Wolodymyr Selenskyj warnt Donald Trump vor Verhandlungen über den Kopf der Ukraine hinweg. «Es kann keine Rede davon sein, dass es ohne uns Absprachen über die Ukraine gibt. Das ist zwecklos», sagte der ukrainische Präsident im Gespräch mit Sandra Maischberger. Die USA dürften auch nicht vorab alle Forderungen vom Tisch nehmen, etwa die Nato-Mitgliedschaft seines Landes: «So funktioniert das nicht. Ich glaube, dass niemand an einem Afghanistan 2.0 interessiert ist.»
In der Sendung waren folgende Gäste:
Ganz lasse sich die Ukraine zwar nicht mit Afghanistan vergleichen, räumte Selenskyj in dem Interview ein. Aber: «Wir erinnern uns, was in Afghanistan passiert ist, als die Amerikaner überstürzt abgezogen sind», sagte der ukrainische Präsident am Samstag am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Eine kürzere Fassung des Interviews wurde am Dienstagabend während der Talkshow ausgestrahlt.
Selenskyj liess keinen Zweifel daran: «Einen Sieg der Ukraine wird es ohne Unterstützung der USA definitiv nicht geben.» Das liege auch an der Schwäche Europas. Selenskyj setzte durchaus Hoffnungen in den neuen amerikanischen Regierungschef. «Ich glaube, dass Trump daran interessiert ist, diesen Krieg zu beenden. Wirklich», sagte er Maischberger.
Die Kehrseite davon ist laut Selenskyj, dass die USA Wladimir Putin Dinge zusichern, um dem russischen Machthaber zu «gefallen». Damit solle erreicht werden, dass es rasch zu einem Treffen und zu einem schnellen Waffenstillstand kommt. Trump habe wirklich enge Beziehungen zu Putin, hatte Selenskyj zu Beginn des Interviews festgestellt – aber offen gelassen, ob das gut oder schlecht ist.
Während der ukrainische Präsident betonte, dass seine zahlreichen Gespräche mit Trump allesamt sehr positiv verlaufen seien, hielt er sich mit seiner Meinung über den neuen US-Verteidigungsminister nur geringfügig zurück und verkleidete seine Kritik als gut gemeinten Rat. Dass Pete Hegseth wichtigen Forderungen Putins etwa zu Gebietsabtretungen der Ukraine von vornherein stattgegeben hatte, bezeichnete Selenskyj als «sehr allgemeine Äusserungen».
«Der Verteidigungsminister sollte sich tiefer in die Details einarbeiten. Ich denke, dafür braucht er Zeit», sagte der Präsident laut der ARD-Übersetzung (Maischberger hatte während des Interviews eine Simultandolmetscherin und reagierte deshalb oft schneller, als es die spätere Vertonung durch einen Sprecher zugelassen hätte. Das Interview war von der Redaktion angefragt worden, wie es dort auf Nachfrage hiess).
Hegseth hatte auch ausgeschlossen, dass die USA eigene Truppen zur Friedenssicherung in die Ukraine schicken werden. Trump unterstütze vielmehr die Idee, dass ein europäisches Truppenkontingent der Ukraine hilft, sagte Selenskyj. Er habe hingegen im Gespräch mit Trump klargestellt, dass US-Truppen in der Ukraine eine wichtige Machtdemonstration gegenüber Putin wären.
Dies wäre laut Selenskyj auch deshalb wichtig, weil Russland laut ukrainischen Geheimdienstinformationen bis zum Sommer oder Herbst 150'000 zusätzliche Soldaten aufstellen wolle und überlege, einen Nato-Staat anzugreifen.
Von Maischberger zur Bundestagswahl gefragt, betonte Selenskyj, er pflege gute Beziehungen sowohl zu «Olaf» als auch zu «Friedrich». Die Moderatorin wollte auch wissen, was der ukrainische Präsident von Alice Weidel und deren Partei halte, die sich guter Beziehungen zu Russland rühme. Selenskyj schien nicht sofort zu verstehen, dass es um die AfD ging – ob aus Unwissen über die Partei oder verwirrt wegen der Fragestellung, wurde nicht deutlich.
«Wie gross ist denn die Unterstützung für diese Partei?», erkundigte sich der Gast. «20 Prozent», erwiderte Maischberger. «Das heisst, sie sind die zweitstärkste Kraft», ordnete Selenskyj diese Information sogleich ein. «Das ist die Wahl Ihres Volkes», betonte er, warnte aber im Allgemeinen vor dem Erstarken der Rechten in Europa. Anstand, die Achtung von Rechten und der Schutz von Menschenleben müssten das Wichtigste bleiben.
Maischberger fragte auch, ob Selenskyj zugunsten eines Friedensabschlusses bereit wäre, von seinem Amt zurückzutreten. «Für den Frieden in der Ukraine bin ich zu allem bereit», bekräftigte der Präsident. Er liess aber keinen Zweifel daran, was er anstrebt. «Wenn die Ukraine morgen in die EU und in die Nato aufgenommen wird, wenn russische Truppen sich zurückziehen und wir Sicherheitsgarantien haben, werde ich nicht mehr gebraucht. Ich denke, dann habe ich alles erreicht», sagte Selenskyj und lachte. «Aber so lange wir das nicht haben, werde ich mein Land verteidigen.»
In der Kommentatorenrunde bei «Maischberger» hielten sich die Erwartungen an die ersten Sondierungsgespräche zwischen den USA und Russland in Riad in Grenzen. «Es gibt keine Aussicht auf Frieden durch diese Gespräche», meinte der Ukrainekorrespondent der ARD, Vassili Golod. Denn die USA wollten einen raschen Erfolg und Russland könne einfach weiter morden.
Ein nachhaltiger Frieden sei dadurch in weite Ferne gerückt, sagte Golod. Verleger Wolfram Weimer sah eine Mitschuld Europas. Hier passe der alte Diplomatenspruch: «Wenn du nicht am Verhandlungstisch sitzt, landest du auf der Speisekarte.» Genau das erlebe Europa gerade.
Zum Abschluss dieser Ausgabe von «Maischberger» versuchte die Gastgeberin, die Stimmungslage in einer möglichen «Deutschlandkoalition» aus Union, SPD und FDP zu ergründen. «Mir wäre es am liebsten, es gäbe eine Bundesregierung ohne linke Parteien», sagte dazu FDP-Chef Christian Lindner. Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken nannte es im Gegenzug «hypothetisch», von einem Einzug der Liberalen in den Bundestag auszugehen.
Am Ende ging Maischberger ungewohnt direkt auf Konfrontationskurs. «Herr Lindner, warum soll man Sie wählen? Sie sind jemand, der dreimal jetzt weggelaufen ist», fragte sie den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister, der erstaunt die Augenbrauen hochzog. Lindner versuchte, seine Entlassung durch Scholz, das Platzen der Jamaika-Koalitionsgespräche und den Rückzug als FDP-Generalsekretär 2011 als Ausdruck politischen Rückgrats darzustellen. Wer bereit sei, sich entlassen zu lassen, stehe doch klar zu seinen Überzeugungen.
Maischbergers Frage «Wenn die FDP nicht reinkommt, hören Sie auf, Politik zu machen?» umschiffte Lindner. Esken wurde etwas deutlicher. Sollte die SPD ein historisch schlechtes Wahlergebnis einfahren, werde sie sich am Sonntag oder Montag fragen, ob sie weiter Vorsitzende sein sollte, kündigte Esken an.