” and the flag of Wagner on the city administration of Bakhmut. Legally, Bakhmut is taken. The enemy is concentrated in the western districts.
— Russians With Attitude (@RWApodcast) April 2, 2023
— Prigozhin pic.twitter.com/vZ0X5ozXUn
Der Wagnerchef sagt im Video zudem:
Er bestätigte zudem, dass er das Café einer patriotischen Gruppe namens «CYBER FRONT Z» für Anlässe zur Verfügung gestellt hatte.
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.