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Ukraine

Russischer Blogger bei Attentat in Café getötet: Was man weiss

Getötete Propagandastimmen: Daria Dugina starb bei einem Anschlag mit einer Autobombe, Wladlen Tatarskij verlor sein Leben bei der Explosion eines Sprengsatzes in einem Geschenk. (Quelle: Twitter/Ipon ...
Wladlen Tatarskij mit der ebenfalls bei einem Attentat getöteten Kreml-Propagandistin Darja Dugina.Bild: Twitter/Iponomarev

«Putins grösster Cheerleader» bei Attentat in Prigoschin-Café getötet – das wissen wir

Ein bekannter russischer Kriegsblogger wird inmitten von St. Petersburg bei einem Attentat getötet. Der Vorfall weckt Erinnerungen an die Ermordung von Darja Dugina. Ein Überblick.
03.04.2023, 05:0904.04.2023, 11:17
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Das ist passiert

Bei einer Explosion in einem Café im Zentrum der russischen Grossstadt St. Petersburg ist der ultranationalistische russische Kriegsblogger Wladlen Tatarskij ums Leben gekommen. Mindestens 30 weitere Personen wurden bei der Detonation eines Sprengsatzes am Sonntagabend im Café verletzt, 19 mussten ins Spital gebracht werden, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete.

Die Explosion in St. Petersburg:

Wer war Wladlen Tatarskij?

Wladlen Tatarskijs richtiger Name lautet Maxim Fonin. Der 40-Jährige wurde zu Sowjetzeiten in Donezk in der Ostukraine geboren und war ein glühender Befürworter der russischen «Spezialoperation» in der Ukraine. Unter seinem Pseudonym betrieb Tatarskij einen populären Telegramkanal mit über einer halben Million Abonnenten, auf welchem er «journalistisch» über das Kriegsgeschehen in der Ukraine berichtete. In Tat und Wahrheit verbreitete der 40-Jährige aber vor allem russische Propaganda.

Nebst Videos aus dem Kriegsgebiet publizierte er zuletzt auch vor allem Anleitungen mit Tipps für junge russische Soldaten, wie sie sich an der Front am besten verhalten sollen. Tatarskij war ein Hardliner und wurde in westlichen Medien teils auch als «Putins grösster Cheerleader» bezeichnet. Laut der britischen Zeitung DailyMail arbeitete Tatarskij zunächst als Minenarbeiter, ehe er aus Geldmangel eine kriminelle Laufbahn einschlug und eine Bank überfiel. Im Zuge der russischen Krim-Annexion kam er frei und schloss sich den prorussischen Separatisten an.

epa10555944 A view of the scene of an explosion at the 'Street bar' cafe in St. Petersburg, Russia, 02 April 2023. According to Russia's Ministry of Internal Affairs, as a result of the ...
Der Tatort am Sonntagabend.Bild: keystone

In der Folge begann er aus russischer Perspektive aus dem Kriegsgebiet zu berichten und etablierte sich als einer der in Russland populärsten Kriegsblogger. Ende des vergangenen Jahres machte ein Video von Tatarskij die Runde, in dem er eine üble Kampfansage an die Ukrainer sendete. Zudem bezeichnete er in der Vergangenheit Ukrainer als «geisteskranke und schizophrene» Russen. Die Zukunft der Ukraine könne nur glorreich sein, wenn die Menschen dort anerkennen würden, dass sie Russen seien, und «in ihren normalen Zustand» zurückkehren würden.

Video: twitter/Sergey Vasiliev

Das weiss man zum Tathergang

Zum Attentat kam es im Café «Street Food Bar No. 1» im Stadtzentrum von St. Petersburg. Das Café befindet sich im Besitz von Wagner-Söldnerchef Jewgeni Prigoschin, wie dieser in einer Reaktion auf das Attentat bestätigte (siehe letzter Punkt). Es soll sich um einen beliebten Treffpunkt ultranationalistischer, kriegsbefürwortender Russen handeln.

Der Tatort im Zentrum von St. Petersburg.

Tatarskij hatte demnach am Sonntag zu einem «patriotischen Abend» im Lokal eingeladen. Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler wurde Tatarskij eine Büste als Geschenk übergeben. In dieser soll sich der Sprengsatz befunden haben, der wenige Minuten später explodierte. Die Büste soll laut Augenzeugenberichten ein vergoldetes Abbild von Tatarskij selbst dargestellt haben, wie der Spiegel schreibt.

Überbringerin des Geschenks ist laut lokalen Medien eine junge Frau gewesen. Sie soll bei der Übergabe noch mit Tatarskij gescherzt haben, ehe sie sich in eine der hinteren Zuschauerreihen gesetzt haben soll. Ersten Berichten zufolge ist die Frau nach der Explosion verschwunden – in der Nacht auf Montag kursierten dann aber auch Berichte, wonach sich die Frau unter den ins Spital eingelieferten Opfern befinden soll. Unklar ist, ob die Überbringerin wusste, dass sich in der Büste ein Sprengsatz befindet.

Eine Überwachungskamera soll die Büsten-Überbringerin auf dem Weg ins Café zeigen:

Video: twitter/davie ewan macdonald

Die Spekulationen über die Urheberschaft

Beweise oder eine Bekennerbotschaft gibt es bisher nicht. Dementsprechend kursieren verschiedene Spekulationen über die mögliche Urheberschaft des Attentats.

Von russischer Regierungsseite wurde rasch mit dem Finger auf die Ukraine gezeigt. Die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa, bezeichnete Tatarskij als «Verteidiger der Wahrheit» und kündigte Mordermittlungen an.

Michailo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, sprach hingegen von «inländischem Terrorismus» in Russland. Es sieht im Attentat ein Zeichen des sich intensivierenden Machtkampfes in Russlands. Es sei eine Frage der Zeit gewesen, ehe ein solcher ausbrechen würde. Der Prozess sei unumkehrbar, man werde sich das Geschehen anschauen, so Podoljak.

Auch Wagnerchef Prigoschin reagierte und spekulierte. Er hisste zu Ehren von Tatarskij eine Flagge in Bachmut – und verkündete dabei erneut, dass Bachmut nun komplett unter russischer Kontrolle sei. Eine Bestätigung dieser Meldung steht noch aus.

Der Wagnerchef sagt im Video zudem:

«Ja, alles ist ähnlich wie beim Tod von Darja Dugina. Aber ich würde nicht das Kiewer Regime für diese Aktion beschuldigen. Ich denke, es gibt da eine Gruppe von Radikalen, die kaum Verbindungen zur Regierung hat.»

Er bestätigte zudem, dass er das Café einer patriotischen Gruppe namens «CYBER FRONT Z» für Anlässe zur Verfügung gestellt hatte.

Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.

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126 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pat da Rat
03.04.2023 06:19registriert Mai 2022
Hat bekommen, was er selber gepredigt und gutgeheissen hat. Karma is a b!tch.
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B-M
03.04.2023 05:37registriert Februar 2021
Mein Mitleid hält sich in Grenzen.
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Aspirin
03.04.2023 06:16registriert Januar 2015
„Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ Hosea 8,7
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