International
Ukraine

Wie sich Putins Schergen gegenseitig bekriegen

In Putins Puppentheater ist die Hölle los

17.02.2023, 11:1118.02.2023, 12:01
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Russlands Überfall auf die Ukraine läuft nicht wie geplant. Aus dem erhofften dreitägigen Handstreich wird nächste Woche ein einjähriges Desaster mit hunderttausenden Toten.

Überraschend wenige Opfer gab es indes im Kreml. Die wichtigsten Akteure sitzen weiterhin im Sattel, doch der Stellungskrieg hat auch sie erreicht. Aktuell sieht es danach aus, als würden sich zwei Gruppen bekriegen.

Die Falken

Viel Informationen über interne Streitereien dringen nicht in den Westen. Bekannt aber ist die Verachtung von Wagner-Chef Prigoschin («Putins Koch») für Verteidigungsminister Schoigu und Oberbefehlshaber Gerassimow. Zusammen mit dem Oberhaupt der Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow («Putins Bluthund»), und dem entmachteten General Surowikin («General Armageddon») habe Prigoschin die Absetzung von Schoigu und die Übernahme des Verteidigungsministeriums geplant. Das berichtet Wladimir Oschekin, der Gründer der russischen Antikorruptions- und Menschenrechtsseite Gulagu.net. Oschekin bezieht sich dabei auf eine anonyme Quelle.

FILE - Colonel General Sergei Surovikin, Commander of the Russian forces in Syria, speaks, with a map of Syria projected on the screen in the back, at a briefing in the Russian Defense Ministry in Mos ...
Sergei Surowikin wurde während des Ukrainekriegs zuerst als Kommandant der russischen Truppen in der Ukraine ein- und nach wenigen Monaten wieder abgesetzt. Bild: keystone

Der Plan der drei Verschwörer sei gewesen, mit den rekrutierten Sträflingen schnell Erfolge auf dem Schlachtfeld zu erzielen. Die Eroberung von Bachmut dürfte dabei das oberste Ziel gewesen sein. Seit Monaten beissen sich dort die Invasoren an der ukrainischen Verteidigung die Zähne aus. Bis zu 40’000 Wagner-Söldner sollen dabei bereits ausgeschaltet worden sein.

Chechnya's regional leader Ramzan Kadyrov inspects troops before their deployment for an exercise in the Arctic at an airport outside Grozny, Russia, Tuesday, March 9, 2021. (AP Photo/Musa Sadula ...
Ramsan Kadyrow inspiziert seine Truppen.Bild: keystone

Mit diesen (theoretischen) Erfolgen als Referenz wollten Prigoschin, Kadyrow und Surowikin bei Wladimir Putin vorstellig werden, um Änderungen einzufordern: Surowikin wollte Verteidigungsminister werden, Kadyrow hätte die Nationalgarde übernehmen wollen und Prigoschin sah sich als Chef des Geheimdienstes FSB. Die Theorie wird gestützt durch Aussagen des tschetschenischen Duma-Abgeordneten Adam Delimchanow. Kadyrows Sprachrohr im Kreml stellte kürzlich die Kompetenz des FSB infrage. Gleichzeitig forderte er für sich und Kadyrow den Vorsitz einer Staatsbehörde, damit sie effektiv gegen Oppositionelle im Land vorgehen können.

Putins Vertrauter Jewgeni Prigoschin gibt zu, dass Russland die Wahlen in den USA beeinflusst.
Jewgeni Prigoschin: Wird er das erste grosse Opfer im Machtkampf in Moskau?Bild: Screenshot: Twitter

Prigoschin andererseits wisse, dass er keine politische Zukunft habe, solange der FSB kompromittierendes Material über ihn besitze. «Putins Koch» sass bereits mit 18 Jahren zum ersten Mal im Gefängnis und verbüsste später unter anderem eine 12-jährige Haftstrafe, die er allerdings wegen guter Führung vorzeitig beenden konnte. Aus dieser Zeit soll das Kompromat stammen. Menschenrechtsaktivist Oschekin glaubt, Prigoschin werde dieses Jahr nicht überleben: «Wie man Putins Vorgehen kennt, wird er entsorgt».

Die Parteisoldaten

Verteidigungsminister Schoigu ist ein alter Putin-Vertrauter. Er gehört zur Gruppe der Siloviki, dem engsten Vertrauenskreis des Präsidenten. Er verbrachte schon die Sommerferien mit ihm, ausserdem residieren beide in der Rubljowka, der Luxus- und Villengegend westlich von Moskau.

In this handout photo released by Russian Defense Ministry Press Service on Tuesday, Jan. 17, 2023, Russian Defense Minister Sergei Shoigu speaks as he inspects Russian troops at an undisclosed locati ...
Sergei Schoigu: Unter ihm soll die Korruption in der Armee neue Ausmasse angenommen haben.Bild: keystone

Schoigus Auftritt ist weit unauffälliger als derjenige von Jewgeni Prigoschin. Social-Media-Posts mit ehemaligen Sträflingen gibt es nicht. Dafür zieht er die Strippen im Hintergrund. So wies der Kreml alle Propagandamedien an, Prigoschin in Zukunft nicht mehr «exzessiv zu promoten». Konkret bedeutet das: Prigoschin soll in Zukunft totgeschwiegen werden. Dies bestätigte der politische Analyst Sergei Markow in der «New York Times». Wer die Weisung tatsächlich ausgesprochen hat, ist nicht bekannt.

Auch hinter dem Rekrutierungsstopp von Sträflingen soll Sergei Schoigu stecken. Damit schlägt er mehrere Fliegen mit einer Klappe. Er schwächt Prigoschins Wagner – und stärkt seine eigenen Söldner. Die «Patriot» genannte private Militäreinheit (PMC) soll nach ukrainischen Angaben bereits im Donbass gesichtet worden sein. Sie steht dem Verteidigungsminister nahe und soll ebenfalls mit rekrutierten Sträflingen arbeiten. Während Wagner-Einheiten ca. 3000 Dollar pro Monat verdienen, erhalten Patriot-Kämpfer zwischen 6000 und 15'000 Dollar. Preiskampf im russischen Söldnerwesen.

Ob sich zwei Privateinheiten, die sich um Personal, Munition, Gelder und andere Ressourcen konkurrenzieren, positiv auf den Kriegsverlauf auswirken, wird von Beobachtern stark bezweifelt.

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83 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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HeidiW
17.02.2023 11:46registriert Juni 2018
Der Artikel zeigt nur auf, was passiert, wenn Schwerverbrecher die Politik untergraben haben! Was für ein Haufen menschlichen Abschaums!
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Rikki-Tiki-Tavi
17.02.2023 11:44registriert April 2020
Welch ein charakterliches Gruselkabinett.
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Tokyo
17.02.2023 11:32registriert Juni 2021
das ist unter totalitären Regimes üblich, dass man sich bespitzelt und bekriegt. Jeder möchte der beste Freund vom Führer sein
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